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Aktueller Online-Flyer vom 29. März 2024  

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Aktuelles
Jede Menge heiße Eisen in der letzten Sitzung des alten Stadtrats
Warum gingen die Stifter stiften?
Von Peter Kleinert

Vor der letzten Sitzung des amtierenden Kölner Stadtrates lagen die Streitthemen in der Luft. Da galt es den überraschenden Ausstieg des Stifterehepaars - dessen Namen die NRhZ nun auch nicht mehr nennen will - zu bewältigen und sich mit dem heißesten Thema der angestrebten Arbeitsgemeinschaft von SPD und Grünen im Rat zu beschäftigen: dem Godorfer Hafen. Aber auch die Archäologische Zone mit dem nun zu integrierenden Jüdischen Museum bot Anlass fürs Sammeln von Peinlichkeitspunkten. Ohne Probleme hingegen wurde der neue Platz des Stadtarchivs festgelegt.

“Schenkungsangebot“ zurückgezogen
 
Eine eilig beantragte Aktuelle Stunde zur Ratssitzung am 10. September sollte die Schuldfrage klären, wer im Saal die Verantwortung dafür trägt, dass die Stifter stiften gegangen sind, nachdem sie sich kurz zuvor per Anwalt darüber echauffiert hatten, dass die NRhZ nicht nur ihre Namen sondern sogar ihre Fotos veröffentlicht hatte (siehe “Das Stifter-Ehepaar, der Ehrenbürger und das Stadtmuseum im Zeughaus - Alles aus Liebe zu Köln?“ in NRhZ 209 unter http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=14112). Das Ehepaar, das den mehrere Millionen Euro teuren Erweiterungsbau für das Kölnische Stadtmuseum der Stadt angeblich “schenken“ wollte, hatte nämlich genau einen Tag vor der Ratssitzung (am Schnapszahl-Hochzeitstag 09.09.09) erklärt, dass man sich einer unsachlichen und bösartigen Diskussion ausgesetzt sähe und deswegen das Schenkungsangebot zurückziehe.
 
„Bedenken statt Bedanken“
 
„Die Stadt steht vor einem kulturellem Scherbenhaufen“ stellte dazu der Vorsitzende der CDU-Ratsfraktion Winrich Granitzka in einer aktuellen Bestandsaufnahme der Kölner Kulturpolitik fest. Die Hauptverantwortlichen für das „Desaster“ seien die Grünen und die Linke. Als ganz besonders beschämend empfand Granitzka, dass die Genannten nach der Devise „Bedenken statt Bedanken“ gehandelt hätten. Eine schöne Steilvorlage für die Grünen-Vorsitzende Barbara Moritz, die Granitzka darauf aufmerksam machte, dass in dem Wort „Bedenken“ „Denken“ stecke, was ihm, Granitzka, keineswegs schaden würde. Außerdem bescheinigte die Grüne Ralph Sterck von den Liberalen, dass dieser sich „besonders lümmelhaft“ benehme, hatte doch auch er vornehmlich bei den Grünen die Schuld für den „schwarzen Tag für die Stadt Köln“ gesehen.
 
DIE LINKE - von der CDU ebenfalls als Spiel- und Geschenkverderber ausgemacht - ließ sich nicht auf diese Anwürfe ein. Ihr Vorsitzender Jörg Detjen legte nochmals dar, warum sie die Stifter nur bedingt mit offenen Armen empfangen habe, denn deren Bedingungen hätten „vergaberechtliche Ungereimtheiten“ mit sich gebracht. Und nach dem Skandal der Messehallen brauche Köln keine neuen schlechten Erfahrungen in Sachen Vergaberecht. Die SPD hatte zuletzt im Hauptausschuss - wenige Wochen vor der Ratssitzung - auch Fragen gestellt, sich damit nach der Granitzka-Auslegung von „Bedenken“ und „Bedanken“ wenigstens halb schuldig gemacht und suchte nun im Angriff die Verteidigung. Ziel: die Kulturverwaltung und deren Chef, Georg Quander. Der habe nicht eingegriffen, um die mehrjährige Odyssee der Stifter durch die Stadtverwaltung rechtzeitig zu beenden. Die entscheidenden Fehler seien gemacht worden, „bevor sich vor einem Jahr die Politik einschalten musste“, erklärte SPD-Fraktionschef Martin Börschel. Die Verwaltung habe „durch Aussitzen, Hängenlassen und falsch gelegte Fährten“ der Stifterkultur geschadet. Fraktionsübergreifende Einigkeit gab es am Ende dennoch - zumindest in verbalen Bekundungen des Bedauerns und als Noch-Oberbürgermeister Fritz Schramma die Sache für erledigt erklärte: Das Ergebnis dieser Aktuellen Stunde lasse sich weder beschließen noch in eine weitere Beratungsrunde verweisen.
 
