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Aktueller Online-Flyer vom 25. April 2024  

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Aktuelles
Gefahr für den Hoffnungsträger?
Survival-Check für Obama
Von Hans-Detlev v. Kirchbach

Okkultisten – man kennt das von Filmen wie „Rosemarys Baby" – buchstabieren gerne Namen um, bis sich irgendein „verborgener Sinn" ergibt. Liest man den Namen des neugewählten US-Präsidenten rückwärts, so kommt „amabo" heraus, was sich als lateinisch für: „Ich werde lieben" deuten ließe. Das paßt ja zu „Everybody's Darling". Sollte Obama jedoch auch nur Bruchteile seiner Versprechungen wahrmachen, so würden, fürchtet unser notorisch pessimistischer Autor, ihn manche bald alles andere als lieben, und empfiehlt daher vorsorglich einen Survival-Check für Mr. President. – Die Redaktion.

Hoffnungsträger – notorisch kurzlebig

 
Barack Obama Zigarette
Noch wirkt „Everybody's Darling" ganz              
locker... | Quelle: NRhZ-Archiv
„Hoffentlich überlebt er. Er redet ja wie Martin Luther King und Robert Kennedy in einem." Eine Bekannte, die 1968 in den USA lebte, als Martin Luther King und Robert Kennedy, in wessen Auftrag auch immer, ermordet wurden, macht sich echte Sorgen um Barack Obama. Nicht ganz zu unrecht, wie die kürzliche Enttarnung eines „Anschlagsplans" gegen den demokratischen Präsidentschaftskandidaten zeigte. Zwar handelte es sich bei den Möchtegern-Attentätern „nur" um zwei durchgeknallte jugendliche Rechtsradikale, die von regelrechten Massenmorden an „Schwarzen" phantasierten. Aber die fast lächerliche Performance dieser pubertären Spinner läßt ja nicht ausgeschlossen scheinen, daß jetzt schon weitaus ernstzunehmendere Kreise das Messer gegen den frisch gekürten Präsidenten wetzen. Immerhin gibt es gerade in den USA offizielle Staatseinrichtungen, zu deren Aufgaben notfalls auch die Liquidierung von Staatsoberhäuptern gehört.

Was die CIA betrifft, hat Obamas Vorgänger, der noch amtierende „Verbrecher im Weißen Haus" (so der Kölner Kabarettist Wilfried Schmickler), diesen „Zuständigkeitsbereich" ausdrücklich bestätigt und erweitert. Zwar nicht direkt im Hinblick auf den US-Präsidenten – aber wenn dieser eine Politik betreiben sollte, die irgendwelchen rechtsgestrickten Ideologen im Geheimdienstapparat oder im militärisch-industriellen Komplex als abträglich für die „nationale Sicherheit" oder fürs Kapitalinteresse erscheint, dann könnte vielleicht ja wieder eine Stadtrundfahrt durch Dallas schnelle Abhilfe schaffen.
 
Entscheidend für Obamas Wohl und Wehe ist also, daß er im Wesentlichen die Bush-Politik fortsetzt, dabei aber rein kommunikationstechnisch erfolgreich weiterhin suggeriert, eine ganz andere, eben eine Obama-Politik, zu betreiben.
 
Checkpoint 1: Sozialrhetorik okay, wenn folgenlos
 
Immerhin wird jetzt schon in den Offizialmedien kräftig zurückgerudert, beginnend bei der Innen-und Sozialpolitik – auf unserer Obama-Security-Checkliste Punkt 1.

Man muß es einem Kenner US-amerikanischer Verhältnisse wie dem ZDF-Korrespondenten Luten Leinhos schon abnehmen, wenn er am Wahlmorgen auf „Phoenix“ Obamas pathetischen Versprechen auf einen „Wandel" keine Chance gibt. Jedenfalls soweit dieser "Wandel" mehr sein soll als eine durch PR und Show generierte kurzfristige Festivalstimmung, und erst recht, soweit der verhießene „change" ein paar Milliarden Dollar kosten würde. Völlig irreal, so befand der USA-Experte, seien daher alle Projekte zu einer sozialen Reform des völlig desolaten Gesundheitswesens in diesem Vorbildimperium des „freien Westens", das aber fast 50 Millionen Menschen ohne Krankenversicherung ins Unglück laufen läßt.

