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Viele Neuseeländer stammen aus Deutschland oder Österreich
Paradiesisches Neuseeland
Von Wolfgang Bittner

Mit ihrem Verkaufswagen für deutsche Wurstwaren kommt Doris Faulhaber jeden Sonntagvormittag von Nelson zum Markt nach Motueka. Sie hat eine Marktlücke entdeckt. Viele deutschstämmige Familien vermissen die deutsche Wurst und kaufen bei ihr ein, so auch die Konradts. Alfred und Ursula Konradt sind bereits in den 60er Jahren zuerst nach Australien und einige Jahre später dann nach Neuseeland ausgewandert. Australien war ihnen von den klimatischen und gesellschaftlichen Verhältnissen her zu ungemütlich, Neuseeland empfinden sie als ein Paradies.



Das Ehepaar Konradt aus Takaka/Golden Bay

Das Ehepaar, inzwischen 80 und 82 Jahre alt, lebt in Takaka an der Golden Bay, wo früher Gold gefunden wurde; der Ort befindet sich an der Nordküste der Südinsel in klimatisch bevorzugter Lage. Alfred war als Malermeister tätig, seine Frau verdiente in verschiedenen Arbeitsstellen hinzu – kein einfaches Leben. Alfred stammt aus Pommern, seine Frau aus Schlesien. „Nach dem Krieg sahen wir als Flüchtlinge keine Perspektive in Westdeutschland“, sagt Ursula. Sie berichtet von den Schrecken des Kriegsendes und der Vertreibung. „Für uns Heimatvertriebene war es schwer, wieder Fuß zu fassen“, fügt sie hinzu. „Wir waren ja für viele Einheimische lange Zeit noch ‚Rucksackgesindel’.“

Manches, was die Konradts erzählen, klingt bitter. Aber rückblickend, sind sie mit ihrem Leben doch zufrieden. Sie sind kinderlos geblieben, haben sich in Takaka ein schönes Haus gebaut und erhalten die in Neuseeland übliche Grundrente, das sind zurzeit etwa 2000 Dollar monatlich (ca. 950 Euro). „Was wir uns hier geschaffen haben“, sagt Ursula, „hätten wir in Deutschland wohl nie erreicht.“ Ihr Mann stimmt ihr zu: „Das Haus ist bezahlt, und wenn man einen Garten hat, kommt man hier bestens aus.“


Christian und Pamela Goffriller mit ihren Islandpferden

Ihr Nachbar, Karl Pratter, der aus Österreich stammt, ist ebenfalls überzeugter Neuseeländer geworden. Er lebt in ähnlichen Verhältnissen wie die Konradts, kam schon 1957 nach Neuseeland. „Wegen der Jagd“, berichtet er. „Man konnte sich ein Gewehr kaufen, in die Berge gehen und einen Hirsch, eine Gämse oder ein Wildschwein schießen. Auch das Angeln war frei.“ Er seufzt und fügt hinzu: „Jetzt machen die Knie und der Rücken nicht mehr mit.“ Er ist Jahrgang 1933.

Dagegen ist das Ehepaar Goffriller erst 1996 nach Neuseeland gekommen, seinerzeit mit vier Kindern. Sie brachten etwas Geld aus dem Verkauf eines Hauses mit und erwarben ein schönes einen Hektar großes Hausgrundstück nahe der See. Die Grundstückspreise sind ähnlich denen in Deutschland oder Österreich. Pamela arbeitet als Hebamme und ist nach wie vor begeistert von Neuseeland. „Unser Traum, den wir verwirklicht haben“, sagt sie und Christian nickt bekräftigend. Er fischt gerne, hat vier Islandpferde angeschafft und unternimmt Reitausflüge mit Touristen. „Vorn die See und hinter dem Haus die Berge“, schwärmt er. „Wo findet man das sonst schon?“ Die Familie hat noch dreimal Zuwachs bekommen und zählt – mit einem einjährigen Enkel – inzwischen zehn Personen.


Lake Pukaki mit dem 3754 Meter hohen Mount Cook im Hintergrund

Die Goffrillers, die aus der Grazer Gegend stammen, hatten das Land zuvor als Touristen erkundet und sich dann für die Gegend an der Golden Bay entschieden. Der malerische kleine Ort Takaka (ein Maori-Name) liegt etwa 25 Kilometer entfernt von der Ortschaft Collingwood, die einmal als neuseeländische Hauptstadt im Gespräch war. Als in der Gegend Gold abgebaut wurde, war der Ort ein sogenanntes Boomtown mit Tausenden von Bewohnern. Aber als die Goldvorkommen ausgebeutet waren, zogen die Goldsucher weiter. 1865 entschied man sich, die Hauptstadt von dem weit nördlich gelegenen Auckland, der bis heute größten Stadt Neuseelands, nach Wellington an der Südspitze der Nordinsel zu verlegen. Die Bewohner der Südinsel – in Richtung Südpol gelegen – sollten nicht benachteiligt werden, und Wellington (ca. 450.000 Einwohner) liegt zentraler als Auckland.


Lake Gunn an der Straße zum Milford Sound

Die klimatischen Verhältnisse sowohl auf der Nord- wie auf der Südinsel sind angenehm: Warme, aber nicht zu heiße Sommer, milde Winter. Die Vegetation ist hier und da subtropisch mit exotisch anmutenden Farnen, Palmen und Regenwäldern. Nur im südlichen Teil der Südinsel, wo vor allem Schafe gezüchtet werden, gibt es trockene Sommer und kalte Winter.
Im Gegensatz zu Australien finden sich in Neuseeland weder Krokodile noch Schlangen oder giftige Spinnen. Lediglich die „Black Flies“ können im Sommer zu einer Plage werden. Und hin und wieder wackelt die Erde, denn in Neuseeland stoßen die australische und die pazifische Kontinentalplatte aufeinander; jährlich werden rund 14.000 Erdbeben registriert. Doch das stört offenbar kaum einen der überzeugten Neuseeländer. „Es sind zumeist nur geringfügige Beben“, sagt Alfred Konradt. „Dadurch lassen wir uns unser Paradies nicht verleiden.“

Neuseeland ist aber nicht nur ein Land zum Auswandern, wie zu denken wäre, sondern auch zum Reisen. Obwohl die Anreise zur anderen Seite der Welt, z.B. über Singapur oder Bangkok oder Dubai, etwas mühsam ist.
Die Fotos sind urheberrechtlich geschützt. Bezugsanfragen können an die Redaktion gestellt werden. (HDH)



Schafe bei Arrowtown auf der Südinsel



Fareki Beach an der Golden Bay auf der Südinsel



See bei Takaka an der Golden Bay



Takaka Gruve, eine ursprüngliche Landschaft auf der Südinsel



Blick auf das Küstengebirge nahe der Ortschaft Fox Glacier


Die Fotos sind urheberrechtlich geschützt. Bezugsanfragen können an die Redaktion gestellt werden.


Online-Flyer Nr. 284  vom 12.01.2011



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