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Kultur und Wissen
Im Mai vor 150 Jahren landete er zur nationalen Befreiung Italiens auf Sizilien
Giuseppe Garibaldi
Von Gerhard Feldbauer

Giuseppe Garibaldi ist der unbestrittene Held des italienischen Risorgimento, der nationalen Befreiungskämpfe von 1789 bis 1871. Nach der Teilnahme an einem gescheiterten Aufstand 1834 in Genua konnte er fliehen, wurde in Abwesenheit zum Tode verurteilt. 1835 emigrierte er nach Südamerika, wo er an der Spitze von Freischärlern für die Unabhängigkeit der Republik Rio do Sul, später Santa Caterina und Uruguay kämpfte. Die Angehörigen der Italienischen Legion Garibaldis trugen rote Hemden, die später auch in Italien zum symbolischen Kleidungsstück seiner Kämpfer wurden. 1848 kehrte er nach Italien zurück, um an der Revolution teilzunehmen.


Giuseppe Garibaldi
Zusammen mit Giuseppe Mazzini wurde Garibaldi Führer des revolutionär-demokratischen Flügels der nationalen Bewegung und General der Revolutionstruppen. Er prägte entscheidend die Aufstände des Risorgimento, war eine herausragende Persönlichkeit, wie sie kaum eine andere Revolution des 19. Jahrhunderts hervorbrachte. Zeitgenossen schilderten ihn als eine faszinierende Gestalt, mit den Zügen eines Messias, von unbeugsamem Stolz und voller Leidenschaft für die revolutionäre Sache seiner Zeit, als einen Mann, der sein Leben lang durch Beispiel und Überzeugung begeisterte, der verehrt wurde von Männern und angebetet von Frauen, die Locken seines Haares wie Reliquien aufbewahrten. „Man kann nicht Marxist sein, ohne höchste Achtung vor den großen bürgerlichen Revolutionären zu empfinden, deren weltgeschichtliches Recht es war, im Namen der bürgerlichen ‚Vaterländer’ zu sprechen, die im Kampf gegen den Feudalismus Millionen und Abermillionen Menschen neuer Nationen zum zivilisierten Dasein erhoben haben“, schrieb Lenin über Garibaldi. 
 
Verteidiger der Römischen Republik
 
Unter dem Befehl Garibaldis verteidigte sich die nach dem Sturz der Papstherrschaft am 8. Februar 1849 ausgerufene Römische Republik bis Ende Juni gegen die erdrückende Übermacht der von Frankreich, der Schutzmacht des Papstes, angeführten Interventionsarmee. Nach der Kapitulation der Republik am 2. Juli durchbrach er mit 4.000 Freiwilligen den Belagerungsring und erreichte nach verlustreichen Kämpfen Ende Juli die Bergrepublik San Marino, wo er Zuflucht fand.
 
Mit dem Fall der Römischen Republik endete die Revolution von 1848/49 und mit ihr die erste Etappe der nationalen Unabhängigkeitskämpfe mit einer Niederlage. Den revolutionären Demokraten gelang es danach nicht mehr, das bürgerliche Lager insgesamt zu beeinflussen. Der Konservative Benso di Cavour stieg zum Führer der liberalen Großbourgeoisie auf. 1852 wurde er Chef der Turiner Regierung.
 
Aufstand auf Sizilien
 
Als sich im April 1860 auf Sizilien die Bauern erhoben, kam ihnen Garibaldi mit 1.000 seiner Rothemden zu Hilfe. Nach der Landung am 11. Mai bei Marsala schlossen sich seinem Korps zahlreiche Freiwillige an. Am nächsten Tag besiegten sie die bourbonischen Truppen bei Calatafimi. Garibaldi erklärte sich zum Diktator Siziliens und bildete mit Mazzinisten und gemäßigten Liberalen eine Regierung. Die eingeleiteten Maßnahmen, darunter die Übereignung des Gemeindelandes an die Bauern, verdeutlichten deren Charakter als einer kleinbürgerlichen revolutionär-demokratischen Diktatur.