Obama at American University 01 08 Will White
Die Frage ist, ob wir auch dran glauben können... Obama im Januar 08
Foto: Will White

Genau so illusionär sei jegliche Veränderung des US-Bildungswesens in die von Obama versprochene Richtung einer sogenannten „Chancengleichheit", eines Abbaus von Bildungsbarrieren und Klassenschranken. All das können sich, befand der USA-Korrespondent, die WählerInnen Obamas gleich schon mal abschminken. Denn selbst, wenn es gegen soziale Reformen für die ärmeren Bevölkerungsschichten keinen Widerstand einflußreicher Elitekreise gäbe, an denen auch der neue Präsident nicht vorbeikommt: Vor allem hat Obama „eben kein Geld dafür". Selbst wenn er den Spitzensatz für die reichsten 5 Prozent im Lande wirklich todesmutig erhöhen würde, wie angekündigt. Auch das würde nicht reichen, meinte der dankenswert realistische Berichterstatter.

Und warum nicht? Wegen der "Finanzkrise", so Leinhos, denn weithin vorrangig sei es, das Hundertemilliarden-„Hilfsprogramm" für die Banken zu finanzieren. Was in den USA wie bei uns, aus dem weichspülenden Mainstream-Jargon in Realbegrifflichkeit übersetzt, nichts anderes heißt als: das Geld ist den Armen zu entziehen und denen zu überlassen, die es ja ohnehin schon am besten kennen – den Milliardären.
 
Obama in South Carolina Foto: transplanted mountaineer
Foto: transplanted mountaineer
So atmen wir nach Punkt 1 unserer Risiko-Checkliste erleichtert auf: Ein auch nur karitativ-sozialer Reformkurs ist, abgesehen von Rhetorik und der einen oder anderen Symbolhandlung, von Obama nicht zu erwarten. „Sozialen Wandel“ kann er sich und der wirklich einfluß- und geldreichen Klasse ersparen und dabei die Schuld auch noch auf andere schieben – der „Finanzkrise" sei Dank.
 
„Wenn wir dieses tiefe Tal durchwandert haben", so wird er in seiner filmreifen Worthülsenartistik wahrscheinlich mit treuherzigem Dackelblick tremolieren: „Dann, ja dann starten wir erst richtig durch, dann, liebe Freunde, kommen all die Segnungen herabgeregnet, die ich Euch einst versprach." (Honorarfreier Gratisvorschlag des Autors für Obamas Phrasomat.) Damit könnte er, gestärkt durch eine demokratische Mehrheit in beiden Parlamentskammern, eigentlich schon die erste Präsidentschaftsphase durchstehen und sich für die zweite Wahl wieder als „Hoffnungsträger" präsentieren.
 
Obama-Survival-Checkpoint 2: Todesstrafe? – Schon okay
 
Kommen wir zu Punkt 2 auf unserer Survival-Checkliste. Nennen wir sie Bürgerrechte, Menschenrechte.

todesstrafe koufogiorgos
„Todesstrafe für diejenigen, die sie
fordern...“ | K. Koufogiorgos aus „Minima        
Politika“ © Horlemann
In einer Hinsicht, um nicht zu sagen, Hinricht, hat sich unser neuer Messias ja schon eindeutig positioniert. Und zwar nicht nur aus Wahlopportunität und, selbstverständlich, um einen weiteren Punkt auf der Liste möglicher Selbstgefährdung zu streichen. Wir meinen die Todesstrafe. Da läßt Obama, der Harvard-Jurist mit summa cum laude, leider keinen Zweifel, daß auch nach seinem Geschmack weiterhin abgespritzt und elektrokutiert werden soll. Mit solchem, trotzig irrational begründeten Bekenntnis zierte er auch sein pathostriefendes programmatisches Buch unter dem herzerwärmenden Titel „Hoffnung wagen“.

Zitat: „Während die Beweise besagen, dass die Todesstrafe keine Verbrechen verhindert, glaube ich, dass es Verbrechen gibt, die so abscheulich sind, dass die Gemeinschaft das Recht hat, ihr ganzes Entsetzen darin auszudrücken, dass sie die ultimative Strafe verhängt.“ Entsetzen könnte freilich dieser akademisch argumentierende archaische Primitivismus aus der Feder eines angeblich Linksliberalen erregen. Konsequent setzte sich Obama, ganz nach rechtspopulistischem Muster, dafür ein, die Todesstrafe auf „Kinderschänder“ auszuweiten.
 
