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Aktueller Online-Flyer vom 28. März 2024  

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Aktuelles
Eine Grippe für Edgar Moron und eine
Strafanzeige gegen Bundestagspräsident Lammert
Von Hans-Dieter Hey

Das Polizeipräsidium Berlin dürfte überrascht gewesen sein über eine Anzeige gegen den Bundestagspräsidenten Prof. Dr. Norbert Lammert vom 9. Juli diesen Jahres. Die Vorwürfe darin sind hart: Wahlfälschung, Wählertäuschung und Rechtsbeugung im Falle der Bundespräsidentenwahl von Christian Wulff.

Der schwere Vorwurf kommt von Michael Oswald Hoch aus Isenbüttel. Der langjährige ehemalige Parlamentarier aus Niedersachsen wirft Lammert bei der Wahl des Bundespräsidenten Christian Wulff, der inzwischen schon hohe Reisekosten verursacht hat, Wählertäuschung und -fälschung vor, und zwar „durch das Herbeiführen eines unrichtigen Ergebnisses sowie durch Täuschung der Mitglieder der Bundesversammlung, so dass diese gegen ihren Willen ungültig gewählt haben und aufgrund der Leitung und Entscheidung einer Rechtssache, nämlich darüber entschieden zu haben, dass die Wahl des 10. deutschen Bundespräsidenten ordnungsgemäß durchgeführt wurde wider besseres Wissen”. So heißt es in der Anzeige.



Unangenehme Post für Lammert beim Polizeipräsidium Berlin
Quelle:
Norbert Lammert, Foto: CDU NRW


Lammert wird nun vorgeworfen, dass er nicht rechtzeitig interveniert habe, obwohl er habe wissen können, dass es bei der konstituierenden Sitzung des Landtages in Nordrhein-Westfalen möglicherweise nicht mit rechten Dingen zuging. Dem hätte er spätestens ab 11. Juni nachgehen müssen, als Michael Oswald Hoch wichtige Fragen an ihn richtete.

Der Anzeige vorausgegangen waren Fragen Hochs in einer eMail vom 11. Juni 2010 zu den merkwürdigen Vorkommnissen während der konstituierenden Landtagssitzung in Düsseldorf am 9. Juni. Nur in wenigen Medien schlug Wellen, dass die Sitzung offenbar von dazu Unbefugten geführt wurde. Die NRhZ hatte unter der Überschrift „Wahl von Wulff für die Katz?” darüber berichtet. Laut Plenarprotokoll 15/1 wurde die Sitzung um 15:02 Uhr durch Regina van Dinther (CDU) eröffnet, obwohl sie Medien gegenüber mitgeteilt hatte, dass sie nicht wieder in das Parlament gewählt worden sei und ihr Amt niedergelegt habe. Auch der frühere Vizepräsident Edgar Moron (SPD) nahm präsidiale Aufgaben wahr, obwohl er nicht wiedergewählt worden war.

Das ist nicht nur formalistischer Kram, sondern wäre ein Verstoß gegen die Verfassung des Landes NRW. Denn legt man die Verfassung immer so aus, könnte künftig auch der Hausmeister eine Sitzung des Landtages leiten. Und zudem taucht die Frage auf, wie sich Moron und van Dinther ihre Sitzungtätigkeit vergüten lassen, wo sie gar kein Mandat mehr innehaben.  

Nach der nordrhein-westfälischen Verfassung besteht der Landtag aus gewählten Abgeordneten, und die wiederum wählen ein Präsidium, Stellvertreter und Schriftführer. Van Dinther hätte in dieser Sitzung nämlich zuvorderst den Vorsitz abgeben müssen an die unter anderen wiedergewählte Vizepräsidentin Angela Freimuth (FDP) oder Oliver Keymis (Grüne), beide immerhin Juristen. Auch andere Stellvertreter und Schriftführer des Präsidiums hätten die Sitzungsleitung fortführen können. In der Verfassung ist nämlich die Rede davon, dass nicht Präsident oder Präsidentin bis zur Neuwahl die Geschäfte fortführen, sondern das Präsidium, respektive die Stellvertreter, sofern sie ein Mandat haben.

