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Aktueller Online-Flyer vom 19. März 2024  

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Lokales
Auch in Köln: Auftakt des Weltweiten Marschs für Frieden und Gewaltfreiheit
Aktiv und gewaltfrei
Von Bärbel Helweg

Am 2. Oktober zog er nun los, der Weltweite Marsch für Frieden und Gewaltfreiheit. Knapp vierzig Friedensaktivisten hatten sich in Wellington, in Neuseeland auf den Weg gemacht, um in drei Monaten über 100 Länder zu bereisen und unterstützt von unzähligen Friedensinitiativen vor Ort, lokale oder globale Konflikte zu thematisieren. Auftaktkundgebungen fanden in rund 300 Städten weltweit statt – so auch in Köln, zum Tag der Gewaltlosigkeit, der fast schon traditionell auf dem Heumarkt begangen wird. Wolfgang Geissler und Herbert Sauerwein/AF begleiteten die Veranstaltung als Fotografen.

apropos Antidiskriminierung Foto: Wolfgang Geissler
Apropos Antidiskriminierung: Fotorahmen-
aktion vor Beginn der Veranstaltung
Foto: Wolfgang Geissler
Mahatma Gandhi wäre dieses Jahr 140 Jahre alt geworden, doch ohne Zweifel ist sein beispielhaftes Engagement für Frieden, aktive Gewaltfreiheit und zivilen Widerstand in den Köpfen und Herzen vieler Menschen noch sehr lebendig. So rief die UNO vor drei Jahren zu seinem Geburtstag den „Tag der Gewaltlosigkeit“ aus, den seitdem viele Organisationen zum Anlass nehmen, auf die verschiedenen Formen der Gewalt aufmerksam zu machen, die auf dieser Welt herrschen und doch irgendwie zusammenhängen: ob nun militärische, wirtschaftliche, psychologische oder religiöse Gewalt, ob Gewalt gegen Frauen, durch Staatsapparate oder die mannigfaltigen Formen der Diskriminierung.

Und dementsprechend abwechslungsreich war auch das Programm auf dem Kölner Heumarkt. „Ich schätze die Vielfalt der Veranstaltung: Antimilitaristen, Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International, Frauen gegen Gewalt, Muslime gegen Diskriminierung, die DGB-Jugend und FIAN, die auf die zunehmende wirtschaftliche Gewalt – weltweit und ganz konkret vor Ort – aufmerksam machen, Alt und Jung, und viele mehr – wo und wann kommen die sonst so zusammen?“ erklärte Christine Schmidt, vom Freien Lokalrundfunk Köln, die den „Tag der Gewaltlosigkeit“ gemeinsam mit der Kölner Reggae-Rapperin Lilli B. moderierte.


Die Kölner Rapperin Lili B. Foto: Wolfgang Geissler
Songpoetin Lilli B. mit ihrem Eröffnungssong | Foto: Wolfgang Geissler

Mit „Nein, nein, nein – bis hierher und nicht weiter / ab jetzt wird jeder von uns zum Fighter...“ gab die Songpoetin dem Tag ein aktiv-gewaltfreies Motto und wurde prompt beim nächsten Lied gekonnt verstärkt durch eine Gruppe junger Interpretinnen namens „9 Grad Banane“, die mit dem Song „Kleine weiße Friedenstaube“ bei der Veranstaltung gekonnt und viel peppiger, als der Titel vermuten lässt, ihr Debüt gaben.

9 Grad Banane
„9 Grad Banane“: beschwingt und bewegend für Frieden
Foto: Wolfgang Geissler

Im Gegensatz zur eher leidigen gesellschaftlichen Realität waren am „Tag der Gewaltlosigkeit“ Frauen und Mädchen einmal ganz positiv überrepräsentiert. Doch, angesichts körperlicher und struktureller Gewalt gegen Frauen ging es diesmal nicht darum, Zahlen von Vergewaltigungsopfern vorzutragen oder auf die Diskriminierung im Berufsleben aufmerksam zu machen, sondern ganz konkret positive Handlungsbeispiele zu bringen: Irmgard Kopetzky machte für Lila in Köln und den Notruf Köln auf den Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen aufmerksam, wenn am 25.11. unter dem Motto „Wir fordern die Nacht zurück“ wieder ein Protestmarsch durch die Kölner Innenstadt zieht.


Christine Schmidt, Eliza Aleksandrova, Irmgard Kopetzky Tag der Gewaltlosigkeit
Christine Schmidt im Gespräch mit Eliza Aleksandrova und Irmgard Kopetzky (v.l.n.r.) | Foto: Herbert Sauerwein/AF

Der darf natürlich ruhig bunt, laut und kreativ sein, wie die bewegten Frauen des 21. Jahrhunderts oder wie die „Aktion Christa“, bei der es – inspiriert durch das namensgebende Verhüllungskünstler-Ehepaar – darum geht, Sexwerbung auf Autos oder Anhängern im Kölner Stadtgebiet zu verdecken. Wenn man in Bezug auf Frauenrechte in manchen Ländern die vereinfachte Rechnung „Verhüllung = Gewalt“ aufmachen könnte, ist es hierzulande oft so, dass „die Verhüllten“ unter der Gewalt leiden: Eliza Aleksandrova wies für das Begegnungs- und Fortbildungszentrum muslimischer Frauen auf die Wichtigkeit von Sprachkursen als Mittel gegen Diskriminierung von Muslimen hin, um Selbstverständnis und -bewusstsein zu stärken. Auf der Liebigstraße in Köln-Ehrenfeld sind explizit alle Frauen jeder Religion und Herkunft zu Begegnung und Austausch eingeladen – sogar Männer nach Anmeldung.

