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Aktueller Online-Flyer vom 28. März 2024  

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Sport
Einsatz von Ramona Bachmann verspricht viele Tore
U-20-Schweizerinnen starten durch
Von Bernd J.R. Henke

Vorfreude und gespannte Erwartungen bewegen die Dresdner Frauenfußball-Fans. Während der FIFA U-20-Frauen-WM werden sieben Partien im Rudolf-Harbig-Stadion ausgetragen werden. Dabei werden die U-20-Juniorinnen der Schweiz zwei Spiele in der Vorrunde der Gruppe in Elbflorenz absolvieren. Erster Gegner ist am 14. Juli in Dresden Südkorea. Drei Tage später trifft die Equipe von Trainer Yannick Schwery an gleicher Stätte auf die USA, ehe am 21. Juli in Bochum „Neuling“ Ghana wartet. Für die Viertelfinal-Qualifikation, das erste Ziel, ist zumindest der zweite Platz gefordert.


Selina Kuster, die den Ball mit Kopf spielt | Foto SFV  

Das Schweizer U-20-Nationalteam bestritt vor der Abreise nach Dresden ein letztes Vorbereitungsspiel gegen die U-20 Auswahl von Neuseeland. Die „Kiwis“ aus Neuseeland werden ebenfalls bei der FIFA U-20-WM starten. Gegner in der Gruppe B werden sehr starke Mannschaften wie Brasilien, Nordkorea und Schweden sein. Die Schweizerinnen trennten sich auf dem GC-Campus des Grasshopper-Club Zürich von der U20-Auswahl von Neuseeland im letzten Testspiel vor der Weltmeisterschaft mit 2:2. Insbesondere in der ersten Halbzeit dominierten die Schweizerinnen das Spiel. Die erst am Samstag aus Neuseeland nach Europa angereisten Gegnerinnen hatten Mühe ins Spiel zu finden.

Die „Kiwis“ erst in der zweiten Halbzeit

In der 20. Minute erzielte Ana-Maria Crnogorcevic (Hamburger SV) die mit einem herrlichen Sololauf das 1:0. Die „Kiwis“ kamen erst in der 31. Minute zu ihrer ersten reellen Chance, die von Torhüterin Nathalie Schwery aber souverän pariert wurde. In der Nachspielzeit der ersten Halbzeit konnte die Züricherin Chantal Fimian zum Pausenstand von 2:0 erhöhen.

Wie Testspiele angelegt sind, versuchte der Schweizer Coach natürlich alle Spielerinnen zum Einsatz zu bringen, um ihre Fitness im Wettkampf gegen einen respektablen Gegner zu beobachten.  Er wechselte sieben Mal aus. Dadurch wurde das  Schweizer Spiel weniger flüssig. Nun musste den Gästen mehr Spielanteile zugestanden werden. In der 66. Min konnte die Neuseeländerin Renée Leota nach einem Freistoß von Anna Green zum verdienten Anschlusstreffer einköpfen. Die eingewechselte Pascale Küffer, Torhüterin vom FC Schlieren, war machtlos. 14 Minuten danach folgte dann sogar der Ausgleich zum 2:2 durch die stark aufspielende Rosie White. Fazit: die meisten Schweizerinnen kamen zum Einsatz, nur Ramona Bachmann (Atlanta Beat) fehlte, ihr Club benötigte sie in einem WPS Punktspiel in den USA und die U-20-Frauennationalmannschaft von Neuseeland war nach einem langen Flug von der anderen Weltkugelseite endlich mental in Europa angekommen.

Das Aufgebot für Deutschland

Fast alle Spielerinnen, welche  im Länderspiel-Aufgebot waren, werden auch in Deutschland die Schweizer Farben vertreten: Nathalie Schwery, Michelle Probst, Sarah Steinmann, Lia Wälti, Danique Stein, Selina Kuster, Lara Keller, Chantal Fimian, Ana-Maria Crnogorcevic, Samira Susuri, Jehona Mehmeti, Pascale Küffer, Cinzia Jörg, Carolyne Mallaun, Cora Canetta, Muriel Bouakaz, Vanessa Pittet, Rahel Kiwic, Nadine Baker, Stephanie Kaderli und natürlich die Weltklassespielerin Ramona Bachmann.

Alles oder nichts

Das A-Nationalspielerinnen-Quartett mit der Weltklassestürmerin Ramona Bachmann (Atlanta Beat), der offensiven Mittelfeldspielerin Jehona Mehmeti (BSC Young Boys) sowie den Verteidigerinnen Danique Stein (SC Freiburg) und Selina Kuster (Grasshoppers Club) stellt die vier Grundfesten der Schweizerischen U-20-Équipe dar. Das erfahrene Quartett bewährte sich mit der A-Nationalmannschaft erst kürzlich durch einen fulminanten Auswärtssieg 3:0 (1:0) in Russland im Rahmen der Ausscheidungsspiele zur Teilnahme an der FIFA Frauenfußball WM 2011 in Deutschland. Es ging am 19. Juni gegen Russland in Moskau um alles oder nichts.

