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Aktueller Online-Flyer vom 28. März 2024  

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Lokales
Wahlkampfauftakt der Linken
Europa ist in Köln
Von Hans-Dieter Hey und Hans-Detlev v. Kirchbach

Die Bundesregierung weigere sich bisher, einen Sozialtarif für Strom und Gas durchzusetzen, der vom Europaparlament längst beschlossen wurde, wetterte Jörg Dejten, Fraktionsvorsitzender der Linken im Kölner Rat am Dienstag auf dem Heumarkt. Dies verhindere, dass es in Köln einen Sozialtarif gäbe. Detjen machte so deutlich, wie europäischen Entscheidungen direkt auf uns wirken können - oder eben nicht. Mit dem Beispiel wurde am Dienstag der Europawahlkampf für Kölner Partei DIE.LINKE eingeläutet.
Unterstützung kam durch Oskar Lafontaine, Lothar Bisky und der Spitzenkandidatin der Linken, Gisela Stahlhofen, die sich durch den strömenden Regen nicht hindern ließen.


Trotz zunächst strömenden Regens... 


....füllte sich der Platz und die Stimmung stieg.

Kein Sozialtarif für Strom und Gas in Köln

DIE.LINKE im Kölner Rat konnte vor einigen Jahren die Durchsetzung des bekannten Köln-Passes als Erfolg verbuchen. In diesen schwierigen Zeiten liegt ihr nun die Durchsetzung eines Sozialtarifs für Energie am Herzen. „Gerade in der jetzigen Krise seien soziale Mindeststandards notwendig“, so Detjen. Auf Initiative der Linken beschloss der Kölner Rat einen Sozialtarif für Strom und Gas, den auch die Verbraucherzentrale NRW fordert. Man bezog sich auf eine Charta des Europaparlaments zur Stärkung der Verbraucher, die einen solchen Sozialtarif vorsieht. Hartnäckig würde sich die Bundesregierung allerdings weigern, einen solchen Beschluss umzusetzen. „Unsere Ratsfraktion wird aber nicht locker lassen“, so Detjen zuversichtlich.


Gisela Stahlhofen - Jörg Detjen

Gisela  Stahlhofen, Spitzenkandidatin der Linken in Köln für das Europaparlament will sich vor allen dafür einsetzen, dass endlich Schluss mit den kommunalen Ausgliederungen und Privatisierungen ist und die ausgegliederten Betriebe wieder re-kommunalisiert werden. Seit Jahren würden bisher funktionierende öffentliche Betriebe dem Markt überlassen mit entsprechenden Folgen für den Rückgang der Löhne der Menschen. Sie trete ein, das für gute Arbeit auch wieder gute Löhne gezahlt werden müssten. „Es muss aufhören, dass sich Arbeitgeber wie z.B. die Riehler Heimstätten aus der Tarifbindung herausstehlen können“, so Stahlhofen gegenüber der NRhZ.

„Tausende werden dort gekillt“


Lothar Bisky, Vorsitzender der Partei Die.Linke und der Europäischen Linken, verwies auf die grundsätzlichen Chancen, die in Europa lägen. Durch Europas Vielfalt wären wir geeignet, die weltweiten Herausforderungen zu lösen. Doch es müssten andere Weichen gestellt werden, als bisher. Vor allem müsse der menschenverachtende Umgang an den EU-Außengrenzen abgeschafft werden. „Tausende werden dort gekillt“, so Bisky. Schwerpunkt der Linken sei vor allem auch die Stärkung der öffentliche Daseinsvorsorge.


Lothar Bisky
Denn „Bildung, Forschung, Gesundheitsfürsorge, der Öffentliche Personennahverkehr, Kultur und Medien müssen für alle zugänglich sein oder werden. Das ist das Rückrat unserer Demokratie“. Bisky bezog sich damit auf die Ungleichheit in Deutschland und forderte mehr Gerechtigkeit. „Zu einer Zeit, in der eine Verkäuferin hierzulande wegen fehlender 1,30 Euro in der Kasse entlassen wird, aber die Abfindungen der Manager schwindelerregende Höhen erreichen und in der Herr Ackermann von der Deutschen Bank auch heute noch ganz zynisch 25 Prozent Rendite fordern kann, muss die Linke Millionäre zur Kasse bitten.“ Doch bisher werde der Vertrag von Lissabon von einer neoliberalen Wirtschaftspolitik getragen, die nun fortgesetzt zu werden drohe, obwohl sie gezeigt habe, dass sie in die schwerste Krise seit 80 Jahre geführt habe. „Und was noch schwerer wiegt: Der Vertrag ebnet den Weg zu einem Kerneuropa, dass militärisch aufrüstet.“

Hartz IV europafeindlichstes Gesetz

Seit der Einführung von Hartz IV habe Deutschland den größten Niedriglohnsektor aller Industriestaaten. Es hätte nämlich für ganz Europa Folgen gehabt, dass man in Deutschland Arbeit zu allen Bedingungen annehmen müsste, auch, wenn nur die Hälfte bezahlt würde. „Allein deshalb schon muss Hartz IV weg, es gibt keinen anderen Weg“, so Lafontaine.
Lafontaine wies auf die jetzt entstehenden Folgen der Finanz- und Wirtschaftskrise. Für DIE.LINKE sei klar, wer für die Folgen aufkäme. Längst hätten deshalb CDU, FDP und Grüne vor, weiter die Sozialausgaben zu kürzen und Lohndumping zu betreiben.

