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Aktueller Online-Flyer vom 20. April 2024  

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Lokales
Eine Rede von der BAYER-Hauptversammlung
"Die Verantwortlichen gehören hinter Gitter"
Von Axel Köhler-Schnura

Meine Damen und Herren, guten Tag,
mein Name ist Axel Köhler-Schnura. Ich bin im Vorstand des internationalen Selbsthilfenetzwerkes der Coordination gegen BAYER-Gefahren und spreche zugleich für den Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre.


Unsere Kritik trifft immer wieder ins Schwarze

Wobei, das sei hier angemerkt, die Coordination gegen BAYER-Gefahren keine "sogenannte" ist, wie Herr Wenning heute Vormittag einfach behauptete, sondern eine ganz reale. Seit 28 Jahren begleiten wir mit tausenden von ehrenamtlichen AktivistInnen in 56 Ländern den BAYER-Konzern kritisch. Meine Damen und Herren, wir sind so real, dass es Herrn Wenning und seinen Kollegen einfach nicht passt, so sieht es aus!
Und noch etwas: Herr Wenning hat heute morgen einmal mehr pauschal alle unsere Kritik als "haltlos" bezeichnete. Herr Wenning, erklären Sie doch bitte mal den AktionärInnen, wie bei aller behaupteten "Haltlosigkeit" unserer Kritik diese immer wieder ins Schwarze trifft und Sie zu hektischem Handeln und umfangreichen Korrekturen bringt. Gerade vorhin haben Sie wieder ein hervorragendes Beispiel dafür geliefert, als Sie zu dem von uns kritisierten Fresswettbewerb in den USA Stellung nahmen. Seltsamerweise stieg BAYER aus dieser perversen Show doch erst aus, nachdem wir das in einer internationalen Kampagne an die Öffentlichkeit gebracht haben.
Herr Wenning, ist es nicht in Wahrheit immer wieder so, dass Sie hier den AktionärInnen und der interessierten Öffentlichkeit Sand in die Augen streuen, geschickt in die Irre führen, die Auskunft verweigern und mitunter auch schlicht und ergreifend die Unwahrheit sagen.

Axel Köhler-Schnura
Axel Köhler-Schnura:
"Das, was Marx in der Jugendzeit des Unternehmens feststellte,..."
Foto: arbeiterfotografie.com



Rechtsverstöße unterschiedlichster Art

Meine Damen und Herren,
apropos Unwahrheit, Sie haben auch dafür heute wieder einen herausragenden Beweis dafür geliefert bekommen. Herr Wenning sagte - und das gleich mehrfach -, BAYER bewege sich stets im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften. Und weiter behauptete er, wenn überhaupt Gesetzesverstöße vorkämen, dann wären die keinesfalls dem Vorstand zuzurechnen, sondern irgendwelchen nicht kontrollierbaren MitarbeiterInnen des Unternehmens.
Meine Damen und Herren,
jetzt möchte ich doch mal Ihr Augenmerk auf Seite 56 des Geschäftsberichtes lenken. Dort steht: "Unter Berücksichtigung der auf Lanxess entfallenden Anteile ist im Laufe des Jahres 2005 ein Aufwand von insgesamt 336 Mio EUR angefallen. Das hat ... für die zuvor dargestellten zivilrechtlichen Verfahren zu einer Risikovorsorge in Höhe von 285 Mio EUR geführ. ... wobei belastbare Angaben zur tatsächlichen Höhe zukünftiger Bußgelder zurzeit nicht möglich sind." Und schließlich heißt es dann noch: "Die gebildeten Rückstellungen könnten nicht ausreichend sein, um die aus den genannten Verfahren letztlich erwachsenden Belastungen abzudecken."

Meine Damen und Herren,
hier ist von vielen hundert Millionen Euro die Rede, die dann "eventuell nicht einmal ausreichen". Worum geht es? Um Strafgelder für illegale Kartellabsprachen!
Und jetzt frage ich Sie, meine Damen und Herren: Wenn jemand Strafen von vielen hundert Millionen Euro für Strafen wegen illegaler Kartellabsprachen bezahlt - und übrigens dann derart im Kaffeehauston darüber plaudert, wie das hier heute die ganze Zeit der Fall ist -, bewegt der sich ohne Fehl und Tadel im gesetzlichen Rahmen? Diese Behauptung, die hier Herr Wenning vorträgt, entpuppt sich doch als das, was sie ist: als eine glatte Lüge.
Wenn jemand zu solchen Strafen verurteilt wird, wenn jemand illegale Kartellabsprachen tätigt, und das obendrein nicht nur einmal, sondern immer und immer wieder, der hält sich nicht an Gesetze, sondern verstößt dagegen, der handelt kriminell.
Bei der Gelegenheit möchte ich wissen, was das kostet? Herr Wenning, wie viel Kosten verursachte der Rechtsapparat des Konzerns im letzten Geschäftsjahr? Was gibt BAYER aus, um drohende Strafen abzuwenden? Wieviele Verfahren waren in 2005 anhängig, in denen dem Konzern Rechtsverstöße unterschiedlichster Art vorgeworfen wurden? Doch ich weiß, Herr Wenning, dass wir auch dieses Mal wieder keine ehrlichen Antworten erhalten werden.

