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Literatur
Aus „An Deutschland gedacht“ – Lyrik zur Lage der Nation
Nadelstreifen-Small-Talk-Blues
Von Rolly Brings
Was haben die bloß? Was ist passiert?
Betrieb geschlossen? Wegradiert?
Er hat sich nun mal nicht rentiert:
W.e.g.r.a.t.i.o.n.a.l.i.s.i.e.r.t.
Wenn’s Management nicht funktioniert,
ist die Belegschaft eben angeschmiert.
Der Hauptaktionär hat protestiert,
will mehr Profit. Und wer verliert?
Der Aktionär? Der Großkonzern?
Sag, kommst du von 'nem andren Stern?
Der Betrieb wird dichtgemacht,
hat genug Gewinn gebracht.
Arbeitsplätze werden gekillt:
Kein Gesetz, das uns aufhält.
Profite waren toll – na schön.
Die Typen könn'n ja stempeln gehn.
Für'n Unternehmer der Profit,
und die Belegschaft kriegt 'nen Tritt.
Und trifft er auch ins volle Leben:
Es soll ja noch Hartz IV da geben.
Der Gewinn wird transferiert:
Man weiß ja nie, was noch passiert.
Wir? Steuern zahlen? Bürgersinn?
Ja, wo kämen wir denn da hin?
Das Riesen-Arbeitslosenheer
nutzt der freien Wirtschaft sehr.
Wenn tausend vor der Türe stehn,
duckt das Volk – du wirst schon sehn.
Will so'n Typ den Job behalten,
soll er malochen, Schnauze halten.
Und auch auf Tarif verzichten!
Berlin und Brüssel werden's schon richten.
Die schnüren schon das Sparpaket.
Die Lüge kommt – die Wahrheit geht.
Was soll das heißen: Wahlversprechen?
Versprechen kann man immer brechen.
Und mucken die auf und streiken sogar,
so wie das früher einmal war,
wird’s Notstandsgesetz hervorgeholt:
Wofür kriegt Bundeswehr denn Sold?!
Das Volk, das schüchtern wir schon ein,
und die Gewerkschaft kriegen wir auch noch klein.
Es sei denn, es sei denn,
wir hätten uns verkalkuliert:
Die stünden auf – organisiert –
und spielten nicht mehr unser Spiel,
weil ihr starker Arm nicht will.
Es sei denn, es sei denn,
die wären nicht mehr schlapp und feig:
und machten wirklich – das wär fatal –
oh, Sankt Kapital, behüt uns all!
und machten wirklich mal den großen Streik.
Da wird man von einem renommierten Herausgeber aufgefordert, für eine Anthologie (was ja bekanntlich Blütenlese bedeutet), die in einem kleinen, aber feinen und bekannten Verlag erscheinen soll, Gedichte zur Lage des Landes einzureichen. Und was tut man? Man schickt Gebrauchs-, Tages- wenn nicht gar Wegwerflyrik ein.
Aber so ist das: Man wird angerufen von Gewerkschaften, Kommunen und Initiativen, an einer Kundgebung gegen Lohnabbau, Entlassungen, Aufmärsche von alten und neuen Nazis, Rassisten, Fremdenfeinden, Antisemiten usw. usf. mit seinen Liedern mitzuwirken.
Rolly Brings und Sohn bei Anti „Pro-Köln“ Kundgebung vor der Ehrenfelder DITIB-Moschee 2009 | Foto: Christian Heinrici
Oder man organisiert selbst solch eine Aktion. Da setzt man sich also hin und schreibt, denn die Veranstaltung ist bald, sehr bald. Was kommt dabei raus? Na, eben das, was man jetzt lesen kann. Antwort auf eine Schieflage in dem Teil des Landes, in dem man wohnt, das man kennt und trotzdem liebt, das man mitgestalten will.
Klar, die Gelegenheit, so richtig lyrische Gedichte für eine Anthologie mit so vielen Top-Namen der deutschsprachigen Lyrikszene einzureichen, ist total verpasst. Was aber sagt die empfindsame Poetenseele dazu, was das ästhetische Ego?
Nun, denen geht es so schlecht nicht. Diese Schnelltexte werden auf Tausende von Homepages gesetzt, von Veranstaltern auf Tausende von Flugblättern gedruckt und verteilt, von Hunderten, manchmal Tausenden Menschen gehört, gelesen und mitgesungen. Viele von diesen Menschen wird man selten in der Lyrikabteilung einer Buchhandlung antreffen..
Das alles, seit Jahrzehnten erlebt, beobachtet und durchdacht, ist Grund genug, diese Gebrauchs-, und Tages- und Wegwerflyrik ins Spiel zu bringen. Tiefsinnige, ausgefeilte, hermetische Gedichte kann man ja morgen schreiben – oder übermorgen.