Der Godorfer Hafenkomplex
 
Schon vor der Ratsitzung hatten auf dem Rathausplatz rund 50 Gegner der Godorfer Hafenerweiterung Trömmelchen gespielt und Transparente hochgehalten, um Grüne und FDP in ihren Ratsanträgen zu bestärken. Helmut Feld, Sprecher der Ausbaugegner, forderte CDU und SPD auf, „von dem toten Pferd abzusteigen“, das beide seiner Auffassung nach in der Ausbaufrage reiten. Während Grüne und FDP anschließend im Rat - unter Berufung auf das von den Hafengegnern erstrittene Verwaltungsgerichtsurteil den endgültigen Baustopp forderten, mochte die CDU ihre innerparteiliche Zerrissenheit in dieser Frage nicht so gerne zur Schau stellen und suchte Wege um eine peinliche Debatte zu umgehen. Es mag sein, dass der fromme Wunsch von Barbara Moritz an Winrich Granitzka, dass ihm Denken nicht schade, hier unmittelbar gewirkt hatte. Denn sein Antrag zur Geschäftsordnung, den Antrag der Grünen und der FDP für gegenstandslos zu erklären, weil der darin geforderte Baustopp ja schon temporär vom Gericht verhängt worden sei, war in den Augen der Ausbaugegner im Rat zwar nicht fair, aber richtig clever: In der geheimen Abstimmung befanden nämlich von 87 abgegeben Stimmen 51, dass der CDU-Chef Recht habe. Wenn es drauf ankommt, funktioniert die Parteidisziplin bei SPD und CDU eben meistens doch. Offen bleibt jedoch, wie die beiden Fraktionen sich verhalten werden, wenn demnächst auch das Oberverwaltungsgericht gegen den weiteren Hafenausbau entscheiden sollte. Und offen bleibt auch, ob die Grünen angesichts dieser Haltung der SPD zur Zerstörung der Sürther Aue in die von Jürgen Roters angestrebte Koalition einsteigen werden.
 
Historisches Archiv zum Eifelwall
 
Das zerstörte Stadtarchiv soll nun in der Südstadt am Eifelwall neu gebaut werden. Kunst- und Museumsbibliothek sowie das Rheinische Bildarchiv sollen in dem Neubau ebenfalls ihren Platz finden. Mit dieser Entscheidung stimmte der Stadtrat einem Vorschlag der Verwaltung zu, der schon seit längerem öffentlich diskutiert worden war, weil die möglichen Standorte Severinstraße und Gereonshof sich als zu kostspielig erwiesen hätten. Laut Verwaltung werden die Kosten knapp 100 Millionen Euro betragen. Sie sollen aber durch die nun einstimmig beschlossene Gründung einer Stiftung für die städtische Gebäudewirtschaft als Bauherren so niedrig wie möglich gehalten werden. Die Stadt selbst wird in die Stiftung fünf Millionen Euro einbringen und die Miete an die Gebäudewirtschaft zahlen. Ob das beim Stadtmuseum ausgestiegene Stifterehepaar sich an dieser Stiftung beteiligen wird, war bei Redaktionsschluß noch nicht bekannt. 
 
Jüdisches Erbe in den Ratskeller?
 
Als „provinziell und peinlich“ für die Partei, bezeichnete der SPD-Vorsitzende Martin Börschel die Begründung eines CDU-Änderungsantrags zur Archäologischen Zone und dem integriertem Jüdischen Museum im Umfeld des Rathauses, weil darin die Absicht enthalten sei, das historische jüdische Erbe im Ratskeller ausstellen zu wollen. Die CDU hatte nämlich im guten Glauben, Volkes Meinung zu vertreten, erneut gefordert, die Bebauung des Rathausvorplatzes möglichst klein zu halten. Gerade mal Schutzbauten über den Grabungen für die Archäologische Zone - mehr solle dort nicht hin, und das Jüdische Museum solle an einem anderen Ort gebaut werden. Die Ratsmehrheit entschied anders, und so wird das Jüdische Museum nun Ausstellungsflächen in dem Gebäude erhalten, das zum Schutz der Ausgrabungen in der Archäologischen Zone errichtet werden wird. Grüne, FDP und Linke stimmten gemeinschaftlich mit der SPD und begrüßten, dass sogar Oberbürgermeister Fritz Schramma ihnen zustimmte und sich nicht seinen Parteifreunden anschloss. Die Architekten haben den ursprünglichen Entwurf mittlerweile überarbeitet und das Gebäudevolumen um 20 Prozent verkleinert. Dadurch wird der Bau deutlich vom Wallraf-Richartz-Museum abrücken und es entsteht ein neuer Platz – so zumindest versprechen es die Planer. (PK)  

 

Online-Flyer Nr. 214  vom 11.09.2009

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