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Lokales
AktivistInnen aus Bophal besuchten BAYER-Werk in Leverkusen
Konzern-Gier führte zur Katastrophe in Bophal
Von Philipp Mimkes


In der vergangenen Woche jährte sich die Katastrophe von Bhopal, dem schwersten Chemie-Unfall der Geschichte, zum 25. Mal. Die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) sprach aus diesem Anlass mit Rachna Dhingra (32) von der International Campaign for Justice in Bhopal. Der BAYER-Konzern betreibt in den USA weiter ein "Schwester-Werk" der Anlage von Bhopal. Auch dort kam es im vergangenen Jahr zu einem schweren Störfall. Das interessierte allerdings die Medien, die am 3. Dezember der Opfer von Bophal gedachten, überhaupt nicht.


Sanjay Verma, Safreen Khan und Rachna Dhingra - Überlebende, Opfer und Aktivisten der Bhopal-Katastrophe in Leverkusen
Quelle: www.cbgnetwork.org
 
CBG: Rachna, warum engagieren Sie sich bei der INTERNATIONAL CAMPAIGN FOR JUSTICE IN BHOPAL?
 
Rachna Dhingra: Jeder Mensch ist durch eine persönliche Erfahrung motiviert. Für mich war es die Tatsache, dass das Unternehmen, für das ich arbeitete, mehr um seine Profite besorgt war als um das Wohlergehen der Menschen (Anmerkung: Es handelt sich dabei um den Konzern DOW CHEMICAL, der 2001 den Bhopal-Betreiber UNION CARBIDE übernommen hat). Ich kam nach Bhopal, um die Überlebenden bei ihrem Kampf um eine bessere Gesundheitsfürsorge, um sauberes Trinkwasser und um eine strafrechtliche Verfolgung der verantwortlichen Personen und Unternehmen zu unterstützen. Ein Vierteljahrhundert ist eine lange Zeit, um auf Gerechtigkeit zu warten, und ich hoffe, dass schlussendlich Jedem Gerechtigkeit widerfährt.
 
Was sind heute die größten Probleme in Bhopal?
 
Ein Fünftel der 500.000 Menschen, die der Giftwolke ausgesetzt waren, sind chronisch krank und haben körperliche oder seelische Leiden. Zehntausende Kinder haben Wachstumsschäden, Hunderte Kinder kamen mit Geburtsfehlern zur Welt, weil ihre Eltern mit dem Gift in Kontakt gerieten oder weil das Grundwasser verseucht war. Über eine Fläche von 20 Quadratkilometern sind das Grundwasser und der Boden verunreinigt - mit Chemikalien, die zu Krebs und Geburtsfehlern führen und Lungen, Leber, Niere und Gehirn angreifen. Einige dieser Giftstoffe sind in der Muttermilch von Frauen gefunden worden, die in der Nähe der Fabrik und der Deponie leben, wo Zehntausende Tonnen chemischer Abfälle lagern. Darüber hinaus ignoriert die indische Regierung die Bedürfnisse der Menschen von Bhopal. Sie hat das vor neun Monaten abgegebene Versprechen, eine Kommission für die Langzeit-Behandlung der Überlebenden einzurichten, bisher nicht eingelöst. Und dann ist das größte Konzern-Verbrechen der Menschheitsgeschichte (...) immer noch ungesühnt.
 
Warum haben Sie zum 25. Jahrestag von Bhopal eine Bustour durch mehrere Länder unternommen?
 
Wir wollen den Menschen vermitteln, dass Bhopal nicht etwas ist, was vor 25 Jahren passierte, sondern etwas, das fortdauert. Und wir wollen ihnen sagen, dass die Geschichte von Bhopal nicht nur eine von Bhopal ist, sondern eine von Unternehmen, die von Gier und Profiten getrieben sind und diese über das Leben von Menschen und die Umwelt stellen. Diese Bustour (www.bhopalbus.com) ist ein einfacher Weg, um durch die verschiedensten Länder zu reisen und Menschen zu treffen, die ähnliche Kämpfe austragen wie wir. Und dann wollen wir noch Geld für die Sambhavna Klinik sammeln, die die von UNION CARBIDE vergifteten Menschen umsonst behandelt.
 