Garibaldi und seine Rothemden auf dem Balkan
Quelle: Purdue University Press
 
Am 18. August überquerte die Revolutionsarmee die Meerenge von Messina und landete bei Reggio Calabria. Vielerorts flammten Aufstände auf, das Bourbonenregime brach zusammen. Am 6. September erreichten die Truppen Salerno, einen Tag später Neapel. Garibaldi beschlagnahmte die Kriegsschiffe und die Handelsmarine beider Sizilien. Er beherrschte nunmehr ganz Süditalien, auf das er die Diktatur Siziliens ausdehnte, und bereitete sich darauf vor, Rom einzunehmen. Er lud Vittorio Emanuele ein, in die Hauptstadt zu kommen, um als König Italiens gekrönt zu werden.
 
Das Handeln Garibaldis rief Cavour auf den Plan. Dem Revolutionsgeneral zu folgen, hätte bedeutet, dass der König die Krone nach dem Sieg der Revolution aus der Hand des Volkes entgegennimmt. Der Premier Piemonts befürchtete eine Aufwertung der kleinbürgerlichen Demokraten und demgegenüber eine Schwächung der Macht der Bourgeoisie. Er schloss auch nicht aus, dass die republikanische Fraktion der Demokraten bei einem Einzug Garibaldis den Siegestaumel nutzen würde, um die Republik auszurufen.
 
Warum Don Tangredi die Front wechselte
 
Als der Papst es ablehnte seine Truppen aus dem Kirchenstaat abzuziehen, rückte Piemont mit 30.000 Mann in Umbrien und den Marken ein. Am 18. September wurde die Armee des Papstes bei Castelfidardo geschlagen. Die Herrschaft des Pontifex wurde auf das Latium und die ewige Stadt begrenzt. Am 11. Oktober beschloss das Turiner Parlament den Anschluss Süd- und Mittelitaliens an Sardinien-Piemont. Es war ein Akt der Festschreibung der „Revolution von oben“, der einen demokratischen verfassungsmäßigen Weg ausschloss. In einem Referendum sicherte sich Turin am 21. Oktober im Süden die Zustimmung zu „einem einigen und unabhängigen Italien mit Vittorio Emanuele II. als konstitutionellem König“. Um die Zustimmung der feudalen Grundbesitzer des Südens zu erhalten, garantierte die liberale Bourgeoisie des Nordens ihr Eigentum. Giuseppe Tomasi di Lampedusa hat in seinem Roman “Der Leopard” augenfällig beschrieben, warum der Feudaladel auf die Seite der Revolution wechselte. Für Fürst Salini vom sizilianischen Hochadel sind die Piemontesen die Feinde des Königreichs beider Sizilien, das sie sich einverleiben wollen. Er versteht nicht, wie sein Neffe, Don Tangredi, als Offizier in ihrer Kavallerie dienen kann. Der erklärt ihm, warum er die Fahne gewechselt hat. „Sind nicht auch wir dabei, so denken die Kerle sich noch die Republik aus. Wenn wir wollen, dass alles so bleibt, wie es ist, dann ist es nötig, dass sich alles verändert.“ Am 18. März proklamierte das italienische Parlament das Königreich mit Vittorio Emanuele II. als Monarchen.
 
Garibaldi ordnete sich der Monarchie unter. Er befürchtete, eine Auseinandersetzung über die Frage Monarchie oder Republik hätte innerhalb der nationalen Bewegung zu einem militärischen Konflikt führen und dieser schwer kalkulierbaren Schaden zufügen können. Er wies jedoch das königliche Angebot ab, ihn ehrenvoll für seine Leistungen zu belohnen. Seine   Südarmee wurde aufgelöst, er selbst zum aktiven General befördert. Er trat diese Stelle nicht an, sondern zog sich auf seinen einfachen Landsitz auf Caprera zurück. Die Demokraten Neapels wählten ihn seit 1860 in sieben Legislaturperioden in die Abgeordnetenkammer.
 
