NRhZ-Online - Neue Rheinische Zeitung - Logo
SUCHE
Suchergebnis anzeigen!
RESSORTS
SERVICE
Unabhängige Nachrichten, Berichte & Meinungen
Aktueller Online-Flyer vom 19. April 2024  

Fenster schließen

Lokales
Nationalistische Eintrübung im Rathaus Düsseldorf-Gerresheim verhindert
Deutschland-Fahne wieder nicht gekauft
Von Bettina Ohnesorge

Seit knapp zwei Jahren wird im Gerresheimer Rathaus zu Düsseldorf darüber gestritten, ob die Deutschland-Fahne im Saal aufgestellt wird und wer die Anschaffung finanzieren soll. Aktuell scheiterte die CDU-Fraktion erneut mit einem entsprechenden Antrag. Sie hatte gefordert, die Flaggen von Deutschland, NRW und Düsseldorf mit Ständern anzuschaffen und „die hierfür erforderlichen Finanzmittel der Haushaltsstelle für Bezirksvertretungen zu entnehmen“. Ihr Fraktionsvorsitzender Klöpper zog seinen Antrag zurück, als ihm deutlich wurde, dass er dafür erneut keine Mehrheit bekommen würde.

Offizielle Fahne der deutschen Minderheit in Jugoslawien
Foto: Bettina Ohnesorge
 
Abstimmungsergebnis einmalig
 
Am 22. August 2006 war beschlossen worden: „Die Verwaltung bzw. der Bezirksvorsteher werden gebeten, im Sitzungssaal der BV 7 jeweils zu den Sitzungen der Bezirksvertretung, analog zum Ratsbeschluss vom März 2006“, die Flaggen anzubringen. Bei dem neuerlichen Versuch, die Fahnen dauerhaft zu implementieren, “vergaß“ die CDU allerdings den Hinweis auf das Abstimmungsergebnis von 2006. Von den 19 stimmberechtigten Mitgliedern beteiligten sich nur 12 an der Abstimmungsfarce zum Tagesordnungspunkt 20. Der damalige “Kleine Bürgermeister“ von Gerresheim, Günter Pruchniewski (CDU), erklärte, er werde an Beratung und Abstimmung nicht teilnehmen. Zwei weitere Mitglieder der CDU fehlten entschuldigt bei der Sitzung. Damit verfügte die CDU nur noch über 6 von 19 Stimmen. Die endgültige Abstimmung wurde dann allerdings zu einer richtigen Klatsche für die CDU: Für den Antrag gab es 4 Stimmen von der CDU, dagegen stimmten Grüne (2) und DKP (1). Dazu gab es 9 Enthaltungen: von der SPD (5), von der CDU (2) und von der FDP (2). Das Abstimmungsergebnis von 4:3 Stimmen hat in der Geschichte des Gerresheimer Rathauses einen einmaligen Stellenwert bekommen.
 
Der “Kleine Bürgermeister“
 
Selbst die merkantile Begründung des damaligen CDU-Fraktionsvorsitzenden Hanno Bremer, der jetzt der “Kleine Bürgermeister“ in Gerresheim ist, hatte nicht gefruchtet: „Die Kosten für das Anliefern, Ausleihen und Abholen der drei Fahnen nebst Fahnenständer betragen pro Sitzung 128 € (bisher 98,18 €). Die Fahnen stammen von der Düsseldorfer Marketing und Tourismus GmbH. Die Anschaffungskosten von ca. 500 € hätten sich also in max. 4 Monaten amortisiert.“ Die Stadt berechnet sich in diesem Fall selber die Leihgebühren, denn die Düsseldorfer Marketing und Tourismus GmbH ist ein städtischer Betrieb. Nachteil für Bremer: Er muss die “Miete“ aus eigenem Etat begleichen.
 
“Liberaler Nationalstolz“
 
Enttäuschend mag 2006 für die Empfänger der Abstimmungsniederlage auch gewesen sein, dass die Befürworter aus der CDU vergeblich auf die „positive Grundeinstellung Millionen friedlicher Deutscher zu ihrer Fußballnationalmannschaft während der Fußball-WM“ hingewiesen hatten. Die flaggenbehaftete Selbstdarstellung der Fußballfans war äußerst beschönigend als „Ausdruck eines neuen liberalen Nationalbewusstseins“ interpretiert worden. Dieser politische Erkenntniszuwachs der Fußball-Zuschauer habe „auch im Ausland für Überraschung gesorgt“ und sei „überwiegend positiv aufgenommen worden“. Abschließend war als Begründung angeführt worden, dass durch die Flaggen der wieder gewonnene liberale Nationalstolz und das Heimatbewusstsein der Zuschauer gestärkt werden könnten. Gemeint waren hierbei wohl nur die Zuschauer im Gerresheimer Rathaus und nicht die in der Düsseldorfer Fußball-Arena oder an der “längsten Theke der Welt“ in der Düsseldorfer Altstadt.
 
Uwe Koopmann, der Vertreter der DKP im Gerresheimer Rathaus, wurde beschimpft, dass er doch auch zustimmen würde, wenn hier die DDR-Fahne oder gar eine rote Fahne mit Hammer und Sichel oder Sowjetstern aufgestellt würde. Dabei hatte Koopmann nur differenziert auf die ambivalenten Interpretationen zu den Farben Schwarz, Rot und Gold in der deutschen Geschichte hingewiesen.
 
CDU steht dumm da
 
Bremer mochte die Niederlage schon geahnt haben, als er einschränkte, ihm sei „durchaus bewusst, dass der Bezirksvorsteher (“Kleiner Bürgermeister“) in Ausübung seines Hausrechtes selbst über die Ausstaffierung des Sitzungssaales entscheiden kann; der Antrag solle daher „als Anregung dienen“. Auch der Hinweis auf den Düsseldorfer CDU-Oberbürgermeister half nicht, denn auch der hatte – so die FDP – den Ratsbeschluss vom 9. März 2006 nicht umgesetzt und dadurch ebenfalls von seinem Hausrecht Gebrauch gemacht.
 
Zur aktuellen Beratung zu den “Flaggen im Gerresheimer Rathaus“ war die CDU vollständig angetreten. Als sich allerdings eine erneute Niederlage für die CDU abzeichnete, schlug ihr Fraktionsvorsitzender Klöpper äußerst erregt auf den Tisch und beschimpfte besonders die beiden FDP-Vertreter, dass sie „mit dem da“, dem Mann von der DKP, abstimmen würden. Die FDP hatte argumentiert, dass der CDU-Antrag unglaubwürdig sei, denn diese Partei sei nicht liberal. Die Grünen schlugen vor, den CDU-Antrag in einem Buchstaben zu ändern: Statt zu beschließen, die Flaggen „anzuschaffen“, solle es heißen, die Flaggen „abzuschaffen“. Die SPD hielt es für möglich, die Fahnen in kleinerem Format aufzustellen. Uwe Koopmann erinnerte erneut an die Ambivalenz der Fahnenschwenker und das – im Vergleich zu heute – unzureichende Demokratieverständnis auch der Revolutionäre von 1848. Wenn es der gesellschaftlichen und politischen Entwicklung in Deutschland entsprechen würde, hätte er vermutlich der “deutschen Fahne“ im ehemaligen Jugoslawien zugestimmt: Schwarz, Rot, Gold mit rotem Stern. (PK) 

Online-Flyer Nr. 200  vom 03.06.2009



Startseite           nach oben