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Aktueller Online-Flyer vom 28. März 2024  

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Globales
Auch die Medien sind Teil im Trauerspiel.seit dem Überfall auf die Gaza-Flotille
Die Welt - Israels „Tanzbär am Nasenring“
Von Evelyn Hecht-Galinski

Der Besuch Netanjahus am 7. Juli endete mit dem "unzerreißbaren Band der Sympathie" und indem sich Obama überzeugt zeigte, dass Netanjahu "Frieden will und auch bereit ist, Risiken dafür einzugehen". Anbiedernder hätte es sein Vorgänger Bush auch nicht ausdrücken können. Angesichts dieser Versöhnungsgesten gegenüber der AIPAC (Amerikas Pro-Israel-Lobby) und Israel selbst sieht man wie Obama wegen verheerender Umfrageergebnisse um jede jüdische Stimme im Kongress" buhlen" muß!


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Auch sein Versprecher, ob nun beabsichtigt oder nicht - O-Ton Obama: „Wir sind der festen Überzeugung, dass sich Israel angesichts seiner Größe, Geschichte und Umgebung gegen jede Bedrohung die gegen uns ausgesprochen wird - die gegen es ausgesprochen wird -, mit besonderen Sicherheitsvorkehrungen wappnen muss.“ Schlimmer kann es fast nicht mehr kommen. Siamesische Zwillinge! Folglich war es nur noch eine Formsache, dass Obama Netanjahus Einladung, auch an die "First Lady", ohne Zögern annahm. Er sei bereit. Seien also auch wir bereit, uns auf immer neue gemeinsame "Untaten" der "Bluts- und Gedankenbrüder" einzustellen.      
 
Verfolgt man die Chronologie der Ereignisse seit dem 31. Mai bis zu diesem USA-Besuch, kann man in erschrocken feststellen, wie gut die Hasbara, die israelische Propaganda, wieder Gehirnwäsche betrieben hat. Es waren 700 friedliche Aktivisten, die die Blockade des Gazastreifens durchbrechen wollten. Sie wollten darauf aufmerksam machen, dass diese unmenschliche und völkerrechtswidrige Blockade 1,5 Millionen unschuldige Menschen in kollektiver Kerkerhaft hält. Vergessen wir auch die unwahre Propaganda Israels über die Gefahr aus dem Gazastreifen durch die Hamas. Das bewusste Abschneiden des Gazastreifens vom Westjordanland ist eine gezielte Maßnahme zur Verhinderung eines Palästinenserstaates.
 
Gaza schon 1991 eingezäunt
 
Schon im Jahr 1991, vor Beginn des Golfkrieges, wurde ein Trennzaun um den Gazastreifen gezogen, und die Bewohner konnten nicht mehr frei ein- und ausreisen. Vergessen wir nicht – das war vor dem so genannten Oslo-Friedensprozess und vor der Welle der ersten palästinensischen Anschläge. Als in einem Interimsabkommen 1993 die Einheit zwischen den besetzten Gebieten, also dem Westjordanland und dem Gazastreifen, festgelegt wurde, hat Israel auch das bewusst negiert. Nach Beginn der zweiten Intifada im Jahr 2000 wurden die Übergänge zwischen dem Westjordanland und Gaza geschlossen. Seit damals – also seit 10 Jahren – ist der Gazastreifen von der Außenwelt hermetisch abgeriegelt. Familien wurden auseinandergerissen und Studenten, die im Westjordanland studierten, wurden deportiert. Man sollte also nicht allein die Aufmerksamkeit auf die Lieferung der Waren konzentrieren, sondern auch auf die Verweigerung des Rechts und die Vereitelung des Wunsches der Gaza-Bewohner hinweisen, ein aktiver, dauernder und natürlicher Teil der palästinensischen Gesellschaft zu sein. Diese Ausgrenzung des sozialen Miteinanders, der zwischenmenschlichen Beziehungen und des Rechts auf Bildung verfolgt die israelische Politik seit Gründung des Staates Israel mit der Unterdrückung, Vertreibung und Ermordung des palästinensischen Volkes. Das ist Teil der unmenschlichen Apartheidpolitik Israels.
 
Forderung des Bundestages – aber…
 
Daher ist es ja sehr erfreulich, wenn der Deutsche Bundestag endlich eine Aufhebung der Gaza-Blockade fordert. Aber auf diese Aufforderung müssen Druck und Taten folgen, die Israel in Zugzwang setzen. Dem kann ich nur skeptisch entgegensehen, da mir scheint, dass nach dieser Erklärung der Bundestag überparteilich seine Pflicht getan hat und nun wieder zur Tagesordnung übergeht.


Quelle: www.arendt-art.de.
 