Trotz der  Mandatslosigkeit von Moron  und der öffentlichen Ankündigung von Dinther, kein Mandat mehr zu besitzen, nahm sich Dinther in der konstituierenden Sitzung – ganz präsidial –  so wichtige Dinge vor, wie einen von CDU, GRÜNEN und FDP beklatschen Ordnungsruf gegen die Fraktion DIE.LINKE auszusprechen. Die saß nämlich mit gelben T-Shirts „Bundesweiter Bildungsstreik” im Parlament und wurde aufgefordert, die T-Shirts wieder auszuziehen, weil sonst die Sitzung nicht fortgeführt werden könne. Es dürfen auch keine Ausschüsse ohne ein funktionierendes Präsidium besetzt werden. Dass die Sitzung eigentlich nicht wegen Mandatslosigkeit der Vorsitzenden fortgeführt werden konnte, darauf kamen van Dinther und andere nicht – oder sie wollten nicht.


Nach van Dinther offenbar kein demokratisches Verhalten: Aufmerksam
machen auf Missstände
Quelle: Die.Linke

In dieser Sitzung wurden später die Verpflichtungserklärung auf die Landesverfassung geändert, verschiedene Gremien beschlossen und unter Punkt 14 schließlich die Wahlvorschläge der Mitglieder für die 14. Bundesversammlung zur Wahl des Bundespräsidenten behandelt. Irgendwie klang alles nur vorläufig. Und man hatte es eilig. Ganze 45 Minuten nur hatte die Sitzung gedauert, man wollte schnell durch sein. Michael Oswald Hoch kommentiert die Vorgänge in einem Interview von Burkhard Lenniger vom Grundrechteforum.

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Doch Hochs wichtige Frage an Bundestagspräsident Lammert, ob die Berufung der Wahlmänner und -frauen ordnungsgemäß gewesen sei, schien diesen nur am Rande zu interessieren. Lapidar heißt es in seiner Antwort: „Abschließend möchte ich Ihnen antworten, dass allein der Landtag Nordrhein-Westfalen für die Ordnungsmäßigkeit der Wahl seiner Delegierten für die 14. Bundesversammlung verantwortlich ist. Er entscheidet auch über die Einsprüche gegen die Wahl, die allerdings binnen zwei Tagen nach Verkündigung des Wahlergebnisses von jedem Mitglied des Landtages oder jedem in eine Vorschlagsliste aufgenommenen Bewerber einzulegen gewesen wäre.”

Und die zwei Tage waren vorbei, ohne dass in der Frage der Sitzungsführung und der Gefahr für die Wahlvorschläge in die Bundesversammlung im Landtag jemand die Finger warnend gehoben hätte. Die Fraktion DIE.LINKE –  neu im Parlament – war wohl überfordert und die wiedergewählten Parlamentarier von CDU, SPD und Grünen tauchten ab. Stellt sich die Frage, warum. Offenbar hatte dies damit zu tun, dass es in NRW noch keine Landesregierung gab und das Geschacher um die Koalitionsgespräche noch nicht abschlossen war. Da wollte wohl niemand Personalvorschläge für das Präsidium und die Stellvertreter machen.

Doch nach der schiefgelaufenen Sitzung konnte niemandem mehr daran gelegen sein, dass sogar der Bundespräsident neu gewählt werden musste. Offenbar hieß es ab sofort: Deckel drauf und durch. Während man die Linke mit vermeintlicher Regierungsunfähigkeit tagelang unter Druck setzte, haben Parlamentarier anderer Fraktionen offenbar wider besseres Wissen die Nordrhein-Westfälische Verfassung beschädigt.



Der ungewählte 1. Vizepräsident
Quelle: Landtag NRW

Und weil man offenbar in NRW glaubt, dass man die Landesverfassung auch weiterhin nicht ernst nehmen müsse, führt Edgar Moron (SPD), der vom Volke nicht wiedergewählt wurde, die Sitzung am 14. Juli als 1. Vizepräsident mit, in der Hannelore Kraft (SPD) zur Ministerpräsidentin gewählt werden soll. Doch damit nicht wieder alles schief geht und die Sache noch einigermaßen für die Zukunft geheilt wird, schlägt Michael Oswald Hoch aus Isenbüttel vor, das Edar Moron am 14. Juli am besten eine Grippe nimmt. (HDH)

    


Online-Flyer Nr. 258  vom 12.07.2010



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