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Aktueller Online-Flyer vom 29. März 2024  

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Kultur und Wissen
Unrechtsstaat BRD
Hexenjagd
Von Hans-Dieter Hey

Die CDU-Regierung unter Konrad Adenauer hatte in den Jahren nach dem Ende der Nazi-Barbarei offenbar keine großen Probleme damit, zahlreiche alte Blut- und Mordrichter schnell wieder in Amt und Würden zu verhelfen. Oft mit der Hilfe und Unterstützung wiedereingesetzter Nazi-Polizeiführer - gerade in Berlin - fand eine gnadenlose und hysterische politische Strafjustiz gegen Kommunisten bis in die späten 1960er Jahre statt. Adenauer wollte schnell „die Abtötung des Kommunismus, nicht nur in Deutschland, sondern ausstrahlend nach Europa.“ Folge der Hexenjagd waren Tausende Justizopfer. Jan Kortes Buch „Instrument Antikommunismus“ erinnert daran und schlägt den Bogen zur Gegenwart, weil die Hetze gegen Linke fortdauert.

Adenauers Schießbefehl
 
1950 wurde von der CDU-Regierung unter Konrad Adenauer das „1. Strafrechtsänderungsgesetz“ erlassen, das die Verfolgung kommunistisch Gesinnter ermöglichte. 1.500 Mitglieder der „Freien Deutschen Jugend“ FDJ wurden zum Teil zu langjährigen Haftstrafen für ihre politische Gesinnung verurteilt. Im November 1954 begann das Hauptverfahrens zum Verbot der KPD 1956, während im übrigen Europa kommunistische Parteien völlig normal zum demokratischen Alltag gehörten – mit Ausnahme der Nachkriegsdiktaturen in Spanien, Portugal und Griechenland. Der KPD-Landtagsabgeordnete Jupp Angenfort gehörte damals zum Vorstand der FDJ und beteiligte sich im April 1951 an einer Volksbefragung zur Wiederbewaffnung Deutschlands. Daraufhin wurde die FDJ im Juni 1951 verboten. Angenfort wurde zu fünf Jahren Haft wegen Hochverrats verurteilt, zu weiteren fünf Jahren Ehrverlust, zu dauerhafter Überwachung durch die Polizei, zu lebenslangem Verlust der Möglichkeit ehrenamtlicher Tätigkeit und zu Reiseverbot. Erst nach einem halben Jahr durfte er durch seine Ehefrau besucht werden, der geraten wurde, sich von ihm scheiden zu lassen.


Konrad Adenauer: „Kommunismus abtöten"
Quelle: Bundesarchiv


Eine andere Geschichte ist die des Journalisten Walter Timpe. Sie ist auch Ausgangsbasis des Buches des Politikwissenschaftlers Korte. Der Journalist Timpe kritisierte in einer Zeitung damals das FDJ-Verbot und wurde 1955 vors Gericht gezerrt. Der Vorwurf: Beleidigung des Bundeskanzlers und Unterstützung einer feindlichen Organisation. Das Urteil: Ein Jahr Gefängnis ohne Bewährung, drei Jahre Berufsverbot und Führerscheinentzug. Am Verfahren waren alte Nazis beteiligt: Staatsanwalt Karl Heinz Ottersbach als ehemaliger Vorsitzender des NAZI-Sondergerichts Kattowitz. Der Richter Dr. Konrad Lenski hatte am Reichskriegsgericht sehr viele Todesurteile gefällt und als „Henker des Gaulistischen Widerstandes“ in Straßburg zahlreiche französische Widerstandskämpfer zum Tode verurteilt. Auch in einem vorangehenden Verfahren musste Timpe unangenehme Bekanntschaft machen: mit dem Oberstaatsanwalt Wilhelm Landwehr, der im „Dritten Reich“ als Oberkriegsgerichtsrat dänische Widerstandskämpfer zum Tode verurteilt hatte.
 
Im Mai 1952 demonstrierten 30.000 Menschen verschiedener Organisationen und Kirchen während der GRUGA in Essen gegen die Wiederaufrüstung Deutschlands. In einem massiven Prügel-Einsatz der Polizei wurden zahlreiche Demonstranten zum Teil schwer verletzt. Während des Schusswaffeneinsatzes aufgrund von „Adenauers Schießbefehl“ in der Zeit des Kalten Krieges wurde der 21jährige Schlosser Philipp Müller von einem Polizisten von hinten in den Rücken geschossen, kurz darauf starb er. Zwei weitere Demonstranten wurden ebenfalls von hinten in die Hüfte oder den Oberschenkel geschossen. Verurteilt wurde keiner der Täter.