Die wahrhaft großen Drogenbosse bleiben unbehelligt

Meine Damen und Herren,
eines ist richtig: viel zu oft geht BAYER straffrei aus. Während beispielsweise kleine Drogenhändler ins Gefängnis wandern, bleiben die wahrhaft großen Drogenbosse unbehelligt. Ich möchte in diesem Zusammenhang nur daran erinnern, dass HEROIN, der Stoff, der zur Geisel ganzer Generationen wurde und Millionen von Menschenleben forderte und noch immer fordert, ein eingetragenes Warenzeichen des BAYER-Konzerns ist; von BAYER entwickelt und vom Konzern weltweit in die Märkte gepusht; gegen alle Warnungen, alle Proteste und alle Widerstände bis in die 50er Jahre hinein. Nicht ein einziger Verantwortlicher bei BAYER hat jemals dafür eine Strafe erhalten.
Meine Damen und Herren,
ein Ihnen allen bekannter Wirtschaftswissenschafter mit vier Buchstaben, der erste ein M, der letzte ein X, stellte einmal fest, ich zitiere: "Mit entsprechendem Profit wird Kapital kühn. Zehn Prozent sicher, und man kann es überall anwenden; 20 Prozent, es wird lebhaft; 50 Prozent, positiv waghalsig; für 100 Prozent stampft es alle menschlichen Gesetze unter seinen Fuß; 300 Prozent, und es existiert kein Verbrechen, das es nicht riskiert, selbst auf Gefahr des Galgens."
Nun, heute haben wir keinen Galgen mehr, aber aufgrund meiner nun fast 30-jährigen Beobachtung und Begleitung des BAYER-Konzerns kann ich nur feststellen: Das, was Marx in der Jugendzeit des Unternehmens, im 19. Jahrhundert feststellte, trifft auch heute noch immer ins Schwarze.

Axel Köhler-Schnura
"...trifft auch heute noch immer ins Schwarze."
Foto: arbeiterfotografie.com



Kartellbetrug und Betrug an AktionärInnen

Meine Damen und Herren,
doch zurück zum Geschäftsbericht. Ich wiederhole, die dort genannten Strafgelder stehen ausschließlich im Zusammenhang mit illegaler Kartellbildung, mit Kartellbetrug. Ca. 350 Mio. Euro werden alleine diesmal genannt. Meine Damen und Herren, das ist glatt ein halber Euro Dividende für jede Ihrer Aktien! Zum Kartellbetrug kommt also der Betrug an Ihnen, an den AktionärInnen, hinzu. Hier werden Sie um ihre Dividenden geprellt, Ihr Ansehen als AktionärInnen der Firma wird geschädigt und das Vermögen des Konzerns wird veruntreut.
Herr Wenning, wie können Sie das mit Ihrem Auftrag zum Wohl der Kapitaleigner des Unternehmens, der AktionärInnen zu handeln, vereinbaren?
Und zu Ihnen, Herr Schneider: Unabhängig davon, dass Sie selbst bis zum Hals mit drin steckten in Ihrer Zeit als Vorstandsvositzender, auch als Vorsitzender des Aufsichtsrats sind Sie Mittäter. Auf Seite 196 des Geschäftsberichts ist dazu lesen: "Weitere wesentliche Themen der Berichterstattung durch den Vorstand und Erörterung im Aufsichtsrat waren auch im Berichtsjahr gerichtliche Auseinandersetzungen und sonstige Rechtsverfahren. Schwerpunkte lagen bei den Kartellverfahren." Mir ist nicht bekannt geworden, dass Sie sich nach den entsprechenden Aufsichtsratssitzungen von dem kriminellen Handeln Ihres Vorstandsvorsitzenden distanziert hätten oder es gar zur Anzeige gebracht hätten? Ich denke mal, Herr Schneider, Sie riecht schwer nach Verdunklung.

