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Kultur und Wissen
Premiere eines außergewöhnlichen Films am 1. November in Trier:
HOTEP
Von Christian Heinrici
Es gibt wohl kaum einen anderen „No-Budget-Film“, der schon vor dem Kinostart so viel Furore gemacht hat wie HOTEP – die Premiere in Trier ist ausverkauft, das „Broadway“ musste kurzfristig eine zweite Vorstellung am späteren Abend ansetzen, um dem Andrang Herr zu werden. Auch einige Fach- und Regionalzeitungen überschlugen sich mit Lob. Die NRhZ begleitete das Projekt etwa neun Monate lang journalistisch, weil hier ein filmerisches Experiment offensichtlich gelang: Einen abendfüllenden Streifen zu drehen, ohne nennenswerten Etat (Buchautor und Co-Regisseur Wustmann sprach in diesem Zusammenhang von „Portokasse“), aber mit erstklassischen Schauspielern, einigen filmerischen Kniffen und Können, sowie mit sehr viel Engagement und Begeisterung.
Poster des Films bei der Vorpremiere im Theater Tiefrot
Foto: Hans-Dieter Hey, gesichter zei(ch/g)en
Eintauchen in eine andere, vertraute Welt
HOTEP strahlt eine mysteriöse Atmosphäre aus, versetzt uns vom ersten Augenblick an in eine Welt, in der innere und äußerliche Wirklichkeit miteinander verwoben sind. Und verschlungen sind auch die Wege der drei Protagonisten, die alle im Zimmer Nummer Drei des alten, baufälligen Hotels, das dem Film seinen Namen gab – irgendwo im Nirgendwo – auflaufen.
Oberflächlich gesehen geht es in den drei Episoden des Films um Drogen, um Alkoholsucht, um Selbstmord und um Flucht. Doch der kleine Gangster Falko (gespielt von Rami Abu-Issa), der gescheiterte Rockmusiker Johnny (Tim Olrik Stöneberg) und die traumatisierte junge Mira (Evi Amon) stehen alle am Abgrund, vor einer existentiellen Situation, gefangen im Ich und in der Vergangenheit.
Hier sollte man hineinschauen – der Trailer zum Film
Alle drei sind am Endpunkt angelangt, vielleicht in einer Art existentialistischem Fegefeuer, in einem Vakuum, in dem sie die Last und das Leiden ihrer Vergangenheit zwingt, eine Entscheidung zu treffen: eine Entscheidung, die ihr Leben betrifft, vielleicht eine Entscheidung für ihr Leben. Und da ist da noch „der Portier“ des Hotels, der quasi wie ein Geist alle Episoden und Räume von HOTEP durchzieht, wie ein Charon in der griechischen Mythologie als Mittler zwischen den Welten zuweilen helfend, dann wieder kathartisch eingreifend – hervorragend und nicht ohne Selbstironie gespielt von Falko Jakobs.
Wenn Sie mehr über die Handlung wissen wollen, lesen Sie die Rezension des Drehbuchs von Peter Kleinert (in der NRhZ Ausgabe 140). Auch möchte ich Ihnen das Buch zum Film, das durchaus als Werk für sich allein stehen kann, zur Lektüre empfehlen. Doch am allerbesten natürlich schauen Sie sich HOTEP selbst an! Der Film hat mit 108 Minuten Überlänge, doch wirkt er in keiner Szene langatmig oder gar langweilig – nehmen Sie sich diese Zeit, HOTEP verdient es. Ich durfte der Vorpremiere im September im Theater Tiefrot beiwohnen, und in mir tauchte der Wunsch auf: „Den musst du noch mal sehen!“
Im Bann vom HOTEP
HOTEP zieht den Betrachter ohne Zweifel in seinen Bann: mit seinen schönen und stark beeindruckenden Bildern: Ich erinnere mich an Laub, das man rascheln sieht; Landschaften im Morgenrot zum Ende des Films, in denen Wege wie Linien sichtbar werden; eine für jede der drei Episoden charakteristische, sehr intensive Farbgebung mit Reminiszenz an Sergio Leone; Closeups von den Darstellern, in denen eindrucksvolles Minenspiel zum Ausdruck kommt; Gesichter in Spiegeln und gespiegelte Geschichten sowie gekonnt in Szene gesetzte Schnitte zu den zahlreichen Rückblenden. Das Sound Design, doch vor allem die Musik – fast ausnahmslos von Jakobs selbst geschrieben – wäre es wert, gesondert veröffentlicht zu werden.
