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Lokales
NS-Weißwäsche für die Kölner Familie Neven DuMont auf Bestellung
COLONIA CORRUPTA – Folge 2
Von Werner Rügemer

Der Kölner Karls-Preis-Träger Werner Rügemer veröffentlicht im März die sechste erweiterte und aktualisierte Auflage seines Buches "COLONIA CORRUPTA". Darin spielt natürlich das Kölner Verlagshaus M. DuMont Schauberg eine wichtige Rolle, das die NRhZ mit einer Reihe von Prozessen bedachte, weil wir uns allzu intensiv mit der privilegierten Stellung von Verlag und Eigentümerfamilie in der Nazizeit beschäftigt hatten. Außerdem beauftragte Alfred Neven DuMont den “unabhängigen“ Unternehmenshistoriker Prof. Manfred Pohl, den „Kampf um die Unabhängigkeit des Zeitungsverlags unter der NS-Diktatur“ darzustellen, was dieser natürlich gerne tat. - Die Redaktion.


Kölnische Illustrierte Zeitung gratuliert Hitler 1933 zum Geburtstag
Quelle: www.kaos-archiv.de

Diese privilegierte Stellung im NS bahnte sich keineswegs, wie Pohl in freundlicher Wiederholung der Verlagslegende behauptet, erst nach 1933 an und nur durch den Zwang der Hitler-Diktatur. Unser Historiker behauptet wahrheitswidrig, Kurt Neven DuMont habe „von Anfang an gegen das neue Regime der Nationalsozialisten“ gekämpft. Das Gegenteil ist richtig, was Pohl durch zahlreiche Fakten eigentlich belegt: Der Verlag hat nie gegen die Nazis gekämpft, weder vor noch nach 1933, sondern Zeitungen des Verlages schrieben den Aufstieg Hitlers herbei, schon vor 1933, und danach waren sie bis zum bitteren Ende eine wichtige Stütze des NS-Regimes.

Seit 1931 Werbung um und für Hitler

Pohl folgt der Verlagslegende, die Kölnische Zeitung und der Kölner StadtAnzeiger seien seit 1932 durch die Attacken, Anzeigenboykotte und Werbemaßnahmen des NSDAP-Blattes Westdeutscher Beobachter - Sitz ebenfalls in Köln - in ihrer Existenz bedroht worden, auch durch die Kampagne „Die tägliche Stadt-Anzeiger- Abbestellung“. Dadurch habe der Verlag Leser verloren. Doch Pohl belegt nebenbei, daß der Grund für den Rückgang der Abonnentenzahl ein ganz anderer war. Kurt Neven DuMont selbst erkannte den Grund: Daß nämlich die Parteien der „bürgerlichen Mitte“ - Zentrum, Deutsche Volkspartei (DVP) und Deutsche Staatspartei -, mit denen er sympathisierte, seit 1931 „bedeutungslos“ geworden waren „und somit auch diejenigen Zeitungen, die für eine bürgerliche Mitte standen wie die Kölnische Zeitung“.

Deshalb stellte sich der Verlag schon ab 1931 auf die neue Stütze des Bürgertums ein. Die Kölnische Zeitung warb seit 1931 zunehmend für die Regierungsbeteiligung der NSDAP. In der Neujahrsausgabe vom 1.1.1932 hieß es: Der Nationalsozialismus sei regierungsfähig, er bedürfe nur „noch der geistigen Durchdringung und Schulung“ durch das Bürgertum. Im April 1932 gab der Verlagschef in der Redaktionskonferenz die Linie aus, daß die Kölnische sich für eine Rechtskoalition unter Einschluß der NSDAP einsetze. In der Neujahrsausgabe vom 1.1.1933 rief die Kölnische dazu auf, „die aufbauwilligen Kräfte des NS ... für die nüchterne Arbeit am wirtschaftlichen Wiederaufbau“ zu gewinnen. Freilich unterschlägt unser Historiker die entscheidende Parole der Neujahrsausgabe: „Auf Hitler kommt es an!“ Ansonsten sind die politischen und wirtschaftlichen Forderungen in der Kölnischen Zeitung mit denen der NSDAP ohnehin weitgehend identisch: Präsidialkabinett statt parlamentarischer Demokratie, Steuersenkungen für Unternehmen, Ende mit den Tariflöhnen.