Karikatur: Kostas Koufogiorgos
Karikatur: Kostas Koufogiorgos
www.koufogiorgos.de



Wir dulden solch´ kriminelles Verhalten nicht

Meine Damen und Herren,
wir von der Coordination gegen BAYER-Gefahren dulden solch´ kriminelles Verhalten nicht. Die Verantwortlichen im Konzern handeln aus reiner Profitgier und schädigen die VerbraucherInnen und die öffentliche Moral; sie betrügen die AktionärInnen um ihre Dividenden; und sie ruinieren das Unternehmen nicht nur moralisch, sondern auch in der materiellen Substanz. Und das andauernd und wiederkehrend und in erheblichem Umfang.
Und ich stelle ausdrücklich fest, es sind nicht irgendwelche "unkontrollierbaren Angestellten" , sondern an Kartellbetrug des Ausmaßes einer ganzen Jahresdividende ist in jedem Fall der Vorstand und der Vorsitzende verantwortlich beteiligt. Zumal solcher Kartellbetrug sich wie ein roter Faden durch die Geschichte des Konzerns zieht, also gang und gäbe ist. Ihre diesbezügliche Verharmlosung mit den "unkontrollierbaren Angestellten" von heute morgen, Herr Wenning, erweist sich also auch in diesem Fall als vorsätzliche Irreführung.
Meine Damen und Herren,
aus all diesen Gründen haben wir gestern Strafanzeige gegen Herrn Wenning, Herrn Schneider und andere Verantwortliche im Konzern eingereicht. 350 Millionen Euro Strafen alleine im Jahr 2005, das ist kein Pappenstil, das erreicht die Qualität organisierter Kriminalität. Die Verantwortlichen gehören hinter Gitter.
Dieser Meinung sind übrigens nicht nur wir, sondern beispielsweise auch die EU-Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes, die klipp und klar fordert, "dass Kartelle aufgedeckt, strafrechtlich verfolgt und bestraft werden".
Soviel meine Damen und Herren zur Glaubwürdigkeit der Reinwaschungen des Herrn Wenning gegenüber den Vorwürfen der Coordination gegen BAYER-Gefahren.

Gegenanträge

Ich möchte jetzt zu unseren Gegenanträgen kommen. Zunächst zum Gewinnantrag:
Wir beantragen die Kürzung der Dividende auf 0,10 Euro je Aktie. Die frei werdenden Gewinn-Milliarden sollen verwendet werden
  • für Erhalt und Schaffung sicherer Arbeitsplätze und für die Zahlung sozial gerechter Löhne;
  • für einen Fonds zum angemessenen Ausgleich von Schäden, die infolge der Geschäftstätigkeit an Mensch und Umwelt eingetreten sind;
  • für den umfassenden ökologischen und sozialen Umbau des Konzerns ohne doppelte Standards.
  • und schließlich für die Zahlung von Wiedergutmachungen für die Verbrechen von BAYER und des von BAYER mitbetriebenen IG FARBEN-Zusammenschlusses an die Oper bzw. deren Angehörige.
Es sei wie stets angemerkt, daß wir durchaus auch den völligen Verzicht auf jede Dividendenausschüttung im Sinne der erläuterten Sozial-, Menschenrechts- und Ökologie-Leistungen beantragen würden, wäre dies für uns Aktionäre überhaupt möglich.
Weiterhin stellen wir die Anträge, den Vorstand nicht zu entlasten und auch dem Aufsichtsrat die Entlastung zu verweigern.
Wir begründen diese Nicht-Entlastungen damit, dass beide Gremien ihrer Verantwortung im dargelegten Sinne in keinster Weise gerecht wurden. In verschiedenen Redebeiträgen wurde dies heute bereits belegt und auch nach mir wird sicher noch das eine oder andere Beispiel folgen.
Meine Damen und Herren Kleinaktionäre und Kleinaktionärinnen,
seit Jahren zeigen Sie sehr zum Ärger der Großaktionäre, Vorstände und Aufsichtsräte, was Sie von Ihnen halten. Bis zu 3 Mio. Aktien stimmen immer wieder mit uns gegen die Anträge des Vorstands. Ich bitte Sie, stimmen auch Sie heute mit "nein". Stärken Sie mit ihren Aktien das wichtige Signal für soziale Sicherung, Umweltschutz und Menschenrechte. Stimmen Sie bei allen Tagesordnungspunkten mit NEIN!
Sollten Sie die HV vorzeitig verlassen, aber dennoch mit uns stimmen wollen, so lassen Sie Ihre Aktien nicht von BAYER unten am Ausgang vertreten, sondern von uns. Sie finden uns hier vorne, von Ihnen aus gesehen links.
Vielen Dank.

Online-Flyer Nr. 44  vom 16.05.2006



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