Magdalena von Podolski
Comedian Magdalena von Podolski
Foto: Herbert Sauerwein/AF
Da wirkte der humoristische Auftritt der Schauspielerin und Komödiantin Magdalena von Podolski (denn Adel verpflichtet) fast schon etwas kontrastreich – auf jeden Fall bunt. Und so ging es weiter: Vertreterinnen des Senioren Netzwerks Mülheim trugen Lyrik gegen Krieg und Gewalt vor, die NRhZ-LeserInnen in Teilen sogar bekannt sein dürfte; und eine junge Frau aus Köln-Kalk widmete dem Weltweiten Marsch für Frieden und Gewaltfreiheit ein bewegendes Gedicht.

(Weitere Bilder unten)


Ein Highlight der Veranstaltung war sicher das kurze Konzert der Hip-Hopperinnen Meditias aus Düsseldorf – wenn das nicht allein schon ein Zeichen für Völkerverständigung ist! Mitreißende Melodien und genial-kritische Texte heizten dem Publikum auf dem herbstlichen Heumarkt ein – wie in dem anti-kriegshit-verdächtigen Song „Contra la falsedad“: „Der kalte Krieg war toll, haufenweise Geld durch Angst /...heute verdient ihr noch mehr Geld durch Zerstörung / und nennt euch noch Befreier / Verteidiger des Guten / bekämpft und füttert Terrorismus, und die Welt muss bluten...“

Wer den Auftritt verpasst hat, sollte das dringend nachholen: wenigstens digital, wie auf der CD der beiden oder auf dem internationalen Sampler mit Liedern gegen Krieg und Gewalt zur Unterstützung des Weltweiten Marschs, der am 2. Oktober ebenfalls vorgestellt wurde.

Latimo Shana von Meditias Lili B. stellt Weltmarschsampler vor
Lilli B. stellt Weltmarsch-Musiksampler vor, eingerahmt von Latimo und Shana von Meditias | Foto: Wolfgang Geissler

Und weiter ging’s mit Frauenpower: Akrobatisch, ausdrucksstark und in jeder Hinsicht bewegend legte die „Mitternachtssport-Gruppe“ in Kooperation mit dem Interkulturellen Mädchentreff aus Köln-Mülheim eine Performance nach der anderen auf dem Heumarkt hin, bis dann zum Abschluss der Bühnenboden bebte (siehe Fotos unten). Die rund 200 Leute im Publikum waren ohnehin schon hin- und mitgerissen. So war es gut, dass Blue Flower dann kurz darauf wieder etwas ruhigere Töne anschlug, mit denen sie schon seit Jahren unermüdlich die Kölner Friedensbewegung begleitet.

Blue Flower mit dem „Wiegenlied von Bagdad“
Blue Flower begleitet von Margarete Menke auf dem Didgeridoo mit dem „Wiegenlied von Bagdad“ | Foto: Herbert Sauerwein/AF

Hanna Jaskolski ist ein integraler Bestandteil ebendieser Bewegung und scheut sich nicht, für ihre Überzeugungen auch ins Gefängnis zu gehen. „Ihr Einsatz kommt von Herzen, und verankert ist sie in der aktiven Gewaltfreiheit...“ erklärte Christine Schmidt die Symbole auf dem „Alternativen Tapferkeitsorden“, den die Zivil-Ungehorsame für ihren jahrelangen Protest vor Militärkasernen und Waffenarsenalen verliehen bekam – auch ein Seitenhieb gegen das Wiederauflebenlassen längst überholt geglaubter Rituale in der Bundeswehr und einen „Verteidigungsminister“, der deutsche Soldaten zur vermehrter Tapferkeit im vorgeblich „humanitären Einsatz“ in Afghanistan bewegen will.

Hanna Jaskolski empfängt die Alternative Tapferkeitsmedaille
Hanna Jaskolski empfängt die Alternative Tapferkeitsmedaille
Foto: Herbert Sauerwein/AF

Konsequenter Weise wurde von Welt ohne Kriege Köln für den 24. Oktober ein Marsch auf den Fliegerhorst Köln-Wahn, wo die Luftwaffe alle zentralen Entscheidungen in diesem Krieg trifft, angekündigt. Natürlich müssen die sozialen Einschnitte der alten und neuen Bundesregierung auch im Hinblick auf horrende wachsende Militärausgaben gesehen werden:
Stephan Otten DGB-Jugend Foto: Sauerwein
Stephan Otten, DGB-Jugend
Foto: Herbert Sauerwein/AF
Stephan Otten, Sprecher der DGB-Jugend Regio Köln wies auf die zunehmende Armut in Deutschland hin, und auch in Köln schneide die Schere zwischen Arm und Reich mittlerweile unübersehbar scharf. Vor allem nach den jüngsten Bundestagswahlen, sei es nun wichtig, an der Basis der Gesellschaft aktiv zu werden – selbstverständlich auch gewerkschaftlich.