Der Trierer Schauspieler Stöneberg
Szenenfoto: Skyroad Films
Selbstverständlich tragen die Schauspieler das ihre dazu bei: Als erstes möchte ich Tim Olrik Stöneberg in der Rolle des alkoholsüchtigen Johnny erwähnen, der mit der Rolle wie verwachsen zu sein scheint und ihr in mehr als einer Szene tragikomische Elemente abgewinnt. Evi Amon, die auch ohne viel Worte eine ganz starke Präsenz zeigt, nicht aufdringlich, aber sehr intensiv-innerlich. Und noch einmal möchte ich Falko Jakobs nicht unerwähnt lassen, der die dramatischen Szenen des Films mit komödiantischem Talent würzt, sowie Rami Abu-Issas eindrucksvolles Minenspiel.
In den Nebenrollen am meisten beeindruckt haben mich Bjarne I. Mädel, bekannt aus der TV-Sitcom „Stromberg“, der als Auftraggeber für den Gangster „Falko“ die entsprechende Szene in eine gekonnt komische Kurzepisode verwandelt, Sandra Kouba als Prostituierte und „Falkos“ Freundin, die in der ersten Episode ihre ganze dramatische Bandbreite zeigt, sowie Volker Lippmann, Schauspieler und Intendant des Kölner Theaters Tiefrot, als ihr Zuhälter. Auch der Schauspieler des Trierer Stadttheaters Klaus-Michael Nix überzeugte in der Rolle von Johnnys Produzenten.
Das junge Filmemacher-Duo Wustmann und Jakobs
Foto: Hans-Dieter Hey, gesichter zei(ch/g)en
Schwächen sind mir bei HOTEP, außer ein-zwei kleinen Unregelmäßigkeiten bei Ausleuchtung und Ton, keine nennenswerten aufgefallen – und mehr als dieses phänomenale Ergebnis kann man bei einem abendfüllenden „No-Budget-Projekt“ nun wirklich nicht erwarten. Im Gegenteil: Das Werk der jungen Filmemacher ist frisch, wild und glücklicherweise nicht glatt. In beiden, Jakobs und Wustmann, steckt ganz großes Potential, das sich in HOTEP mehr als andeutet, aber dennoch entwicklungsfähig ist. Der Film hat im doppelten Wortsinn Suchtpotential und macht Lust auf mehr! (CH)
Online-Flyer Nr. 170 vom 31.10.2008
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Kultur und Wissen
Premiere eines außergewöhnlichen Films am 1. November in Trier:
HOTEP
Von Christian Heinrici
Es gibt wohl kaum einen anderen „No-Budget-Film“, der schon vor dem Kinostart so viel Furore gemacht hat wie HOTEP – die Premiere in Trier ist ausverkauft, das „Broadway“ musste kurzfristig eine zweite Vorstellung am späteren Abend ansetzen, um dem Andrang Herr zu werden. Auch einige Fach- und Regionalzeitungen überschlugen sich mit Lob. Die NRhZ begleitete das Projekt etwa neun Monate lang journalistisch, weil hier ein filmerisches Experiment offensichtlich gelang: Einen abendfüllenden Streifen zu drehen, ohne nennenswerten Etat (Buchautor und Co-Regisseur Wustmann sprach in diesem Zusammenhang von „Portokasse“), aber mit erstklassischen Schauspielern, einigen filmerischen Kniffen und Können, sowie mit sehr viel Engagement und Begeisterung.
Poster des Films bei der Vorpremiere im Theater Tiefrot
Foto: Hans-Dieter Hey, gesichter zei(ch/g)en
Eintauchen in eine andere, vertraute Welt
HOTEP strahlt eine mysteriöse Atmosphäre aus, versetzt uns vom ersten Augenblick an in eine Welt, in der innere und äußerliche Wirklichkeit miteinander verwoben sind. Und verschlungen sind auch die Wege der drei Protagonisten, die alle im Zimmer Nummer Drei des alten, baufälligen Hotels, das dem Film seinen Namen gab – irgendwo im Nirgendwo – auflaufen.
