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Literatur
Zwischen Naxos und Athen: Die Biografie von Dimitris Mandilaras
Ein Leben im Widerstand
Von Uwe Koopmann

Das Leben von Dimitris Mandalaras bewegt sich spannend über 80 Jahre durch die griechische Geschichte des 20. Jahrhunderts. “Mitsos“ ist Hirte, Bauarbeiter, Widerstandskämpfer. Aufgeschrieben hat sein Leben Astrid Scharlau, seine Schwiegertochter. Das gut 300 Seiten starke Buch mit dem Titel „Zwei Türen hat das Leben - Erinnerungen von Dimitris Mandilaras“ wurde im vergangenen Jahr veröffentlicht, berichtet über ein Leben im Widerstand und ist absolut lesenswert.

Dimitris Mandalaras
Foto:privat
Die Biografie bietet einen hervorragenden Ansatz: Er verbindet an vielen Stellen den persönlichen, oft ganz privaten Lebenslauf unmittelbar mit der großen, vielfach katastrophalen Geschichte Griechenlands. Aus dem Blickwinkel einer marxistischen Geschichtsbetrachtung kann dazu festgestellt werden, dass zunächst eine fundierte Darstellung der materiellen Lebensbedingungen geboten wird, aus der sich das Bewusstsein für ein klassenorientiertes Denken ableitet – auch wenn das Wort Klasse als Terminus an keiner Stelle des Buches auftaucht. Das Leben auf dem Lande, das auf der Insel Naxos, wird von Kargheit geprägt. Die Menschen sind weitgehend Selbstversorger. Sie leben von ihrer Hände Arbeit. Deren Ertrag wiederum ist abhängig von rechtzeitigem Regen oder überhaupt von einem Arbeitsplatz etwa beim Schmirgel-Abbau in der Nähe von Koronos und Apiranthos.
 
Der Hirte und Arbeiter Mandilaras ist einer umfassenden Repression ausgesetzt: Als Arbeiter spürt er die Ausbeutung. Als Soldat begreift er, dass er für den Einsatz an der Front herhalten muss, während die reichen Söhne des Landes geschont werden. Als Arbeiter wehrt er sich, indem er streikt. Als Soldat wehrt er sich, indem er schließlich einfach nach Hause geht. Aber was ist zuhause los? Die links eingestellten Koronidiaten werden zur Zwangsarbeit herangezogen, das „rechte Volk“ wird geschont. Straßen werden so geplant, dass sie über „linke“ Weinberge führen. Das „rechte Wahlvolk“ aber wird nicht belastet. Sich mit dem Wahlzettel wehren? Wahlergebnisse und Volksabstimmungen werden gefälscht, damit der Bürgermeister aus dem rechten Spektrum an der Macht bleibt und die Monarchie wieder eingesetzt werden kann.
 
An vielen Stellen der Biografie wird deutlich, dass die unverfälschte Analyse der gesellschaftlichen Verhältnisse – bis zur politischen Charakterisierung konservativer und sozialdemokratischer Ministerpräsidenten – und ihre Bekämpfung am glaubwürdigsten durch die griechischen Kommunisten und ihre Anhänger betrieben werden. Das gilt für die Klassenverhältnisse im Lande. Das gilt auch für die internationalen Beziehungen Griechenlands zur NATO und zur EG. Die PASOK („SPG“) trat an mit der Forderung, aus der NATO auszutreten, verfolgte aber diese Politik nicht. Alle herrschenden Kreise Griechenlands einschließlich der Junta waren Handlanger der imperialistischen Großmächte.
 
Viele Verwandte aus der Mandilaras-Familie, viele Freunde von Mitsos bezahlten ihren Kampf gegen die herrschende Klasse mit dem Tode. Aber: die Überlebenden haben ihr Werk fortgesetzt, sind nicht zu Kreuze gekrochen. Ihre politischen Aufgaben sind in Griechenland noch nicht gelöst.
 
Dem Buch ist eine weite Verbreitung zu wünschen – nicht nur bei den Griechenland-Enthusiasten. Da es praktisch im Selbstverlag erschienen ist, fehlt ihm eine kommerzielle Werbung. Vielleicht ist aber genau das ein weiterer Grund, dieses zugleich kluge und verschmitzt-unterhaltende Buch zu kaufen.(PK)
 
Astrid Scharlau: „Zwei Türen hat das Leben - Erinnerungen von Dimitris Mandilaras“, broschiert 316 Seiten, Neue Impulse Verlag,2009, ISBN 978-3-8391-1930-3, EUR 18,50             

Online-Flyer Nr. 233  vom 20.01.2010

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