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Globales
All Zeichen deuten darauf hin: (Teil 1/2)
Steht Italien vor dem Sturz Berlusconis?
Von Gerhard Feldbauer

Seit April schwelt in Rom die Krise der Berlusconi-Regierung. Gianfranco Fini, der Führer der früheren AN-Faschisten, die sich 2009 mit Berlusconis Forza-Partei zu einer Partei der Freiheit (PdL) zusammenschlossen, hat mit 36 Abgeordneten dem Regierungschef die Gefolgschaft aufgekündigt. Als Präsident der Abgeordnetenkammer hat er beträchtlichen Einfluss auf den Gang der Regierungsgeschäfte. Berlusconi hat Fini postwendend  aus seiner PdL ausgeschlossen und seinen Rücktritt gefordert, was dieser natürlich ablehnte. Fini ist dabei, eine eigene Partei „Futuro e Libertà (Zukunft und Freiheit) zu gründen.

Wie geläutert ist der frühere Führer der AN-Faschisten?

Der frühere Hardliner agiert als geläuterter Faschist, der vergessen machen möchte, dass er den „Duce“  einst als „größten Staatsmann des 20. Jahrhunderts“ verherrlichte, der viel Gutes für Italien getan habe. Am  Mussolini-Faschismus nahm er allenfalls kosmetische Korrekturen vor. Grundsätzlich hat er sich von ihm weder distanziert noch ihn verurteilt. In der Fusion seiner AN mit der Berlusconi-Partei sah er vor allem eine Möglichkeit, sich vom Odium des Faschismus zu befreien.

Das scheint im bürgerlichen Lager angekommen zu sein. Denn selbst der

Noch lacht er....
Foto: Habib Mhenny/wikipedia
  Chef der Demokratischen Partei (PD), die 2007 aus dem Zusammenschluss der Mehrheit der früheren Linksdemokraten mit einem Teil des katholischen Zentrums entstand, will Fini in eine Allianz gegen Berlusconi einbeziehen. Viele Organisationsstrukturen der früheren AN, die beim Zusammenschluss mit der Forzapartei etwa eine halbe Million Mitglieder zählte, blieben  danach bestehen und pflegten den faschistischen Traditionsgeist weiter. Wenn auch die alten Hardliner Fini nicht folgen dürften, an Mitgliedern wird es ihm kaum fehlen. Und bei Wahlen hat das faschistische Lager meist geschlossen hinter einem seiner favorisierten Kandidaten gestanden.

Fini strebt Berlusconis Erbe an. Diesen Anspruch hat er schon früher angemeldet. Wenn er Ernst macht, kann er Berlusconis absolute Mehrheit im Parlament von 342 Stimmen auf 306 reduzieren (erforderlich sind 316 der 630 Stimmen). Chancen auf den Chefsessel im Palazzo, rechnet sich Fini  derzeit noch nicht aus. Aber er verfolgt seine Ziele langfristig und mit Geduld. Offiziell begründete er seinen Bruch mit Kritik am diktatorischen Führungsstil Berlusconis, der alles allein entscheide. Am schwersten trifft den Premier, dass Fini dessen Korruptionspraktiken kritisiert und die „Lex Berlusconi“ verurteilt.  

Berlusconi belastet politisches Establishment

Diese Praktiken sind dem früheren AN-Chef längst bekannt und er hat sie, seit er 1993 das Bündnis mit Berlusconi schloss, immer konsequent mitgetragen. Wenn der frühere Faschistenführer jetzt die Front wechselt, nutzt er geschickt den  Hintergrund der Krise des Berlusconi-Regimes. Der über den üblichen Rahmen der Herrschaft der Großbourgeoisie hinausgehende diktatorische Regierungskurs, der immer mehr faschistoides Gepräge annimmt und den letzten Rest von bürgerlicher Demokratie zur Makulatur werden lässt, führt zu einer immensen Belastung für das politische Establishment und beunruhigt auch führende Kapitalkreise.

Für gewöhnlich übernimmt die Regierungsgeschäfte ein Repräsentant der sogenannten politisch herrschenden Klasse, der die Interessen des Kapitals vertritt und möglichst für einen Ausgleich gegensätzlicher Positionen sorgt. Fast einmalig in der Welt des Kapitals durchbrach Berlusconi diesen Grundsatz. Mit ihm als reichstem Unternehmer des Landes, der noch dazu das Monopol des Privatfernsehens besitzt, entstand eine Personalunion zwischen Kapital und politischer Exekutive. Hinzu kam, dass der Fininvestchef vor allem deshalb nach der politischen Macht griff, um sein eigenes Imperium vor dem Bankrott zu retten.

Nach einer Berechnung der römischen „Repubblica“ vom 15. Oktober 1993 war er damals bei einem Jahresumsatz von umgerechnet elf Milliarden DM mit etwa sieben Milliarden verschuldet. Nicht zuletzt davon ausgehend wird jetzt befürchtet, dass die derzeitige Exekutive den Auswirkungen der weltweiten und tiefgreifenden Krise des Kapitals nicht gewachsen sein wird,  da dazu auch mehr Geschlossenheit ihrer Reihen erforderlich ist. Dass die „feine Gesellschaft“ Italiens über die Sex-Affären oder das Gockelgehabe des Premiers die Nase rümpft, spielt da eine untergeordnete Rolle. Eher schon, dass er willfährige Gespielinnen auf der Kandidatenliste für das  EU-Parlament unterbringen wollte.

Dass es für den Mediendiktator immer schwieriger wird, sich den Fängen der Justiz zu entziehen, belastet die Geschäftsführung im Interesse des Kapitals. Mit Berlusconi wurde 1994 ein Mann Regierungschef, der nicht nur vorbestraft war, sondern gegen den bis dahin wegen Steuerhinterziehung, Bilanzfälschungen, Bestechung, Führung von Tarnfirmen, illegalem  Geldtransfer und Meineid dreizehn Strafverfahren geführt oder eröffnet und fünf noch im Gange waren. 1997 wurde er wegen Bilanzfälschungen zu 16 Monaten Gefängnis verurteilt. Ein Jahr später in erster Instanz zu 28 Monaten.

Nach Bestechungsanschuldigungen war sein Föderalismusminister Aldo Brancher nicht mehr zu halten und musste im Juli dieses Jahres  zurücktreten. Er war bereits das dritte Kabinettsmitglied, das wegen derartiger Vergehen ausscheiden musste. In Palermo wurde Senator Marcello Dell’ Ultri, engster Vertrauter des Premiers, wegen Zusammenarbeit mit der Mafia in zweiter Instanz zu sieben Jahren Haft verurteilt. Im Prozess kamen auch die Mafiaverstrickungen des Mediendiktators selbst zur Sprache. Im Frühjahr 2010 hatte Berlusconi erneut zwei gegen ihn wegen Korruption laufende Ermittlungsverfahren, darunter eine Anwaltsbestechung mit 600.000 Euro, per Regierungsdekret niedergeschlagen und damit seine vom Obersten Verfassungsgericht für rechtswidrig erklärte Immunität während der Amtszeit (“Lex Berlusconi“) wieder in Kraft gesetzt. - In der nächsten Ausgabe lesen Sie den zweiten Teil. (HDH) 

Online-Flyer Nr. 268  vom 22.09.2010

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