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Aktueller Online-Flyer vom 29. März 2024  

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Krieg und Frieden
André Shepherd stellte seine Beweggründe auf Pressekonferenz vor
Erster Asylantrag eines US-Deserteurs in Deutschland
Von Huber, Friedrich, Heinrici

Auf der Pressekonferenz am 27.11. in Frankfurt/Main stellte der US-Deserteur André Shepherd der deutschen Öffentlichkeit seinen Asylantrag vor. Als erster US-Deserteur des Irakkrieges hatte er am Tag zuvor seinen Antrag beim Bundesamt für Migration gestellt. Die Pressekonferenz wurde durch die in Bammental bei Heidelberg ansässigen Beratungsstelle für US-SoldatInnen „Military Counseling Network“ und das Kriegsdienstverweigerungsnetzwerk Connection e.V. ausgerichtet.

Hellfire Tank-explosion
Explosion eines Panzers: Hellfire-Raketen      
können ohne Zweifel verheerend sein...
André Shepherd war als Mechaniker für den Kampfhubschrauber Apache im mittelfränkischen Ansbach-Katterbach stationiert. In den Jahren 2004 und 2005  wurde er ein halbes Jahr lang in der Nähe von Tikrit im Irak eingesetzt. Vor einer erneuten Verlegung im Jahre 2007 entschloss er sich, die Armee „unerlaubt“ zu verlassen, da er sich bis dahin ausführlich über den Kriegseinsatz informiert hatte. „Als ich las und hörte, wie Menschen von den Maschinengewehren zerfetzt oder von den Hellfire-Raketen regelrecht in Stücke gerissen wurden, und erfuhr, wie Gebäude und Infrastruktur zerstört wurden, begann ich mich zu schämen für das, was ich da tat. Es war ein widerliches Gefühl, mir eingestehen zu müssen, dass ich im Grunde Tag für Tag am Abschlachten stolzer Menschen beteiligt war.“

andre_shepherd Foto: Connection e.V.
André Shepherd
Foto: Connection e.V.
Auf der Pressekonferenz in Frankfurt führte Shepherd seine Beweggründe für die Flucht aus der Armee und den Asylantrag aus: „Als ich zur Armee ging, legte ich den Schwur ab, die Verfassung der Vereinigten Staaten gegen alle Feinde im Ausland oder im Land selbst zu stützen und zu verteidigen. Nach meiner Verlegung in den Irak begann ich mich aber zu fragen, ob das, was ich dort tat, wirklich meinem Eid entsprach. Viele Monate lang habe ich nach den Gründen für die Kriege im Irak und in Afghanistan und für das, was das US-Militär in diesen Ländern tut, geforscht. Ich kam zu dem Schluss, dass beide Invasionen nach dem US-Recht und auch nach internationalem Recht illegal waren. Wir haben Nationen zerstört, führende Persönlichkeiten getötet, Häuser geplündert, gefoltert, entführt, gelogen und nicht nur die Bürger und führenden Politiker der feindlichen Staaten, sondern auch die unserer Verbündeten manipuliert. Ich kann nicht mehr mit gutem Gewissen weiter Dienst in der US-Armee leisten.“

Agustin Aguayo Foto: Connection e.V.
Agustín Aguayo | Foto: Connection e.V.             
„Ich musste mich entscheiden: entweder mein Gewissen verleugnen oder das Militär unerlaubt verlassen,“ so Shepherd: „Wenn ich einen erneuten Kriegseinsatz verweigere, droht mir eine Verfolgung wegen ‚Fahnenflucht’, Haft oder sogar die Todesstrafe. Dennoch war für mich der Weg ganz klar: Ich musste raus aus der Armee.“ Ein Antrag auf Kriegsdienstverweigerung wäre für ihn nicht in Frage gekommen, da Shepherds Überzeugung nicht den Regelungen des US-Militärs für diesen Fall entsprächen. Sie verlangen, dass grundsätzlich jeder Krieg abgelehnt wird. Zudem habe er im April 2007 beobachten müssen, wie ein anderer US-Verweigerer, Agustín Aguayo, trotz seiner Gewissens- entscheidung abgelehnt und zu acht Monaten Haft verurteilt worden ist.

Der US-Kriegsflüchtling äußerte sich skeptisch über Obamas Botschaft vom „Change“, denn schließlich ginge es dem kommenden amerikanischen Präsidenten wohl nicht darum, die Truppen aus der Region abzuziehen, sondern sie vielmehr nach Afghanistan zu verschieben. Ebenso wenig sei zu erwarten, dass sich Obama von der Bush-Doktrin distanziere oder die noch amtierende Regierung gar rechtlich zur Verantwortung ziehen werde.

Tim Huber vom Military Counseling Network betonte, dass der Asylantrag des Ex-Soldaten dazu aufruft, die Unterstützung Deutschlands für den von den USA geführten Krieg in Frage zu stellen: „Zwar hat sich damals die deutsche Bundesregierung gegen diesen Krieg ausgesprochen, und deutsche Soldaten haben nicht direkt an diesem Krieg teilgenommen; aber die USA nutzt täglich den deutschen Luftraum für den Nachschub ins Kriegsgebiet. 60.000 US-Soldaten und Soldatinnen sind nach wie vor in Deutschland stationiert.“

Für Rudi Friedrich von Connection e.V. ist Shepherds Entschluss „ein mutiger Schritt angesichts der drohenden Konsequenzen bei einer Ablehnung des Asylantrages.“ Friedrich betonte, dass es bereits im Vorfeld der Antragstellung Unterstützung von anderen Organisationen gab. „Wir alle werden uns mit ganzer Vehemenz dafür einsetzen, dass André Shepherd den notwendigen Schutz erhält.“

Soldatenkreuz in Irak-Operation „Matador“ Foto: James McCauley
Soldatenkreuz in Operation „Matador“ im Irak  
Foto: James McCauley
Shepherds Rechtsanwalt, Dr. Reinhard Marx, erläuterte die Gründe, die für eine Anerkennung des Asyls sprechen und verwies unter anderem darauf, dass durch die „Qualifikationsrichtlinie“ im EU-Recht inzwischen anerkannt sei, „dass ein Soldat, der Hinweise dafür hat, dass in einem Krieg, in dem er eingesetzt werden wird, das Völkerrecht verletzt wird, an dem Krieg nicht teilnehmen darf. Als Herr Shepherd eingesetzt war, gab es in Falludscha Einsätze von Hubschraubern der US-Armee, bei denen es zu unverhältnismäßig vielen Toten unter der Zivilbevölkerung kam. Insbesondere im Jahr 2007, als die Bush-Administration die Kriegsstrategie geändert hatte und die Luftangriffe verstärkte, kam es zu vermehrten Angriffen auf die Zivilbevölkerung. Von daher hat Herr Shepherd die Pflicht gehabt, den Kriegsdienst zu verweigern, und er hat das Recht, in Deutschland Asyl zu beantragen.“

„Es passt vielleicht, dass ich gerade in Deutschland Asyl beantrage, dem Land, in dem vor 60 Jahren die Nürnberger Prozesse begannen. Eines der wichtigsten Prinzipien, auf die diese Verfahren sich stützten, war, dass niemand sein Handeln damit rechtfertigen kann, er habe lediglich Befehle befolgt.“ schloss Shepherd. Da bleibt nur noch zu hoffen, dass sich auch der Deutsche Innenminister dessen erinnert... und den Asylbewerber zu unterstützen:


Zu den Webseiten von
Connection e.V.
und vom Military Counseling Network

(CH)

Online-Flyer Nr. 175  vom 03.12.2008

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