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Kommentar
Ratloser NRW-Städtetag: „Städte in Not – Leistungen für die Bürger erhalten!“
Lammfromm – aber warum?
Von Lothar Reinhard

Der nordrhein-westfälische Städtetag, der sich selbst als "Stimme der Städte im größten Bundesland der Bundesrepublik Deutschland" bezeichnet, hielt am 10. Juni seine alle zwei Jahre stattfindende Mitgliederversammlung in Neuss ab. 500 Delegierte aus 40 Städten mit etwa neun Millionen Einwohnern berieten unter dem Motto "Städte in Not - Leistungen für die Bürger erhalten!", weil die Verschuldung der Kommunen zum Jahresende 2009 die Rekordmarke von 17,3 Milliarden Euro erreichte. Hier ein Kommentar von Lothar Reinhard, Fraktionssprecher der Mülheimer BürgerInitiativen (MBI), zum Ergebnis. - Die Redaktion
 

Lothar Reinhard
NRhZ-Archiv
Am Donnerstag war ich als Delegierter auf dem NRW-Städtetag in Neuss. Motto „Städte in Not – Leistungen für die Bürger erhalten“. Am Schluss wurde die „Neusser Erklärung“ verabschiedet, worin die überschuldeten Städte mehr Geld, keine zusätzlichen Aufgaben ohne entsprechende Finanzierung und Entschuldungshilfen für bereits chronisch bankrotte Städte aus Ruhrgebiet und Bergischem Land fordern. Alles nicht gerade neu, wenn auch in der Dramatik bedrohlich wie nie zuvor seit Kriegsende. Nichts belegt das drastischer als die schwindelerregende Explosion der Kassenkredite, in den NRW-Kommunen allein 17,3 Milliarden von bundesweit 34,8 Mrd., also 50%!
 
Jetzt hätte man erwarten können, dass der NRW-Städtetag außer diesem Appell, der fast identisch auch schon vor 6 oder mehr Jahren verabschiedet wurde, konkrete Schritte besprechen würde, wenn 90% seiner Mitgliedskommunen das Wasser bis zum Halse und bereits mehr als einem Drittel noch weit darüber steht.
 
Also z.B.: Wenn der „Soli Ost“ für bankrotte Städte nicht umgehend geändert wird, stoppen wir die Zahlung oder zahlen wir nur noch auf ein Sperrkonto oder was auch immer? Doch: Fehlanzeige! „…und einheitsbedingte Lasten sind wesentliche Ursachen der strukturellen Unterfinanzierung. Zusammen mit den genannten Entwicklungen macht dies die kommunale Finanzsituation aussichtslos.“ heißt es in der Neusser Erklärung, und das wars dann. Gut gebrüllt Löwe - aber nur hinter vorgehaltener Pfote, könnte man sagen.
 
Genauso ist es mit anderen Punkten wie Wohnungszuschüssen bei Hartz IV oder SGB 12, Zuschüssen für Kinderbetreuung, uswusf.. Wenn die Lage so aussichtslos wäre, wie beschlossen, dann hätten die Städte z.B. ganz oder teilweisen Boykott neuer oder auch alter Leistungen bei Unterfinanzierung durch den Auftraggeber Land oder Bund androhen müssen. Wollte aber anscheinend keine/r der wichtigen Leute aus den Parteien.
 
Warum nur? Wollten sie sich mit ihren Landes- und Bundesoberen nicht anlegen - oder warum diese Zurückhaltung, wenn die Lage so dramatisch und ansonsten „aussichtslos“ ist? Warum herrscht so eine parteienübergreifende Einigkeit in der Riege der gesamten NRW-Oberbürgermeister/innen, derart lammfromm auftreten zu sollen?
 
Man kann darüber spekulieren, ob die OB`s sich ihrer jeweiligen Partei gegenüber mehr verpflichtet fühlen als gegenüber den Bürger/innen ihrer Städte, die in NRW in größerer Zahl mit dem Rücken zur Wand stehen oder nach - eigenem Bekunden - bereits dahinter gestürzt sind!
 
Doch es gibt auch noch einen anderen Aspekt, der auf dem Städtetag quasi-tabu war. Die Frage nämlich, ob und inwieweit es auch selbstverschuldete Aspekte des Finanzdebakels der Kommunen gibt, wurde gar nicht gestellt. Städtetag-Geschäftsführer Articus erklärte, die Kommunen hätten seit Jahren ihren Beitrag geleistet und sogar mehr als das. Also kein Thema, und alle im Podium waren froh, obwohl: Da hat doch Mülheims OB Frau Mühlenfeld ihr Ruhrbania-Debakel, Herr Sauerland aus Duisburg seine Kölbl-Kruse-Saga, der Bonner Bürgervertreter Nimptsch den Wahnwitz mit dem Dickmann-Erbe und dem betrügerischen Koreaner, der neue Kölner OB Roters neben hunderten Millionen für die Messe-Miete auch noch sein U-Bahn-Bruchstück, der Aachener seine Kaisergalerie uswusf….
 
Und weil etliche dieser Kirchturmsfürsten und -innen bis heute ähnlich verantwortungslos mit öffentlichen Geldern umgehen, wenn es um ihre Prestigeprojekte geht, wie ihre Länder- oder Bundeschefs das tun und taten, wissen sie anscheinend auch nicht so richtig, wie sie denen gegenüber glaubhaft Forderungen stellen könnten, oder? Frau OB Mühlenfeld z.B. ist als Sprecherin von „Raus aus den Schulden“ für 20 überschuldete Städte wenig glaubwürdig, um bei Land und Bund mehr Geld für die Kommunen zu bekommen, da sie das eigene Haus in völlige Unordnung brachte! Da gibt es u.a. die unfassbare Geldverschwendung für die kränkelnde „heilige Kuh“ Ruhrbania, die per se einfach keine Milch geben will!!
 
Jedenfalls war dieser NRW-Städtetag angesichts der mehr als misslichen Lage der meisten NRW-Städte wenig hilfreich. Kein Zufall, dass dazu auch fast nichts in den Medien erschien. Warum auch?
 
Kurzum: Eine wirklich völlig verpatzte Chance, just, wo es – wahrscheinlich für längere Zeit - noch keine neue NRW-Regierung geben wird! (PK)


Online-Flyer Nr. 254  vom 16.06.2010



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