Heftige Schelte teilte Lafontaine für die Medien aus. Die seien in Deutschland nicht neutral. „sie sind die Sprachrohre des Geldes. Vergesst dies nie. Sie wollen nicht, dass die Linke stark wird.“ Beispielsweise würde kaum darüber berichtet, dass die Partei DIE.LINKE fordere, dass das Kurzarbeitergeld nicht besteuert wird, damit KurzarbeiterInnen Steuernachzahlungen erspart blieben. „Sie haben genug daran zu beißen, dass sie nur noch 67 Prozent ihrer Bezüge haben.“ DIE.LINKE habe außerdem im Bundestag eingebracht, die Zinsen für private Überziehungskredite auf fünf Prozent über dem Satz der Zentralbank zu begrenzen, dass würde vielen Menschen aus ihrer Not helfen. Gefordert würde außerdem eine Anhebung des Hartz-IV-Satzes zunächst auf 435, später auf 500 Euro. Das sei durchaus bezahlbar, doch alle anderen seien dagegen. Außerdem wurde vorgeschlagen, dass bei einer Einzahlung in die Arbeitslosenversicherung von beispielsweise 30 Jahren auch 30 Monate Arbeitslosengeld bezahlt werden müsse, und nicht nur 12 Monate wie bisher.


Oskar Lafontaine

Lafontaine geißelte die regelmäßig ins Fernsehen eingeladenen „großen“ Ökonomen. „In Deutschland kann man den Nobelpreis bekommen, wenn man drei Dinge sagt: Erstens, die Löhne sind zu hoch. Zweitens, die Steuern sind zu hoch, drittens die sozialen Leistungen sind zu hoch.“ Irgendein „Plattkopf“ – so Lafontaine – habe im Fernsehen gesagt, wenn der Mindestlohn eingeführt werde, würden zwei Millionen Arbeitsplätze verloren gehen. „Dann müssten aber in ganz Europa nur Idioten am Werk sein“, meinte Lafontaine im Hinblick auf die Mindestlohnstandards in anderen europäischen Ländern. Demokratie sei, wenn der Wille der Mehrheit der Menschen Berücksichtigung finde. Das sei bei uns in diesem Sinne nicht mehr gegeben. Denn wenn Löhne, Renten und Sozialleistungen sinken, würden die Interessen der Mehrheit der Menschen nicht mehr berücksichtigt.

Linke fordert politischen Streik

Lafontaine kritisierte auch die zögerliche Haltung der Gewerkschaften auf der Demonstration am 16. Mai in Berlin. Solche gewerkschaftlichen Proteste reichten heute längst nicht mehr aus. Er forderte deshalb einen politischen Streik, damit die Regierung diese Gesetze wie Hartz IV wieder zurück nimmt. „Wenn die Produktion erst mal lahm gelegt wird, dann werden sie wach und dann werden sie lernen, dass das Volk bestimmen muss, was in unserer Demokratie geschieht.“ Eine weitere Forderung der Linken sei, dass die Menschen, die die Milliarden in den Unternehmen erwirtschaftet hätten, an den Unternehmen auch beteiligt werden und mitbestimmen müssten, was dort geschieht.

Der Linken werde überdies regelmäßig vorgeworfen, dass ihre Vorschläge unbezahlbar seien. Doch allein die Einführung einer Vermögenssteuer wie in Großbritannien würden jährlich 90 Mrd. Euro in den Staatshaushalt spülen. Die Einführung einer Börsenumsatzsteuer von nur einem Prozent hätten bereits im letzten Jahr der Staatskasse 70 Mrd. Euro Mehreinnahmen gebracht. Niemand von den anderen Parteien hätte diese Vorschläge der Linken bisher wiederlegen können. Dies werde aber in den Medien kaum wiedergegeben.

Schließlich nahm Lafontain Bezug zur deutschen Außenpolitik: „Wir sind die einzige Partei, die das Völkerrecht zur Grundlage der Außenpolitik machen will.“ Er verwies auf die „Verlogenheit“ bisheriger Außenpolitik hinsichtlich der Kriege, an denen Deutschland beteiligt ist. Statt weiterer Aufrüstung könnten aber mit der Verkürzung militärischer Mittel Millionen von Menschen vom Hungertod gerettet werden oder 12 Millionen vor Krankheit bewahren.

Die anderen Parteien würden ein Erstarken der Linken wohl deshalb fürchten, weil „sie die ganzen Ferkeleien, die sie jetzt schon in der Schublade haben, dann nicht durchführen könnten“.

Zusammenschnitte aus den Reden von Lothar Bisky und Oskar Lafontaine finden unserer Leserinnen und Leser im Anschluss. Die gelegentlich auftretende mäßige Tonqualität aufgrund des akustischen Umfeldes bitten wir zu entschuldigen. (HDH)


Flashplayer für audiodateien mp3:
Oskar Lafontaine
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Lothar Bisky
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Online-Flyer Nr. 199  vom 27.05.2009



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