Israel führt die Welt wie immer als „Nasenbär“ in seinem Zirkus vor. Da wird jetzt eine „schwarze Liste“ für Gaza vorgelegt, die vorsieht, dass das Kontingent der Waren, die verwehrt werden, erweitert wird. D.h. Stahlkabel, Eisen und Beton dürfen weiterhin nicht unkontrolliert in den Gazastreifen – genau wie Jagdmesser, Nachtsichtgeräte, bestimmte Computertechnik und Düngemittel (man merke!), die zur Herstellung von Sprengstoffen genutzt werden können. Aber Limonade, Süßigkeiten und Ketchup zum „Dickmachen“ sind erlaubt. Dank unserer aller Hilfe geht also die unmenschliche und verbrecherische israelische Willkür- und Strangulationspolitik weiter.
 
Immerhin dürfen wir nicht vergessen, dass die ganzen Hilfsgüter von uns allen, von internationalen Hilfsorganisationen und der UNO bezahlt werden. Ich vermisse also weiter den Aufschrei und den Protest gegen diese israelische Politik. Wir brauchen anstatt unwirksamer Resolutionen wirksame Zeichen, d.h. die Verhinderung der Mitgliedschaft Israels in der OECD, Eureka. Und anstatt die Militärzusammenarbeit zu vertiefen, brauchen wir einen sofortigen Stopp aller Militärgeschäfte und -Geschenke an und mit Israel.
 
Und „unsere“ Medien?
 
Lieber Bundestag, liebe Parteien: Das wäre ein Zeichen! Auch „unsere“ Medien sind ein unrühmlicher Teil in diesem Trauerspiel. War man nach der völkerrechtswidrigen Erstürmung der Gaza-Flottille noch entsetzt und verurteilte den Überfall Israels, der 9 Ermordete und über 48 Verletzte zur Folge hatte, änderte sich die Berichterstattung im Laufe der Zeit zusehends. Die 700 Aktivisten mutierten zu „so genannten“ Friedensaktivisten“, nützlichen Idioten“ (Focus) und sind inzwischen, wie heute Morgen im DLF (O-Ton) schon zur „Hamas Flotte“ umbenannt. Diese erschreckende Hirnwäsche hat die israelische Propaganda im Schatten der Fußball WM erreicht. Hoffen wir, dass wenigstens die Türkei standhaft bleibt und - solange Israel sich nicht für dieses Massaker entschuldigt und eine internationale Untersuchungskommission erlaubt - mit dem Abbruch der Kontakte zu Israel droht. Ankara sagte wenigstens schon eine geplante gemeinsame Seeübung ab, der türkische Luftraum bleibt für israelische Militärflugzeuge gesperrt, und die Türkei hat ihren Botschafter aus Israel zurückgerufen.
 
Angesichts des Netanjahu-Besuches war Obama vor allen Dingen an der Sicherheit der 250.000 US-Soldaten im Nahen Osten, Mittleren Osten und der Golfregion gelegen. Und da stört es natürlich, wenn das Verhältnis zwischen der Türkei und Israel zerrüttet ist. Auch wenn die Obama-Regierung so tut, als ob sie die Siedlungspolitik verurteilt, sind die Palästinenser in Wirklichkeit außen vor, egal ob im amerikanisch-israelischen Terminus gemäßigt oder terroristisch = Hamas. Machen wir uns nichts vor, was in den USA zählt, sind Israel, der Jüdische Staat als einzige Demokratie im Nahen Osten und die Israel-Lobby im Senat und Kongress.
 
Siedler kontrollieren 42% des Palästinensergebietes
 
Es hilft nur Widerstand und das Boykottieren dieser unheilvollen Politik Israels mit den USA gegen den Rest der Welt, d.h. besonders natürlich gegen die muslimische Welt. Daher erscheint mir auch der Slogan „um Hoffnung kämpfen“ ein falscher Ansatz. Kämpfen kann man nur für ein freies Palästina - darin liegt eine Hoffnung. Aber die Wirklichkeit ist alles andere als hoffnungsvoll. Laut Betselem kontrollieren die Siedler 42% des Palästinensergebietes. Die Zahl der Siedler liegt heute lt. Haaretz bei über 300.000. Man plant nach dem Auslaufen des Moratoriums 2700 neue Wohneinheiten. Die Judaisierung, Vertreibung und Deportation aus Ost-Jerusalem schreitet täglich voran. Die Menschenrechtsgruppen und NGO’s in Israel werden massiv angegriffen - d.h. sie sollen sogar z.T. verboten bzw. soll ihnen jeder legale Status genommen werden.
 
Wo bleibt dazu der Protest des Deutschen Bundestages? Solange das nicht geschieht und solange Israel hier weiterhin jeden Freibrief für seine mörderische Unterdrückungspolitik hat, habe ich keine Hoffnung auf Besserung. Zumal wie immer die gleichen Protagonisten´- wie z.B. der Pornoverfasser im Spiegel - gegen den Bundestag opponieren. Aus diesem Grund ist auch die Kritik des Zentralrates nur mit mildem Lächeln zu betrachten. Mit diesem Generalsekretär Stephan Kramer, der trotz seiner Rundumschläge gegen die Medien („antisemitisch“!) immer wieder Platz für seine Tiraden bekommt. Wie sagt Kramer in der TAZ: weil für ihn das Judentum nach „einer Phase der Identitätssuche ein Stück weit Heimat und Familie geboten hat.“ Bedauerlich, dass er nicht katholisch wurde und im Vatikan gelandet ist - so einen „Wadenbeißer“ hätte der Papst gebraucht.
 