Warb schon 1931 für Hitlers Eintritt in die
Regierung – Kurt Neven DuMont
Quelle: www.kaos-archiv.de
Im Mai 1932 gründete der Verlag die Wochenzeitung Sonntag Morgen, um mit einem neuen Medium nationalsozialistischer Ausrichtung neue Leser zu finden. Selbst Pohl, der nur nebenbei darauf eingeht, bescheinigt der neuen Zeitung eine „gefährliche Nähe zum nationalsozialistischen Gedankengut“. Die neue Zeitung entwickelte sich so vorbildlich hitlermäßig, daß 1934 der Voran-Verlag, an dem Propagandaminister Goebbels beteiligt war, sie aufkaufte. Die Kölnische Illustrierte Zeitung, die schon in den 20erJahren Lobgesänge auf den Faschismus Mussolinis angesimmt hatte, brauchte sich ohnehin kaum zu ändern, um zu einem populären NS-Kampf- und Unterhaltungsblatt zu werden.

Widerstand gegen den NS scheint es auch nach den Angaben Pohls in der gesamten Verlagsleitung nicht gegeben zu haben, im Gegenteil, es bestand  abgestufte Zustimmung. Der Verlag beteiligte sich von 1934 bis 1943 an der jährlichen Adolf Hitler-Spende des Reichsverbandes der Deutschen Industrie (RDI), und zwar mit Beträgen zwischen 500 und 8.400 RM. Zahlreiche leitende Mitarbeiter wechselten schon 1933 zum Westdeutschen Beobachter, der professionelle Journalisten suchte und bei DuMont Schauberg offensichtlich Überzeugungstäter und Wendehälse genug fand, die er gut bezahlte. 1933 trat Verlagsleiter Belz in die NSDAP ein, 1937 taten dies Kurt Neven DuMont sowie weitere Redakteure einschließlich des Chefredakteurs Johannes Schäfer.

Im gleichen Zuge wurden alle 17 festangestellten jüdischen Mitarbeiter zwischen 1933 und 1938 entlassen. Er versuche, schrieb Kurt Neven DuMont, „auch für diese letzten Nichtarier Ersatz zu schaffen“. Der Schweizer Feuilleton-Redakteur Max Rychner, 1931 eingestellt, wurde 1933 sofort entlassen, weil er nicht geeignet sei, das Feuilleton im Sinne „des deutschen Wesens“ zu prägen.

Paktierte von Anfang an mit den jeweiligen Machthabern...

Pohl breitet auch genug historische Fakten aus, um das Engagement für Hitler nicht als überraschende Entgleisung erscheinen zu lassen. Im Krieg 1870/71 gegen Frankreich und wieder im 1. Weltkrieg produzierte der Verlag „Frontausgaben“ mit Durchhalteparolen. Nach der Gründung des Wilhelminischen Reiches galt die Kölnische als „Sprachrohr des Auswärtigen Amtes“; ihr Berliner Korrespondent, der Geheime Justizrat Franz Fischer, ging in Ministerien, Generalstab, Banken ein und aus und „frühstückte häufig mit Bismarck“.

Als Anhänger der Monarchie war man nach dem 1. Weltkrieg von der Weimarer Republik keineswegs begeistert. 1920 übernahm die Kölnische Zeitung die Kritik der DVP an der Novemberrevolution von 1918: „Statt Freiheit kam die Zügellosigkeit, statt Arbeitsfreudigkeit die Arbeitsscheu“, dagegen trat man für „Aufopferung im Dienste des Vaterlandes“ ein. Den „auf niedriger Kulturstufe stehenden Völkern“ sollte „das Deutschtum“ gebracht werden. 1932 setzte man sich für den preußischen Militaristen Hindenburg als Reichspräsident ein. Pohl bescheinigt dem Verlag eine durchgehende Tradition des Opportunismus. Er schließt ausdrücklich Kurt Neven DuMont ein, der „wie fast alle seine Vorfahren mit den jeweiligen politischen Machthabern paktierte“.

