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Aktueller Online-Flyer vom 29. März 2024  

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Arbeit und Soziales
Bundesagentur setzt auf „Maulkorb"
Hilfen für geschönte Zahlen
Von Sebastian Bertram

Die Bundesagentur für Arbeit möchte in Zukunft die Berichterstattung in den Medien steuern und bietet ab November diesen Jahres komplett aufbereitete Artikel für die Print- und Online Presse an. Doch weiter recherchieren ist verboten.

Die Bundesagentur für Arbeit (BA) möchte wohl in Zukunft die Berichterstattung, insbesondere über Hartz IV, besser steuern können. So lässt die BA in einer aktuellen Pressemitteilung verlautbaren, dass man ab dem 21. November einen ganz besonderen Presse Service anbietet. So kann man folgendes in der Pressemitteilung der Bundesagentur lesen:

"Die Artikel werden von erfahrenen Journalisten aufbereitet und liegen im Regelfall in zwei unterschiedlichen Längen vor. Die dazu gehörenden Fotos werden ebenfalls von professionellen Fotografen erstellt. Artikel und Fotos liegen auf der Internetseite in druckfähiger Qualität vor. Der Service ist kostenlos und kann von allen Medien uneingeschränkt - unter Beachtung der Nutzungsbedingungen und nach einer einfachen Registrierung - genutzt werden."

Das ist eigentlich eine ganz schöne Sache, da den Journalisten viel Arbeit abgenommen wird. Doch liest man die sog. Nutzungsbedingungen, so steht dort verzeichnet:

"Die Artikel und ihre Bestandteile (Text, Textteile, Fotos) dürfen nicht bearbeitet werden, insbesondere dürfen keine eigenen Texte, Fotos oder sonstige Ergänzungen hinzugefügt werden…" (Quelle BA)

Das bedeutet, dass eine weitere Recherche der Journalisten verboten ist, wenn man die "aufbereiteten" Artikel der Bundesagentur für Arbeit verwendet. Vielen Zeitungen und Boulevard Blättern ist es ziemlich egal, ob es zu den angebotenen Themen auch gegenteilige oder differenzierte Meinungen gibt. Ein ähnliches Konzept bietet die BA übrigens auch für Radiosender an. Ganze Beiträge können übernommen werden, wenn diese nicht bearbeitet werden.

Karikatur: Kostas Koufogiorgos
Aus den Zahlen, aus dem Sinn...
Montage: Hofschläger / pixelio

Eine ähnliche Lobbyarbeit hatte bereits das Bundesfamilienministeriums unternommen. Ganze Radiosendungen und PR Artikel wurden von dem Bundesministerium von zahlreichen Printmedien und Radiosendern übernommen. Die Landesmedienanstalt Nordrhein-Westfalen wertete dies als "unzulässige Schleichwerbung". Nach dem Rundfunkstaatsvertrag seien solche "als journalistischen Beiträge getarnten PR-Texte verboten", sagte damals ein Sprecher der Landesmedienanstalt. Auch der Journallistenverband reagierte mit Empörung. Dessen Vorsitzender Michael Konken sprach von "Propaganda".

Das Bundesministerium hatte für das damals eingeführte Elterngeld geworben. Es wurden ganze Artikel mit Überschriften und Bildern an die Medien versandt. Organisiert wurde diese Arbeit von einer angeheuerten PR Agentur. Sehr viele, vor allem private Medien, übernahmen die vorgefertigten Texte kommentarlos. Der Bürger ging von einer selbst recherchierten Meldung aus. Kein Hinweis darauf, dass es sich um eine getarnte Werbekampagne des Familienministeriums von Ursula von der Leyen handelte. Leider ist es so, dass regionale Zeitungen und kleinere Radio-Sender Geld sparen müssen und somit gern solche kostenlosen Dienste annehmen. Von diesem Umstand wissen natürlich die PR Agenturen und schlagen genau in diese Kerbe ein.

Gleiches hat nun die Bundesagentur für Arbeit vor. Man kann hier von einem Versuch von Gleichschaltung der Medien sprechen. Nach dem Datenskandal soll nun auch noch die Berichterstattung beeinflusst werden. Ob das noch etwas mit Demokratie zu tun hat? (HDH)

Sebastian Bertram ist Mitglied der Redaktion von Gegen-Hartz-IV.

Online-Flyer Nr. 222  vom 03.11.2009



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