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Literatur
Antje Babendererdes erster Krimi mit dem indianischen Detektiv Adam Cameron
„Starlight Blues“
Von Uli Klinger

Adam Cameron ist Journalist und Privatdetektiv in Seattle – ein indianischer Privatdetektiv. Als Dreijähriger wurde er von einem weißen Ehepaar adoptiert, das ihm seine Herkunft vorenthielt und das Wissen darum mit ins Grab nahm. Als ihn in seinem Büro ein Telefonanruf aus Winnipeg erreicht, ist er wie elektrisiert: Der Nachname des Anrufers ist Blueboy, und das ist auch Adams indianischer Name.

Robert Blueboy bittet ihn herauszufinden, warum sein damals siebzehnjähriger Bruder Daniel vor zehn Jahren den Kältetod sterben musste. Daniel war aus einer Besserungsanstalt ausgebrochen und Tage später außerhalb der Stadt gefunden worden: Nur leicht bekleidet im Schnee war er jämmerlich erfroren. Alles deutet auf einen tragischen Unglücksfall hin. Doch warum trug der tote Junge nur einen Schuh?

Und obwohl Adam für Kanada keine Lizenz als Privatdetektiv besitzt und außerdem eine unerklärliche Schnee- und Kältephobie hat, fliegt er im Januar nach Winterpeg, wie die Winnipegger ihre Stadt nennen.

Sonnenaufgang über Winnipeg, die Schrift der Cree Fotos: Ansgar Walk Diderot Zusammenführung: Heinrici
Sonnenaufgang über Winnipeg, und die Schrift der Cree in den Himmel geschrieben | Fotos: Ansgar Walk, Diderot | Zusammenführung: Heinrici

Zunächst ist alles Routine. Adam befragt Leute und versucht sich ein Bild von dem toten Jungen zu machen. Nach und nach kommt er der Wahrheit auf die Spur. Doch plötzlich überstürzen sich die Ereignisse, und Adam sieht sich mit seinen furchtbarsten Ängsten konfrontiert.

Soweit eigentlich alles nur ein ganz normaler Krimistoff, könnte man oder frau meinen. Doch Antje Babendererde übertrifft sich wieder einmal selbst. Hervorragend schildert sie die Detektivfigur des Adam Cameron, der in seinem ganzen Zwiespalt porträtiert wird: einerseits der „moderne“ Amerikaner, erwachsen, gut situiert, verheiratet, Vater von 2 Kindern; und andererseits der Amerikaner indianischer Abstammung, der um Sitten und Gebräuche weiß, die stellenweise hoffnungslose Lage seiner Kultur kennt (ohne irgendetwas zu beschönigen oder schönzureden) und der seinem ganz persönlichem Geheimnis auf der Spur ist. Diese Figur stimmt, lebt und lässt noch auf viel hoffen!


Antje Babendererde | Foto: privat         
Die Situation der Cree-Indianer in Kanada hat Babendererde zwar schon mehrmals in ihren Romanen beschrieben, aber noch nie so lebendig, ausdrucksvoll und klar wie in diesem Buch. Alle diese Figuren leben, sind realistisch und damit halt nicht folkloristisch. Die politischen Bezüge werden genannt, Hut ab, denn dieses Buch bezieht klar Stellung, und es wurde vor Obamas Wahlerfolg in den USA fertig. Insofern ist es politisch, ergreift Partei für die Ureinwohner, durch die Schilderung der sozialen Frage und der Lebensumstände, unter denen der größte Teil der indianischen Bevölkerung nach wie vor leben muss. Und das heißt entweder Aufgabe der Identität als Indianer und damit totale Anpassung – mit der Gefahr des Alkoholismus als auffälligstes Merkmal – oder die Rückbesinnung auf andere Lebensformen und -werte, wohl wissend, dass ein Leben „wie früher“ nicht mehr möglich ist und dass auch dieser Lebensstil Anpassung verlangt, Kompromisse ein- und ein Scheitern nicht ausschließt.

Das ist nicht neu in Antje Babendererdes Romanen, aber es fällt dieses Mal besonders auf, auch weil die ausführliche Liebesgeschichte fehlt oder ganz anders geschildert wird. Das werden vielleicht einige Fans der Autorin vermissen, aber ich wiederum habe ihre Bücher immer unter diesem politischen Anspruch gelesen und bin von daher dankbar für den „Wandel“ der Krimireihe. Denn das ist das Buch, und so sollte man es auch lesen: Die Lösung des Falles selbst ist für den Leser vorhersehbar, allerdings erst ganz zum Schluss, denn vorher werden vielversprechende, in die Irre führende Spuren gelegt, falsche Lösungsmöglichkeiten angeboten, so dass die Überraschung gelingt.

Es war ein wahres Vergnügen, dieses Buch zu lesen, fast schon ein Leserausch. Danke an Antje Babendererde und den Merlin Verlag für diesen Genuss! (CH)


Starlight Blues Cover Merlin-Verlag


Weitere Infos:

antje-babendererde.de
www.merlin-verlag.de
www.klinger.online.de

„Starlight Blues“
In der Kälte der Nacht. Krimi.
von Antje Babendererde
Merlin Verlag 2009
Gebunden, 337 S., 19,50
Euro

Ulrich Klinger sucht für Sie Literatur aus, gerne auch vor Ort.

Online-Flyer Nr. 190  vom 24.03.2009

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