Politik mit der falschen Angst machen
 
Aber Spaß beiseite - sagt Kramer nicht auch sehr richtig in diesem Interview, dass der Holocaust von einzelnen Mitgliedern der israelischen Regierung und Teilen der israelischen Gesellschaft für politische Zwecke benutzt wird und bemängelt auch: „Das geht nicht“, dass Ahmadinedschad nicht vor dem Tor von Auschwitz gezeigt werden dürfte, um die atomare Bedrohung des armen kleinen Israels durch den Iran zu demonstrieren. Sehr schön, Herr Kramer! Doch liest man Ihre letzten Propagandareden anlässlich von Demonstrationen gegen die Gaza-Flotte in Berlin, wird man eines Besseren belehrt. Sie und der Zentralrat machen bewusst Politik mit der falschen Angst, mit Vergleichen Holocaust - Iran, Holocaust, Antisemitismus und Antizionismus, d.h. wieder mit der unsäglichen Vermischung und dem Totschlagen jeder Israel-Kritik.
 
Instrumentalisierung des Holocaust
 
So sieht die traurige Wirklichkeit im Jahre 2010 aus. Da wird bewusst ein nicht erfolgter Besuch des Konzentrationslagers Buchenwald durch eine iranische Delegation als antisemitisch aufgeputscht. Ich frage Sie: Würde eine deutsche Besucherdelegation aus Weimar der 300.000 Getöteten aus den Kriegen im Iran gedenken? Und warum muss jeder Politiker bei jedem Israel-Besuch nach Yad Vaschem? Das nenne ich eine gefährliche Instrumentalisierung des Holocaust durch Israel und den Zentralrat. Ebenso wird der bedauerliche Vorfall in Hannover gegen eine jüdische Tanzgruppe unsäglich benutzt, d.h. Kinder, die Kieselsteine geworfen und dumme Parolen gerufen haben, werden als Antisemiten kriminalisiert. Ist nicht der wirkliche Hintergrund dieser Vorfälle die israelische Unrechtspolitik gegenüber den Palästinensern, die hier die Gemüter der Muslime erhitzt – zumal sich die Jüdische Gemeinde in Deutschland als Teil dieser israelischen Politik begreift: Wenn sie z.B. die Hatikva, also die israelische Nationalhymne singen und Davidsternflaggen schwenken? Das ist eine Provokation, die genau dieses Klima erzeugt, das dann von israelischen und Zentralratskreisen benutzt wird, um Angst vor angeblichen, neuem Antisemitismus zu erzeugen, der schon in der “ Mitte der Gesellschaft“ angekommen ist.  
 
In der Tat ist es immer wichtiger, darauf hinzuweisen: Die heutigen Feindseligkeiten zwischen Muslimen und Juden, zwischen Israelkritikern und so genannten Zionisten und Israelunterstützern dürfen nicht in die antisemitische Ecke gedrängt werden. Dagegen müssen wir uns alle gemeinsam als deutsche Demokraten wehren. Den wirklichen Antisemiten, die es natürlich immer gab und geben wird, macht man es durch diese falsche Vermischung immer leichter. Die echten Antisemiten werden durch die inflationären Antisemitismusanschuldigungen immer sicherer in ihrem braunen Dreck.
 
Die Gaza-Flottille war nur ein Anfang
 
Lassen wir es nicht mehr zu, dass Israel den Gazastreifen und das besetzte Palästina aus unserem Bewusstsein verdrängt. Die Gaza-Flotte war nur ein Anfang. Sanktionen und Boykott sollten die Fortsetzung sein. Solange die autistische israelische Gesellschaft Regierungen wählt, die alle - egal, ob Likud, Kadima, Arbeiterpartei oder rechtsradikale Splitterparteien - eine faschistische Unrechts- und Unterdrückungspolitik betreiben: wie lange wollen wir uns durch Duldung und Hinnehmen dieser Politik noch mitschuldig machen?
 
Schluss mit dem Zirkus und mit der Vorstellung des „Bären am Nasenring“, an der Leine und an der Kette von Israel. Genug ist genug!
 
Wenn Tausende Israelis mit einem Marsch für einen Soldaten nach Jerusalem unterwegs sind, wie viele Millionen Palästinenser müssten dann für ihre Zivilisten - die über 11.000 in Gefängnissen inhaftierten Männer, Frauen und Kinder - marschieren? (PK)
 
Dieser für die NRhZ aktualisierte Beitrag erschien zuerst im PALÄSTINA PORTAL, www.arendt-art.de.
 
Evelyn Hecht-Galinski (61) ist die Tochter des 1992 verstorbenen Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland Heinz Galinski


Online-Flyer Nr. 258  vom 14.07.2010

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