Ein Vertreter der globalisierungskritischen Menschenrechtsorganisation FIAN stellte klar, dass es keinen Frieden geben könne, wenn sich nicht bald eine weltweite solidarische und gerechte Gesellschaft gründe. Und auch das Menschenrecht auf Ernährung, das eben vielen Menschen durch Kriege und deren Folgen genommen wird, gehört sicher dazu. Entrechtung, Landlosigkeit und Vertreibung, auch durch deutsche Großkonzerne, sind ganz reale Probleme in vielen Ländern: wie beispielsweise in Uganda, wo nach Recherche von FIAN die Neumann Kaffee Gruppe aus Hamburg (nach eigener Auskunft „weltweit führender Rohkaffeedienstleister“) die Vertreibung von Kleinbauern durch das Militär toleriert und sich seit acht Jahren weigert, mit den Opfern Gespräche zu führen.

Rabenkinder Foto: Leo Pellegrino
Rabenkinder: Virtuose Straßenmusiker auf der Bühne | Foto: Leo Pellegrino

So bleiben natürlich immer zuerst die Schwachen, allen voran Kinder auf der globalisierten Strecke. Da passte es, dass dann die Kölner Band Rabenkinder in unverwechselbarer blues-harmonischer Vokalkunst auch von einem „Broken Precious Child“ sangen.

Children of Lír ließen das dreistündige Bühnenprogramm mit Irish Folk ausklingen. Die musikalischen Wiederholungstäter vom Vorjahr waren dieses Mal nur zu zweit, was sie virtuos durch das Spielen gleich mehrerer Instrumente ausglichen – und dazu zählen ohne Zweifel nicht nur die glockenklare Stimme von Sängerin Diana, sondern auch ihre Schuhe: Leidenschaftliche Irische Steptanz-Einlagen bereicherten Traditionals wie den Antikriegssong „Mrs. McGrath“ und den ganzen Abend.

Zwei Children of Lír Foto: Sauerwein
Children of Lír – zu diesem Irland sagen auch wir „yes“
Foto: Herbert Sauerwein/AF

Zu den Klängen von „The Foggy Dew“ bildeten die Teilnehmer am Friedensfest im Fackelkreis ein leuchtendes „Zeichen der Gewaltfreiheit“, das mit einem besinnlichen Text daran gemahnte, dass jeder von uns etwas zu einer friedlicheren Welt beisteuern kann: aktiv und gewaltfrei. (CH)


Zeichen der Gewaltfreiheit Tag der Gewaltlosigkeit Foto: Herbert Sauerwein
Das Zeichen der Gewaltfreiheit bildet sich | Foto: Herbert Sauerwein/AF


Zeichen der Gewaltfreiheit Tag der Gewaltlosigkeit Children of Lir Foto: Herbert Sauerwein
Nils von Children of Lír fiddlet im Zeichen der Gewaltfreiheit...
Foto: Herbert Sauerwein/AF


Zeichen der Gewaltfreiheit Tag der Gewaltlosigkeit Foto: Herbert Sauerwein
...und ganz spontan steigt eine Party mit improvisierten „Give Peace a Chance“ und „We are the World“ | Foto: Herbert Sauerwein/AF

...und nochmal im Rückblick, weil's so schön war:

Shana und Latimo von Meditias Foto: Wolfgang Geissler
Denn die hatten sicher Mitschuld an der guten Stimmung: Shana und Latimo von Meditias | Foto: Wolfgang Geissler


Mitternachtssport Foto: Herbert Sauerwein
Die auch: die „Mitternachtssport-Gruppe“ des Interkulturellen Mädchentreffs
Foto: Herbert Sauerwein/AF


Mitternachtssport Tanz Foto: Wolfgang Geissler
Akrobatik hilft dabei, Unsicherheiten zu überwinden...
Foto: Wolfgang Geissler


Erika Maaßen Foto: Herbert Sauerwein
„Aus heimatlichem Hafen / zieht ihr einem Krieg entgegen / der nicht euer Krieg ist“: Erika Maaßen vom Senioren Netzwerks Mülheim | Foto: Sauerwein/AF


Lyrik Vanessa Katzmierowski Foto: Herbert Sauerwein
Doch Lyrik ist auch bei den jüngeren Generationen beliebt...
Foto: Herbert Sauerwein/AF


9 Grad Banane
„9 Grad Banane“ erbrachten den Beweis: „PEACE!“ geht nur im Team
Foto: Wolfgang Geissler

Online-Flyer Nr. 218  vom 07.10.2009



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