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Krieg und Frieden
Manöverstatisten für Kriegshandlungen in Mittelost angeworben
Civilians on the Battlefield
Von Hans Georg

Mit „Castings“ im gesamten Bundesgebiet wirbt eine deutsche Firma Manöverstatisten zur Vorbereitung von Kriegshandlungen in Mittelost an. Die Maßnahmen, die insbesondere arabischsprachige Zivilisten zur Teilnahme an Militärübungen gewinnen sollen, dauern seit Wochen an und wurden am Montag in Berlin fortgesetzt. Einsatzort ist der Truppenübungsplatz Hohenfels der US-Streitkräfte (Joint Multinational Readiness Center, JMRC), ein wichtiges Trainingsgelände für den Krieg im Irak.
Häuserkampf in Bayern Hohenfels
Training auf dem JMRC-Gelände Hohenfels | Quelle: www.militaryphotos.net

In Hohenfels (Bayern) bereiten sich Soldaten der Vereinigten Staaten und ihrer Verbündeten auch auf die Kämpfe in Afghanistan vor, deren Ausweitung in diesem Jahr bevorsteht. Zusätzlich werden seit September 2006 Soldaten der afghanischen Armee zu Kriegsübungen nach Hohenfels eingeflogen. Das Gelände ist in den letzten Jahren erweitert worden, um Gewaltoperationen („Aufstandsbekämpfung“) in Städten und Dörfern einzuüben; hierfür werden Tausende Statisten benötigt. Wie es auf der Münchner Sicherheitskonferenz am Wochenende hieß, sollen die europäischen NATO-Mitglieder ihre Truppen am Hindukusch aufstocken. Der zuständige US-Kommandeur kündigt an: „Es wird weder einfach noch billig, ein langer Kampf steht bevor.“

Ein langer Krieg
 
Petraeus beklatscht seine Amtübernahme 2007 Foto: Curt Cashour
Petraeus beklatscht seine Amtsübernahme
2007 | Foto: Curt Cashour
Die europäischen NATO-Staaten, darunter auch Deutschland, sollen ihre Truppen in Afghanistan aufstocken. Diese alte Forderung Washingtons haben US-Offizielle bei der Münchner Sicherheitskonferenz am Wochenende bekräftigt. Wie der Chef des für Mittelost zuständigen US Central Command (Mittelostkommando der United States Armed Forces), David Petraeus, bekräftigt, verl angen die Vereinigten Staaten für die Kriegführung am Hindukusch „mehr Kräfte“ – und zwar ausdrücklich für das Militär.[1] „Mehr Logistik, mehr Aufklärung, mehr Flugzeuge, mehr Informationseinheiten. Das ist von essentieller Bedeutung“, sagt Petraeus.[2] „Es wird weder einfach noch billig, ein langer Kampf steht bevor“.
 
Statisten gesucht
 
Mit den sogenannten Castings wirbt die Münchner Firma Supply and Service Team SST GmbH seit mehreren Wochen Statisten für Manöver („Civilians on the Battlefield“) auf dem Truppenübungsplatz Hohenfels an. Die Castings fanden bisher in rund 20 Städten im gesamten Bundesgebiet statt; nach Veranstaltungen unter anderem in Bremen, Aachen, Köln, Münster und Wuppertal  fanden vergangenen Montag drei Rekrutierungstermine in Berlin statt. Die genaue Zahl der Zivilisten, die für die Kriegsübungen in Süddeutschland benötigt werden, ist unbekannt; die Rede ist von mehreren Tausend. Personen, die Arabisch sprechen, werden bevorzugt eingestellt, weil ihnen zugetraut wird, die Bevölkerung in den mittelöstlichen Kampfgebieten am authentischsten darstellen zu können.
 
Aufstandsbekämpfung
 
Der Truppenübungsplatz Hohenfels, zwischen Nürnberg und Regensburg gelegen, ist mit einer Fläche von rund 160 Quadratkilometern das zweitgrößte Trainingsgelände der US-Streitkräfte in Europa. In Hohenfels werden Soldaten nicht nur auf Kampfhandlungen größeren Umfangs („Major Combat Operations“), sondern vor allem auf die sogenannte Aufstandsbekämpfung („Counter Insurgency Operations“) vorbereitet. Zu diesem Zweck wurde der Truppenübungsplatz in den vergangenen Jahren systematisch ausgebaut.

Hubschrauber über Anti-G8-Demo in Rostock 2007 Foto: Carl H. Ewald
Polizei und Bundeswehr trainierten
„Aufstandsbekämpfung“ beim G8-Treffen        
in Rostock 2007 | Foto: Carl H. Ewald
Zur „Aufstandsbekämpfung“, die sich gegen zivilen und bewaffneten Widerstand richtet, gehört insbesondere das Vorgehen gegen Demonstranten in den besetzten Gebieten; auch andere Operationen in den Städten und Dörfern okkupierter Länder (Festnahmen, Häuserkampf) werden in Hohenfels geübt.[3] Die dazu benötigten Statisten, die vor allem Stadt- und Dorfbewohner simulieren sollen, werden seit den 1990er Jahren von verschiedenen Manöverzulieferern angeworben; aktuell werden sie von der Münchner Firma SST gestellt.
 
Zentraler Ort
 
Hauptsächliche Einsatzorte der Truppen, die in Hohenfels trainieren, sind derzeit Irak und Afghanistan. Auf dem süddeutschen Militärgelände üben nicht nur Soldaten der US-Streitkräfte und der Bundeswehr, sondern auch Angehörige zahlreicher verbündeter Armeen. Der bayerische Übungsplatz hat sich damit zu einem zentralen Ort westlicher Kriegsvorbereitungen entwickelt, an dem Einheiten aus Ländern von den USA über Frankreich und osteuropäische Staaten bis Australien ihre gemeinsamen Kämpfe vorbereiten. Seit September 2006 finden sich regelmäßig auch Soldaten der afghanischen Armee (Afghan National Army) in Hohenfels ein und üben dort Operationen an der Seite von NATO-Kräften.[4]
 
Auch für Afrika
 
Militärs rechnen mit einer erneuten Ausweitung der Manövertätigkeit. Wie der neue Kommandeur des „Joint Multinational Readiness Center“ Hohenfels erklärt, der sein Amt nach einem 15-monatigen Einsatz in Afghanistan angetreten hat, wird sich die Etablierung des US Africa Command in Stuttgart auch auf den Truppenübungsplatz Hohenfels auswirken. „Ich hoffe, dass wir eines Tages helfen können, unsere Freunde aus Afrika zu trainieren“, sagt der Kommandeur.[5] (PK)

 
Fußnoten:
[1] Tauwetter in den internationale Beziehungen; www.securityconference.de 08.02.2009
[2] „Afghanistan wird schwieriger, bevor es einfacher wird“; Frankfurter Allgemeine Zeitung 08.02.2009
[3] s. dazu Civilians on the Battlefield (gfp vom 28.11.2007)
[4] Afghan soldiers training with NATO forces in Europe; Stars and Stripes 21.09.2006
[5] JMRC gets new commander; Stars and Stripes 22.10.2008
  
Mehr unter www.german-foreign-policy.com



Online-Flyer Nr. 184  vom 11.02.2009



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