Mehrfach lenkte Garibaldi die Öffentlichkeit auf die ungelöste nationale Frage. 1862 begab er sich nach Süditalien, wo ihn die Volksmassen stürmisch feierten und aufforderten, den bewaffneten Befreiungskampf wieder aufzunehmen. Mit den ihm zueilenden Freiwilligen marschierte er nach Norden. Am 28. August kam es auf den Höhen von Aspromonte in den südlichen Ausläufern des Apennin zum Gefecht mit Truppen Vittorio Emanueles, die sich dem Vormarsch Garibaldis entgegenstellten. Er selbst wurde verwundet. Obwohl in günstiger Gefechtsposition sah er wiederum das Risiko eines drohenden Bürgerkrieges. Er befahl, das Feuer einzustellen und ließ sich gefangen nehmen. Nach einer ganz Italien erfassenden Protestwelle wurde er freigelassen.  
 
1866 schlug sich Italien im Konflikt Preußens mit Österreich auf Bismarcks Seite. Garibaldi operierte mit einem 40.000 Mann zählenden Freiwilligenkorps in Tirol erfolgreich. Nach dem Sieg Preußens musste Wien nun auch Venetien freigeben.
 
Ende der weltlichen Papstherrschaft
 
Im Oktober 1867 marschierte Garibaldi mit 9.000 Freiwilligen in den Kirchenstaat ein. Bei Monterotondo stieß er an den päpstlichen Truppen vorbei auf Rom vor. Napoleon hatte jedoch ein starkes Korps gegen ihn in Marsch gesetzt. Am 3. November kam es nordöstlich von Rom an der Via Nomentana zur Schlacht mit den Franzosen, die nicht nur zahlenmäßig, sondern mit den neuen Chassepot-Gewehren (Hinterladern) Garibaldis Verbänden auch technisch überlegen waren. Von den regulären italienischen Truppen im Stich gelassen, musste er aufgeben. 
 
Nach der Niederlage im deutsch-französischen Krieg am 1. September 1870 zog Frankreich seine päpstlichen Schutztruppen aus Rom ab. Da Papst Pius IX. Verhandlungen über die Lösung der „Römischen Frage“ abgelehnte, rückten italienische Truppen am 20. September in Rom ein. Am 9. Oktober wurde die Stadt in das Königreich eingegliedert. Italien beseitigte die weltliche Herrschaft des Papstes, nahm seine „natürliche Hauptstadt“ in Besitz und vollendete die nationale Einheit.
 
So blieben die Niederlagen 1848/49 temporär und die bürgerliche Revolution errang einen Dreiviertelsieg: Sie beseitigte die Fremdherrschaft der Habsburger, der Bourbonen und des Papstes, stellte den einheitlichen Nationalstaat her und brachte die Bourgeoisie an die Macht. Nicht erfüllt wurde die wichtigste soziale Aufgabe der Revolution, die Beseitigung des feudalen Grundbesitzes.
 
An der Seite der Französischen Republik
 
Garibaldi wandte sich nach Sedan gegen den Eroberungskrieg Preußens und bot der Französischen Republik seine Dienste an. Es zeugte von seinem hohen militärischen Ansehen, wenn ihm das Hauptquartier den Befehl über ein internationales Korps an der Cote d´Or, die Vogesenarmee, übertrug. Als einziger Befehlshaber auf der französischen Seite errang Garibaldi einen Sieg, als er bei Dijon die Preußen zurückschlug. Der preußische General von Werder hielt in seinem Kriegstagebuch fest, dass Garibaldi „die Bewegungsfreiheit der Preußen erheblich einschränkte“. General von Manteuffel notierte „ein bemerkenswertes Operationstempo“ sowie „wohlerwogene Dispositionen im Feuerhagel“ und „bei Angriffen entfaltete Energie und Intensität“. Es war der Abschluss der militärischen Karriere dieses talentierten Heerführers aus dem Volk, dem auch die Pariser Kommune das Kommando über ihre Truppen anbot. Garibaldi lehnte zwar ab, bekundete aber dem „arbeitenden Volk von Paris, das für die Sache der Gerechtigkeit kämpft“, offen seine Sympathie. (PK)
 
Ausf. nachzulesen in G. Feldbauers „Geschichte Italiens“, Papyrossa Verlag 2008, S. 13 bis 50.


Online-Flyer Nr. 248  vom 05.05.2010



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