Sie haben auch die BAYER-Anlage in Institute in den USA besucht, das sogenannte "Schwester-Werk" von Bhopal, wo es im August 2008 zu einer großen Explosion kam. Wie waren die Reaktionen?
 
Das war einer unserer seltenen Stopps in den USA, wo wir einen anderen betroffenen Ort besuchten. Es war sehr bewegend und schockierend zu sehen, dass aus dem Bhopal-Desaster nichts gelernt wurde. Festzustellen, wie dicht die Fabrik an die Wohnsiedlungen heranreicht, hat uns alle sehr deprimiert. Sobald man in die Stadt kommt, umfängt einen der Geruch von giftigen Chemikalien, der bleibt, bis man die Stadt wieder verlässt. Bei den vielen Gesprächen, die ich führte, war ich geschockt zu hören, wie sehr die von der BAYER-Anlage verursachten Krankheiten der Frauen und Kinder den Krankheiten bei uns ähneln. Und wie in Bhopal sind es die Armen und die Angehörigen von Minderheiten, die am meisten leiden.
 
Was war der Grund dafür, auch den BAYER-Stammsitz in Leverkusen aufzusuchen?
 
Einer unserer Hauptgründe, nach Leverkusen zu kommen, war, die Leverkusener Bevölkerung und die BAYER-Beschäftigten darüber zu informieren, was für Verbrechen BAYER in anderen Ländern begeht. Wir wollten den Leuten in Leverkusen sagen, dass sich so etwas wie in Bhopal nie wieder ereignen darf und dass niemand mehr so leiden sollte wie die Menschen in Bhopal und Institute leiden.
 
Was müsste getan werden, damit so etwas wie in Bhopal nie wieder passieren kann?
 
Die Individuen und Konzerne, die solche Verbrechen begehen, müssten angemessen bestraft werden. Sie müssten wie Kriminelle behandelt werden, so dass ein Tod durch ihre Gifte als Mord gilt. Wenn wir zulassen, dass Unternehmen, die töten, vergiften und verletzen, straffrei ausgehen, haben wir nur geringe Chancen, eine Wiederholung zu verhindern. Zudem müsste dem Vorsorge-Prinzip mehr Geltung verschafft werden. Und wir sollten fragen, ob eine Produktion solcher giftigen und für Mensch und Umwelt gefährlichen Chemikalien wirklich nötig ist.

Anmerkung der Redaktion:

Rachna Dhingra und weitere AktivistInnen und Überlebende der Katastrophe kamen auf Einladung von amnesty international, dem britischen Bhopal Medical Appeal und der Coordination gegen BAYER-Gefahren nach Leverkusen-Opladen, um die bis heute bestehenden Probleme der Betroffenen öffentlich zu machen und Gerechtigkeit für die Opfer und Überlebenden der Bhopal-Giftkatastrophe zu fordern. Das “Schwester-Werk“ von Bhopal steht im US-Bundesstaat West Virginia, es gehört seit sieben Jahren zum BAYER-Konzern. Erst vor zwei Monaten erklärte sich BAYER bereit, dort die hochgefährliche Lagerung des in Bhopal ausgetretenen Giftgases MIC zu beenden. Im vergangenen Jahr war es zu einem schweren Unfall mit Todesfolge in diesem Werk gekommen.
 
Sanjay Verma war sechs Monate alt, als er seine Eltern in Folge der Katastrophe verlor. Safreen Khan und ihre Familie wohnen bis heute in der Nähe des kontaminierten Fabrikgeländes. Rachna Dhingra stammt aus Delhi, erst vor wenigen Jahren ist die Menschenrechtsaktivistin nach Bhopal gezogen. (PK)

Mehr über den Widerstand gegen den BAYER-Konzern in Leverkusen erfahren Sie unter www.cbgnetwork.org

Online-Flyer Nr. 227  vom 09.12.2009

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