„Unabhängigkeit“, aber Treue zum Führer

Wie es im Untertitel des Buches heißt, geht unser renommierter Historiker auftragsgemäß der Frage nach, ob und wie der Verlag unter der NS-Diktatur seine  Unabhängigkeit bewahrt habe. Pohl kommt zu dem gewünschten Ergebnis: Im Kampf mit dem Konkurrenten Westdeutscher Beobachter, der die Kölnische Zeitung und den Verlag DuMont Schauberg übernehmen wollte, gelang es dem Eigentümer Kurt Neven DuMont, die Unabhängigkeit zu wahren. Nach zähen Verhandlungen, auch durch Einschaltung des Reichswirtschaftsministers Schmitt, stand im Dezember 1933 fest: Die Kölnische und ihr Verlag werden nicht übernommen, sondern bleiben „selbständig“. Das feiert der Verlag bis heute als einen Sieg.

Diese Art Selbständigkeit aber hatte ihren Preis, wie Pohl durchaus feststellt: „Dem nationalsozialistischen Staat und seinem Führer zu dienen und ihm die Treue zu halten.“ Die Selbständigkeit hat somit ein Doppelgesicht: Der Verlag bleibt wirtschaftlich selbständig und ist gleichzeitig ein NS-Musterbetrieb. Die Kölnische Zeitung wird „Reichszeitung“, die diversen Medienprodukte des Verlages produzieren hundertprozentige NS-Ideologie, trommeln für Hitler, trommeln für den Krieg, trommeln für den Endsieg.

Was ist das für eine Selbständigkeit? Es bleibt nur die Selbständigkeit des Profits, er geht an die Eigentümerfamilie. Geistige Selbständigkeit? Nichts davon. Und nicht einmal ökonomische Selbständigkeit, denn immer mehr Aufträge kommen vom Staat.

Innerlich kein Nationalsozialist

Unser Historiker beschwört auftragsgemäß und dutzendfach, Kurt Neven DuMont sei „ein liberaler Geist“ gewesen. „Liberal“ klingt gut, Pohl aber unterschlägt die genauere Bedeutung, die der Begriff bei den DuMonts hat: national- und wirtschaftsliberal. Das bedeutete im historischen Kontext seit Beginn im 19. Jahrhundert: Nationalismus und gnadenloser Kampf für das kapitalistische Privateigentum, mit der preußischen Monarchie und gegen die Weimarer Demokratie. Da war der Schritt von Wilhelm II. zu Hitler, wie bei anderen Unternehmern auch, nur ein kleiner und eher die Regel als die Ausnahme.

Der Gefälligkeitshistoriker versucht auch in anderer Hinsicht, der Verlagslegende gerecht zu werden: Der Verlagschef sei ein Widerständler gegen das NS-Regime gewesen. Dafür findet Pohl allerdings nicht mehr als der Verlag schon seit Jahrzehnten als kümmerliche Beweise daherbetet. Der Einsatz 1932 für Hindenburg als Reichspräsident sei so ein Akt des Widerstands gewesen, nämlich um Hitler zu verhindern. Pohl müßte sehen, daß er sich widerspricht, denn er referiert an anderer Stelle selbst, daß die Kölnische ab 1931 für den Eintritt Hitlers in die Regierung warb. Weitere Beweise für Widerstand: Kurt Neven DuMont habe auch Juden gerettet: Ab 1936 habe er eine „halbjüdische Erzieherin“ in seinem Privathaushalt und ab 1938 eine Sekretärin „jüdischer Herkunft“ eingestellt, die ab 1939 als seine Privatsekretärin gearbeitet habe.

Der Widerstand habe schließlich darin bestanden, daß die Mitgliedschaft in der NSDAP nur eine „Tarnung“ gewesen sei bzw. ein „Opfer“, um den Verlag zu retten. „Schritt für Schritt mußte er nachgeben, bis er schließlich den Entschluß fasste, 1937 in die Partei einzutreten, die er in seinem Innern verabscheute... Innerlich blieb er seinen liberalen Grundsätzen treu.“ Innerlich sei Kurt Neven DuMont somit kein Nationalsozialist gewesen, was er in persönlichen Gesprächen mit Freunden am Kamin bewiesen habe. Auch hier erfüllt der „unabhängige“ Historiker ganz direkt die Wünsche seines Auftraggebers: Alfred Neven DuMont hatte während der Forschungen Pohls verkündet, was dabei herauszukommen habe: „Mitgliedschaft in der NSDAP, aus welchen Gründen zustande gekommen, sagt noch wenig, meistens gar nichts über den Betroffenen.“