Blitzschnelle Konter

Der Erfolg stieß die Tür zur Play-off-Teilnahme weit auf, denn nach der 1:2 Niederlage im ersten Duell mit der russischen Nationalmannschaft und deren Trainer Igor Shalimov haben die Schweizerinnen im direkten Duell nun die Nase vorn. Beim 3:0 (1:0)-Sieg vor 1500 Zuschauern gegen die bisher verlustpunktfreien Russinnen in der Anlage von Krasnoarmejsk in der Nähe von Moskau brachte Selina Kuster ihr Team nach Vorarbeit von Ramona Bachmann in Führung (18.). Die Russinnen kämpften und fanden nach dem Seitenwechsel besser ins Spiel. Marisa Brunner hielt das Schweizer Tor jedoch sauber. In der 77. und 78. Minute erlöste die US-Spielerin Ramona Bachmann die Schweizerinnen. Mit einem Konter spielte sie die russische Verteidigung aus und schoss zum 2:0 direkt von der Seite, zum 3:0 kam ihr eine russische Verteidigerin zu Hilfe. Zwei sehenswerte blitzschnelle Kontertore entschieden das so wichtige Spiel.


Schweizer U-20-Nationalmannschaft Frauen | Foto SFV

Die Rußlandreise wurde fortgesetzt und vier  Tage später am 23. Juni trat das Schweizer Frauen-Nationalteam in Asien in der Republik Kasachstan nahe der sibirisch-russischen  Grenze in Karaganda gegen deren Nationalelf an.
Die in den USA spielende Ramona Bachmann setzte sich in der 15. Minute zum 1:0 durch. Was dann folgte, konnte so jedoch nicht erwartet werden. Die Kasachinnen glichen unmittelbar nach Bachmanns Treffer durch Stürmerin Marija Jalowa vom weißrussischen Meister Vitebsk aus. Das gleiche Bild nach dem erneuten Führungstreffer (43.) von Mannschaftsführerin  Lara Dickenmann (Olympique Lyon): Wieder traf  Marija Jalowa nach einem Konter. Der punktelose Gruppenletzte hatte in seinen fünf Spielen zuvor lediglich zwei Tore erzielt. Nach dem Seitenwechsel bekamen die Schweizerinnen sowohl den Gegner wie auch das holprige Terrain besser in den Griff. Dickenmann (56.) von Champions-League-Finalist Lyon traf zum vorentscheidenden 3:2, Isabelle Meyer (57.) erhöhte zum 4:2-Schlussstand.

Play-off

Die A-Nationalmannschaft Schweiz liegt nach der Osteuropareise mit der Partie gegen Kasachstan sowie dem 3:0 gegen den Gruppenzweiten Russland vom Samstag mit sechs Punkten Vorsprung an der Spitze der Gruppe 6. Allerdings haben die Russinnen zwei Spiele weniger bestritten. Mit einem Erfolg im letzten Heimspiel gegen den Gegner Kasachstan am 21. August hätte die Schweiz die Qualifikation für die entscheidende Playoff-Runde auf sicher. Für die Erfolgsaussichten der Schweizer U-20-Nationalmannschaft bedeuten die internationalen Erfolge sowie die gute physische und mentale Verfassung der A-Nationalspielerinnen Ramona Bachmann, Selina Kuster, Jehona Mehmeti und Danique Stein eine hervorragende Ausgangsbasis.


Ramona Bachmann – Schweizer
Fußballlegionärin im Trikot von Umeå
Foto Umeå
Chancen in Dresden

Die neunzehnjährige U-20 Stürmerin Lara Keller (SC Kriens) konnte während der Reise auch internationale Spielpraxis erlangen, denn sie schaffte es in den A-Kader der Schweiz. Zu dem A-Nationalkader gehört auch die U-20-Stürmerin Ana Maria Crnogorcevic (Hamburger SV), die im fernen Karaganda gegen Kasachstan in der 81. Minute eingewechselt wurde. Sollten die genannten sechs A-Nationalspielerinnen wir geplant im Dresdner Rudolf-Harbig-Stadion im ersten Spiel gegen die U-20 von Südkorea auflaufen können, wird das Publikum eine chancenreiche international etablierte Schweizer Mannschaft erwarten können. Der Schweizer Frauenfußball boomt. Die jetzigen Erfolge sind Beleg für die gute Arbeit, die in den vergangenen Jahren im Nachwuchsbereich geleistet wurde. Über 22000 lizenzierte Spielerinnen sind ein gutes Zeichen dafür. 