Nun wäre eine Abschaffung der Todesstrafe ohnehin nicht durch einen Erlaß des Präsidenten zu bewerkstelligen. Das Justizsystem ist weitgehend autonome Angelegenheit der einzelnen Bundesstaaten. In denen walten und wüten dann so humanistisch orientierte Gouverneure wie der Österreicher, der einst beschloß, Politiker zu werden: Genau, Arnold „Terminator" Schwarzenegger, der „Kaiser von Kalifornien", mit bislang fünf unterzeichneten Exekutions- Ermächtigungen.

Jeb Bush Gästebuch NRW Rüttgers
Jeb Bush (Ex-Gouv. Floridas) unterschreibt
ausnahmsweise keinen Hinrichtungsbefehl,
sondern d. Gästebuch d. Landes NRW
Quelle: Staatskanzlei NRW
Oder George W. Bushs geradezu hinrichtungsgeiles Brüderchen Jeb, der auch im engsten Kreis als Ekelpaket berüchtigte Schreckensherrscher von Florida, dem es bekanntermaßen Freude bereitete, Hinrichtungsbefehle zu unterzeichnen (siehe NRhZ 32: „18 Jahre in der Todeszelle“). Nicht zu schlagen war allerdings George W. selber, der das Weiße Haus auf einem Leichenberg von über 150 Hingerichteten bestieg – eine „Erfolgsbilanz" aus fünf Jahren Gouverneursherrschaft in Texas (1995-2000), mit der er auch in seinen Wahlkämpfen demagogisch hausieren ging.

 
In dieser Hinricht – pardon – Hinsicht hat Obama, da bislang mit keinen Exekutiv-Vollmachten ausgestattet, zwar nichts vorzuweisen. Aber er wird höchstwahrscheinlich dem Totmachwahn der einzelnen Bundesstaaten nichts entgegensetzen. Mindestens politisch und meinungsbildnerisch hätte es ja vielleicht schon seine Wirkung, wenn sich der Präsident gegen die Todesstrafe stellen würde. Das ist aber nach seinen bisherigen Aussagen kaum von ihm zu erwarten. Bliebe noch die Option, indirekt etwas gegen die Todesstrafe und für die Grundrechte allgemein zu tun, indem er in den nächsten Jahren freiwerdende Richterstellen im Obersten Gerichtshof mit halbwegs aufgeklärten Juristen besetzen läßt. Dank Bush ist der High Court derzeit ein Tummelplatz rechts-christlicher Eiferer und ein Hort der Todesstrafe. Vielleicht in ein paar Jahren ein Tummelplatz „liberaler“ Befürworter der Todesstrafe. Es darf dann nicht pieksen, wenn die Todesspritze injiziert wird.
 
Ebenso skeptisch wie bei diesem abstoßenden Thema muß man sein, wenn es um Bushs Lieblingsthema „Foltern gegen den Terror“ geht. Wird Obama wenigstens wagen, Guantanamo aufzulösen und die Verantwortlichen für die Verbrechen von Abu Ghraib, einschließlich Folter von Kindern, zur Verantwortung zu ziehen? Das könnte allerdings gefährlich werden - für Obama. Schließlich befinden wir uns im „Krieg gegen den Terror", den auch der neue Präsident – wenngleich mit gemäßigterer Wortwahl als sein Vorgänger – auf seine Agenda geschrieben hat. Schon deshalb erwarte man nicht, daß er den Schnüffel-, Abhör- und Überwachungspraktiken von CIA, FBI und all den anderen mehr oder minder „geheimen Diensten" im Sinne der Bürgerrechte wirklich nachhaltig entgegentreten wird. Schließlich will auch Barack Obama überleben – politisch und auch sonst.

Guantanamo USMC
Guantanamo: erinnert in vielerlei Hinsicht an ein modernes KZ
 
Punkt 2 unserer Risiko-Checkliste für Obama können wir mithin in Klammern setzen, wenn auch nicht ganz streichen. Die Todesstrafe wird der Präsident nicht offen bekämpfen, höchstens durch Neuformierung des Obersten Gerichtshofes eindämmen. Vielleicht wird er Guantanamo auflösen lassen, aber das ist ohnehin eine internationale Belastung für die USA. Ansonsten wird er dem Geheimdienstapparat kaum ins Handwerk pfuschen. (PK)

 
Teil 2 – „Obama-Survival-Checkpoint 3: Antiimperialismus im Weißen Haus?“ folgt in der nächsten NRhZ-Ausgabe

Startbild unter Verwendung eines Fotos von Elizabeth Cromwell und des demokratischen Kampagnen-Logos.


 
 

Online-Flyer Nr. 171  vom 05.11.2008

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