Es ist zudem eine fromme Legende, daß diktatorische Systeme nur durch Überzeugungstäter zusammengehalten werden. In jeder Diktatur überwiegen an Zahl die Opportunisten, Karrieristen, Wendehälse. Sonst hätten nach 1945 nicht zehntausende NSDAP-Mitglieder sich mühelos vor allem in CDU, CSU und FDP begeben. In der NSDAP waren hunderttausende Juristen, Unternehmer, Ministerialräte, Journalisten, Adlige und andere, die die NS-Ideologie zwar herbeten konnten und Adolf Hitler ewige Treue schworen wie Dr. Kurt Neven DuMont, aber vor allem ihre Karriere, Privilegien und Profite sichern wollten. Nachher finden sie immer ihresgleichen, die ihnen bescheinigen, innerlich ganz anders eingestellt gewesen zu sein und im persönlichen Kreis am heimischen Kamin gegen das System geschimpft zu haben. Kurt Neven DuMont war ein solcher Wendehals - was persönliche Zerrissenheit und Tragödien keineswegs ausschließt -, und der Verlag DuMont Schauberg war und ist ein traditioneller und professioneller Hort für solche Opportunisten.

Nach 1945: Vorbildlicher Demokrat

Solche Charaktere waren nach dem 2. Weltkrieg bestens geeignet, sich blitzartig in vorbildliche Demokraten zu verwandeln. Pohl teilt die Entwicklung des Verlegers in vier Phasen ein: Von 1927 bis März 1933 war er ein liberaler Geist; von März 1933 bis Mitte 1937 war er ein zerrissener Charakter und eine tragische Figur; von 1937 bis 1945 war er ein resignierter Mitläufer, und nach 1945 war er bis zu seinem Tode in den 60er Jahren ein vorbildlicher Demokrat.

Für die letzte Wandlung griff er zum Mittel der Lüge. Im  Entnazifizierungs-Verfahren behauptete er: „Die Kölnische Zeitung galt unter dem NS als 'unzuverlässig'... unser Verlag war der einzige deutsche Großverlag, der sich gegenüber der NSDAP wirtschaftlich vollkommen frei gehalten hat.“

Selbstverständlich fand er Gleichgesinnte, die ihm das nach 1945 gerne bestätigten. So schrieb der Kölner Bankier Waldemar von Oppenheim, seine Bank habe Kurt Neven DuMont während des NS einen hohen Kredit gegeben, weil dieser „nicht nationalsozialistisch eingestellt“ gewesen sei. Als ob eine solche Einstellung, wahr oder unwahr, für Oppenheim im NS eine Rolle gespielt hätte: Die Bank vergab Kredite für das Aufrüstungsprogramm von Krupp, für die Hermann Göring-Werke und beteiligte sich an Arisierungen. Oppenheim verhielt sich wie DuMont Schauberg: Man machte im NS gute Geschäfte, die politische Einstellung war variabel. (PK)

Natürlich enthält "COLONIA CORRUPTA" zahlreiche Literaturhinweise, die wir in diesem Vorabdruck weggelassen haben. Das Buch über Globalisierung, Privatisierung und Korruption im Schatten des Kölner Klüngels erscheint im März in 6. überarbeiteter und erweiterter Auflage. 214 Seiten, € 19,90, ISBN: 978-3-89691-525-2

Zum Thema „Kölner Tagespresse im Nationalsozialismus“ finden Sie auch einen Beitrag in NRhZ 151 vom 18.06.2008 unter www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=12530.

Darüber wie der Verlag MDS mit seiner NS-Vergangenheit umgegangen ist, bevor Alfred Neven DuMont mit deren Bewältigung den "unabhängigen" Historiker Manfred Pohl beauftragte, berichtet in dem Filmclip "Ein publizistisches Sicherheitsrisiko" in dieser NRhZ-Ausgabe der Kölner Historiker Otto Geudner.   

Teil 3 unseres Vorabdrucks folgt in der nächsten Ausgabe.

Online-Flyer Nr. 242  vom 24.03.2010



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