Mädchenförderung

Unter dem Namen „Die Mädchen nach vorne“ - frankophon „Allez les filles“ - wurde vor rund sechs Jahren ein ambitioniertes Projekt des Schweizer Fußballverbandes (SFV) ins Leben gerufen, um mit jährlich zwei Millionen Franken die Schweiz mittelfristig unter die besten sechs Nationen in Europa zu bringen. Neben den verstärkten Bemühungen in den 13 Regionen, einer Steigerung der Trainingsintensität in den Vereinen sowie der Gründung einer U17-Nationalmannschaft war es vor allem die Eröffnung des über die Landesgrenzen hinaus bekannten Ausbildungszentrums in Huttwil im Kanton Bern, das die Entwicklung vorangetrieben hat und einen wichtigen Eckpfeiler in der Nachwuchsförderung des Verbands darstellt.

Sechsmal pro Woche

Ramona Bachmann, mit neunzehn Jahren bereits heute das Aushängeschild des Schweizer Frauenfußballs, gehörte zu den ersten, die dort eine ganzheitliche und breit abgestützte Ausbildung erhielten, bei der Schule, Fußball und die jeweilige Persönlichkeit der Spielerin in Einklang gebracht werden und auch berufliche Perspektiven aufgezeigt werden sollen. In Huttwil wird nichts dem Zufall überlassen. Aus den U-14-Regionalteams wird eine Auswahl zu Sichtungslehrgängen zusammengezogen. Nur wer in puncto Grundlagentechnik, koordinative Fähigkeiten, Schnelligkeit und Spielverhalten überzeugen kann und zudem den medizinischen Check und ein Eignungsgespräch übersteht, findet Aufnahme. Sechs Mal pro Woche wird intensiv trainiert, zudem essen die Spielerinnen mittags und abends zusammen und erhalten darüber hinaus Hilfe bei den Hausaufgaben. Unter der Woche leben sie bei Gastfamilien in Huttwil, am Freitagabend kehren sie fürs Abschlusstraining zu ihren Teams zurück, mit denen sie am Wochenende Meisterschaftsspiele bestreiten.

Aufregend

Bachmann spielte im Ausland zuerst beim schwedischen Meister Umeå IK, einer der besten europäischen Mannschaften. Mit Umeå stand sie bereits zwei Mal im Finale des UEFA Women’s Cup. Im März 2010 wechselte Ramona Bachmann in die US-Profiliga WPS zu Atlanta Beat.  Sie erhielt einen Zweijahresvertrag. “Ramona ist eine der aufregendsten jungen Spielerinnen in der Welt”, so Atlanta-Trainer Gareth O’Sullivan. Die Schweizerin freut sich:
“Viele Weltklassespielerinnen spielen in den USA und ich glaube wirklich, dass die WPS auch 2010 die beste Frauenfußball-Liga der Welt sein wird. Und ich will mit und gegen die besten Spielerinnen der Welt spielen.”

Erfolg gibt Recht
 
Ramona Bachmann biss sich durch und hatte sogar den Schneid als 17jähriges junges Mädchen ganz allein auf sich gestellt, ins Ausland zu gehen. „Für die Spielerinnen ist die Ausbildung in Huttwil kein Honiglecken“, erklärt Béatrice von Siebenthal, A-Nationaltrainerin und Frauenfußball-Verantwortliche im SFV. „Wir stellen hohe Ansprüche und verlangen viel Selbständigkeit von ihnen.“ Die Erfolge geben dem Modell Recht, denn der Aufschwung im Schweizer Frauenfußball ist offensichtlich. Die Schweizer Frauen-Mannschaft stand noch nie unter den letzten Vier eines großen Turniers. Seit  2004 treibt der Schweizer Fußballverband (SFV) die Entwicklung des Frauenfußballs verstärkt voran, die jetzigen Erfolge sind Beleg für die gute Arbeit, die in den vergangenen Jahren geleistet wurde.
Die Schweizer U20-Nationalmannschaft wird in Dresden Gelegenheit haben zu zeigen, dass sie weitere Fortschritte gemacht hat. Bei der FIFA U-20-Weltmeisterschaft in Deutschland wird das Team als einer der fünf europäischen Teilnehmer sicherlich zu beachten sein. Und möglicherweise können sich Ramona Bachmann und ihre Teamkolleginnen freuen: „Eifach Deutschland weg potzt.“ (PK)


Online-Flyer Nr. 257  vom 07.07.2010



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