Oberflächlich gesehen geht es in den drei Episoden des Films um Drogen, um Alkoholsucht, um Selbstmord und um Flucht. Doch der kleine Gangster Falko (gespielt von Rami Abu-Issa), der gescheiterte Rockmusiker Johnny (Tim Olrik Stöneberg) und die traumatisierte junge Mira (Evi Amon) stehen alle am Abgrund, vor einer existentiellen Situation, gefangen im Ich und in der Vergangenheit.
Hier sollte man hineinschauen – der Trailer zum Film
Alle drei sind am Endpunkt angelangt, vielleicht in einer Art existentialistischem Fegefeuer, in einem Vakuum, in dem sie die Last und das Leiden ihrer Vergangenheit zwingt, eine Entscheidung zu treffen: eine Entscheidung, die ihr Leben betrifft, vielleicht eine Entscheidung für ihr Leben. Und da ist da noch „der Portier“ des Hotels, der quasi wie ein Geist alle Episoden und Räume von HOTEP durchzieht, wie ein Charon in der griechischen Mythologie als Mittler zwischen den Welten zuweilen helfend, dann wieder kathartisch eingreifend – hervorragend und nicht ohne Selbstironie gespielt von Falko Jakobs.
Wenn Sie mehr über die Handlung wissen wollen, lesen Sie die Rezension des Drehbuchs von Peter Kleinert (in der NRhZ Ausgabe 140). Auch möchte ich Ihnen das Buch zum Film, das durchaus als Werk für sich allein stehen kann, zur Lektüre empfehlen. Doch am allerbesten natürlich schauen Sie sich HOTEP selbst an! Der Film hat mit 108 Minuten Überlänge, doch wirkt er in keiner Szene langatmig oder gar langweilig – nehmen Sie sich diese Zeit, HOTEP verdient es. Ich durfte der Vorpremiere im September im Theater Tiefrot beiwohnen, und in mir tauchte der Wunsch auf: „Den musst du noch mal sehen!“
Im Bann vom HOTEP
HOTEP zieht den Betrachter ohne Zweifel in seinen Bann: mit seinen schönen und stark beeindruckenden Bildern: Ich erinnere mich an Laub, das man rascheln sieht; Landschaften im Morgenrot zum Ende des Films, in denen Wege wie Linien sichtbar werden; eine für jede der drei Episoden charakteristische, sehr intensive Farbgebung mit Reminiszenz an Sergio Leone; Closeups von den Darstellern, in denen eindrucksvolles Minenspiel zum Ausdruck kommt; Gesichter in Spiegeln und gespiegelte Geschichten sowie gekonnt in Szene gesetzte Schnitte zu den zahlreichen Rückblenden. Das Sound Design, doch vor allem die Musik – fast ausnahmslos von Jakobs selbst geschrieben – wäre es wert, gesondert veröffentlicht zu werden.
Der Trierer Schauspieler Stöneberg
Szenenfoto: Skyroad Films
In den Nebenrollen am meisten beeindruckt haben mich Bjarne I. Mädel, bekannt aus der TV-Sitcom „Stromberg“, der als Auftraggeber für den Gangster „Falko“ die entsprechende Szene in eine gekonnt komische Kurzepisode verwandelt, Sandra Kouba als Prostituierte und „Falkos“ Freundin, die in der ersten Episode ihre ganze dramatische Bandbreite zeigt, sowie Volker Lippmann, Schauspieler und Intendant des Kölner Theaters Tiefrot, als ihr Zuhälter. Auch der Schauspieler des Trierer Stadttheaters Klaus-Michael Nix überzeugte in der Rolle von Johnnys Produzenten.
Das junge Filmemacher-Duo Wustmann und Jakobs
Foto: Hans-Dieter Hey, gesichter zei(ch/g)en
Schwächen sind mir bei HOTEP, außer ein-zwei kleinen Unregelmäßigkeiten bei Ausleuchtung und Ton, keine nennenswerten aufgefallen – und mehr als dieses phänomenale Ergebnis kann man bei einem abendfüllenden „No-Budget-Projekt“ nun wirklich nicht erwarten. Im Gegenteil: Das Werk der jungen Filmemacher ist frisch, wild und glücklicherweise nicht glatt. In beiden, Jakobs und Wustmann, steckt ganz großes Potential, das sich in HOTEP mehr als andeutet, aber dennoch entwicklungsfähig ist. Der Film hat im doppelten Wortsinn Suchtpotential und macht Lust auf mehr! (CH)
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