„Brauner Epilog"
 
Diese Beispiele aus dem WDR-Film „Als der Staat rot sah“ aus dem Jahr 2006 machen deutlich, wie es tausenden Gesinnungshäftlingen in der Zeit der Kommunistenjagd ergangen war um die es in Kortes Buch auch geht. Zwischen 1951 und 1968 gab es weit über 150.000 staatsanwaltliche Ermittlungen, 6.758 Personen wurden verurteilt. „Eine europäische Einmaligkeit, von faschistischen Diktaturen wie Spanien einmal abgesehen“, so Korte. Schon wieder wurden die Menschen wegen ihrer politischen Gesinnung verfolgt, nachdem viele von ihnen bereits von den Nazis verfolgt und misshandelt wurden oder im KZ gelandet waren. Besonders verwerflich war, dass diesen Opfern des Nazi-Terrors durch die Adenauer-Regierung die Wiedergutmachungszahlungen versagt wurden oder sie diese zurückzahlen mussten. Für den Publizisten Ralph Giordano waren die damaligen Verfolgungsjagden ein „brauner Epilog“.
 
Das staatliche brutale Vorgehen wurde von vielen begrüßt, der Wille zur Auseinandersetzung mit der Vergangenheit war in der Bevölkerung so gut wie nicht vorhanden. Politisch wurde die Schuldfrage auf wenige wie Hitler, Goebbels oder Himmler reduziert, die Konrad Adenauer als „wirklich Schuldige“ bezeichnete. Diese Verharmlosung bis hin zur Täterverteidigung am Beispiel der Wehrmacht gilt für manche bis heute. Nach damaliger Lesart gehörten die Täter der Wehrmacht, des Auswärtigen Amtes, der Wirtschaft und Justiz nicht dazu. Sie waren bis auf wenige Ausnahmen alle wieder in Amt und Würden, „inklusive Teilen von GESTAPO und Reichssicherheitshauptamt“. Das Straffreiheitsgesetz von 1949 stellte die meisten von ihnen straffrei. Juristen taten sich „lieber als Erfinder von Rechtskonstruktionen hervor(taten), mit denen NS-Verbrechern die Chance der Straflosigkeit eröffnet wurde“, so der Strafverteidiger Heinrich Hannover in der NRhZ.
 
Der Kommentator der Nürnberger Rassengesetze, Heinz Globke, war sogar engster Mitarbeiter von Konrad Adenauer und 14 Jahre in der Schaltzentrale der Macht. Der Historiker Norbert Frei konstatiert bereits für das Jahr 1949 wieder „ein gefährliches Kartell von alten Nazis und ihren Helfern sowie einer Öffentlichkeit, die an die Substanz der demokratischen Verfasstheit des noch jungen Staates ging“. Irgendwie schien sich die Gesellschaft noch im alten Geist zu befinden. Dieser Geist wurde noch gepflegt durch ehemalige Nazis in „Verlagen, Organisationen und Regierungsstellen, die für antikommunistische Propaganda zuständig waren“, einschließlich ehemaliger Mitarbeiter aus Goebbels‘ Propagandaministerium.
 
Wandlung nicht zur Kenntnis genommen
 
Viele von ihnen haben bis in die Gegenwart Geschichte und Rechtsgeschichte geschrieben und bis heute Rechtsordnung und Demokratie beschädigt. Der ehemalige Bundespräsident Gustav Heinemann stellte damals fest, dass der „neue Antikommunismus an die Restbestände der alten faschistischen Mentalität in Deutschland anschließen würde.“ Für Korte geht der

Jan Korte
Quelle: Die Linke
Antikommunismus noch tiefer, er beruht grundsätzlich auf einer Veränderungsunwilligkeit und gesellschaftlichen Erstarrung, die den Konservatismus bewahren will, dessen Aufgabe die konstante Abwehr von Gesellschaftsveränderung war und ist. Zudem war der Konservatismus immer schon antidemokratisch und totalitär. Die Angst vor demokratischer Veränderung und sozialer Emanzipation, vor der Arbeiterbewegung und Umsturzbewegungen durch Menschen, die ihr Schicksal in die eigene Hand nehmen wollten, erzeugen bis heute das Feindbild dazu. Der Jurist Heinrich Hannover erinnert sich daran, dass in seiner Kindheit „Kommunisten als das ‚Böse‘ schlechthin betrachtet wurden“. Die Frage ist nur, wieso ausgerechnet „der Hass auf die linke Intelligenz, die energisch gegen Krieg, Nationalismus und Menschenfeindlichkeit anschrieb, (zog) den Hass von Konservativen und Rechtsaußenvertretern auf die Linke insgesamt auf sich“ ziehen konnte.
 