(CH)
Online-Flyer Nr. 199 vom 27.05.2009
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Aus „An Deutschland gedacht“ – Lyrik zur Lage der Nation
Nadelstreifen-Small-Talk-Blues
Von Rolly Brings
Was haben die bloß? Was ist passiert?
Betrieb geschlossen? Wegradiert?
Er hat sich nun mal nicht rentiert:
W.e.g.r.a.t.i.o.n.a.l.i.s.i.e.r.t.
Wenn’s Management nicht funktioniert,
ist die Belegschaft eben angeschmiert.
Der Hauptaktionär hat protestiert,
will mehr Profit. Und wer verliert?
Der Aktionär? Der Großkonzern?
Sag, kommst du von 'nem andren Stern?
Der Betrieb wird dichtgemacht,
hat genug Gewinn gebracht.
Arbeitsplätze werden gekillt:
Kein Gesetz, das uns aufhält.
Profite waren toll – na schön.
Die Typen könn'n ja stempeln gehn.
Für'n Unternehmer der Profit,
und die Belegschaft kriegt 'nen Tritt.
Und trifft er auch ins volle Leben:
Es soll ja noch Hartz IV da geben.
Der Gewinn wird transferiert:
Man weiß ja nie, was noch passiert.
Wir? Steuern zahlen? Bürgersinn?
Ja, wo kämen wir denn da hin?
Das Riesen-Arbeitslosenheer
nutzt der freien Wirtschaft sehr.
Wenn tausend vor der Türe stehn,
duckt das Volk – du wirst schon sehn.
Will so'n Typ den Job behalten,
soll er malochen, Schnauze halten.
Und auch auf Tarif verzichten!
Berlin und Brüssel werden's schon richten.
Die schnüren schon das Sparpaket.
Die Lüge kommt – die Wahrheit geht.
Was soll das heißen: Wahlversprechen?
Versprechen kann man immer brechen.
Und mucken die auf und streiken sogar,
so wie das früher einmal war,
wird’s Notstandsgesetz hervorgeholt:
Wofür kriegt Bundeswehr denn Sold?!
Das Volk, das schüchtern wir schon ein,
und die Gewerkschaft kriegen wir auch noch klein.
Es sei denn, es sei denn,
wir hätten uns verkalkuliert:
Die stünden auf – organisiert –
und spielten nicht mehr unser Spiel,
weil ihr starker Arm nicht will.
Es sei denn, es sei denn,
die wären nicht mehr schlapp und feig:
und machten wirklich – das wär fatal –
oh, Sankt Kapital, behüt uns all!
und machten wirklich mal den großen Streik.
Da wird man von einem renommierten Herausgeber aufgefordert, für eine Anthologie (was ja bekanntlich Blütenlese bedeutet), die in einem kleinen, aber feinen und bekannten Verlag erscheinen soll, Gedichte zur Lage des Landes einzureichen. Und was tut man? Man schickt Gebrauchs-, Tages- wenn nicht gar Wegwerflyrik ein.
Aber so ist das: Man wird angerufen von Gewerkschaften, Kommunen und Initiativen, an einer Kundgebung gegen Lohnabbau, Entlassungen, Aufmärsche von alten und neuen Nazis, Rassisten, Fremdenfeinden, Antisemiten usw. usf. mit seinen Liedern mitzuwirken.
Rolly Brings und Sohn bei Anti „Pro-Köln“ Kundgebung vor der Ehrenfelder DITIB-Moschee 2009 | Foto: Christian Heinrici
Oder man organisiert selbst solch eine Aktion. Da setzt man sich also hin und schreibt, denn die Veranstaltung ist bald, sehr bald. Was kommt dabei raus? Na, eben das, was man jetzt lesen kann. Antwort auf eine Schieflage in dem Teil des Landes, in dem man wohnt, das man kennt und trotzdem liebt, das man mitgestalten will.
Klar, die Gelegenheit, so richtig lyrische Gedichte für eine Anthologie mit so vielen Top-Namen der deutschsprachigen Lyrikszene einzureichen, ist total verpasst. Was aber sagt die empfindsame Poetenseele dazu, was das ästhetische Ego?
Nun, denen geht es so schlecht nicht. Diese Schnelltexte werden auf Tausende von Homepages gesetzt, von Veranstaltern auf Tausende von Flugblättern gedruckt und verteilt, von Hunderten, manchmal Tausenden Menschen gehört, gelesen und mitgesungen. Viele von diesen Menschen wird man selten in der Lyrikabteilung einer Buchhandlung antreffen..
Das alles, seit Jahrzehnten erlebt, beobachtet und durchdacht, ist Grund genug, diese Gebrauchs-, und Tages- und Wegwerflyrik ins Spiel zu bringen. Tiefsinnige, ausgefeilte, hermetische Gedichte kann man ja morgen schreiben – oder übermorgen.
(CH)
Online-Flyer Nr. 199 vom 27.05.2009
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