Die Geschichte der BRD ist also keine „rein engelhafte“ und sollte daher in einer Zeit, in der die DDR als Unrechtsstaat in Bausch und Bogen verurteilt wird, immer wieder neu bewertet werden. Denn die BRD war nach der Nazidiktatur im Gegensatz zur DDR eine post-nazistische Gesellschaft, aber keine Anti-nazistische Republik. Auch wenn dies historisch gut aufgearbeitet und ausführlich beschrieben ist, darf die Erinnerung daran nicht begraben werden. Jan Korte ist es zu verdanken, dass die Jagd auf Andersdenkende in der BRD in seinem kleinen Buch dennoch umfassend genug dargestellt ist, um Verdrängung und Unwissen entgegen zu wirken.
 
Dabei bleibt er nicht einäugig und räumt im Sinne weiterer Vergangenheitsbewältigung auch mit den Verwerfungen in den „Realsozialistischen Ländern“ und dem Stalinismus auf, die die Linke Idee diskriminiert und auch verraten hatten. Doch noch heute werde Linken die DDR vorgeworfen, die aber schon vor 20 Jahren untergegangen ist. Fundamentalkritik der Linken am Stalinismus werde einfach nicht zur Kenntnis genommen. Die Duldung vieler Mitglieder in CDU und FDP war für die Vergangenheitsbewältigung der Bundesrepublik allerdings kein leuchtendes Beispiel. Man hätte ebenso konsequkent vorgehen müssen wie die damalige DDR, denkt man an deren umfassende Entnazifizierung und die Entlassung von 520.000 Altnazis aus wichtigen Ämtern und den Austausch der Richter und Staatsanwälte.
 
Korte wirft den Kritikern des Antikommunismus eine leichtfertige und undifferenzierte Betrachtungsweise vor, wenn sie bis heute mit einem totalitarismustheoretischem Vokabular „von den beiden Diktaturen“ sprechen oder rechtsradikal und linksradikal gleichsetzen. Ihnen ginge es nicht um einen wissenschaftlichen Vergleich, sondern in der Verallgemeinerung „um die Einebnung der wesentlichen Unterschiede“. „Als ob etwa Migranten, Andersdenkende oder Andersliebende von Linken gejagt oder totgeschlagen werden würden“, so Korte. Offenbar will man auf konservativer Seite Unterschiede und Veränderungen nicht wahrhaben. Erschreckend ist für Korte auch, dass offenbar immer noch zwanghaft wie vor 60 Jahren in den Medien veröffentlicht und im Deutschen Bundestag unter Ignoranz der Realitäten diskutiert wird. Immer noch herrsche in vielen Köpfen „Sozialismus gleich DDR, Mauer und Stacheldraht“.
 
Für Korte sei der einzige Weg, gegen Konservativismus und mediale Hetzkampagnen den Kern der sozialistischen Idee zu vermitteln, die im Erreichen von Freiheit, Gleichheit und Solidarität bestehen. Dabei sei es gerade nicht antikommunistisch, auf die Opfer des Stalinismus oder auf demokratische Defizite hinzuweisen oder auf die Todesstrafe in Kuba. „Es ist notwendige Voraussetzung für ein Denken in kritischen Kategorien und die Weiterentwicklung von radikaler Demokratie“. Nur daraus könne eine überzeugende sozialistische Politik erwachsen. Schön, wenn Konservative geistig auch schon so weit wären. (HDH)

Siehe auch die Artikel von Heinrich Hannover „Politische Justiz“, Teil1 und Teil 2 und unseren Film "Ein Staat sieht rot" von Peter Kleinert.









Jan Korte
Instrument Antikommunismus.
Der Sonderfall Bundesrepublik
Dietz-Verlag, Köln 2009
128 Seiten, Broschur
9,90 EUR

ISBN 978-3-320-02173-3



Online-Flyer Nr. 240  vom 10.03.2010



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