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Aktueller Online-Flyer vom 29. März 2024  

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Medien
Propaganda für die chinesische KP bei der Deutschen Welle?
Hintergründe einer Kampagne
Von Peter Kleinert

„Propaganda für die chinesische KP“ werde beim Staatssender Deutsche Welle betrieben, erfuhren FAZ-LeserInnen am 5. Oktober. In einem Offenen Brief an den Bundestag habe das sogar der für den Friedensnobelpreis nominierte in den US-Exil-Chinese Wei Jingsheng beklagt. Vorausgegangen waren ihm schon Offene Briefe der Sekte Falun Gong, eines „Autorenkreises“ um SPIEGEL-Autor Henryk M. Broder und einige Zeitungsartikel. Wissenschaftler, Schriftsteller und der Deutsche Journalistenverband halten dagegen und sehen darin eine Kampagne gegen die Presse- und Rundfunkfreiheit, der die exilchinesische DW-Redakteurin Zhang Danhong zum Opfer gefallen ist (siehe NRhZ 162).


DW-Intendant Erik Bettermann
Quelle: DW
Danach erhielten (wie gemeldet) der Intendant der Deutschen Welle Erik Bettermann und der Rundfunkrat der DW einen weiteren Offenen Brief, unterzeichnet von mehr als 50 Sinologen wie Professor Gregor S. Paul und Tilman Spengler, Ostasienwissenschaftlern wie Professor Thomas Heberer, Autoren wie Günter Grass und Johano Strasser, Präsident des deutschen PEN-Clubs, Publizisten wie dem Pekingkorrespondenten Frank Sieren und Klaus Harpprecht und Bundestagsabgeordneten wie der ehemaligen Justizministerin Herta Däubler-Gmelin und der Kölnerin Lale Akgün.

Zhang Danhong
Erstes Opfer der Kampagne – DW-Redakteurin Zhang Danhong
Quelle: DW
 
Unter dem Betreff „Kampagne gegen die Chinaberichterstattung der Deutschen Welle“ heißt es da unter anderem: „In der Deutschen Welle ist vor kurzem eine Redakteurin der chinesischsprachigen Radioredaktion infolge ihrer vermeintlich einseitigen Beurteilung des heutigen China ihrer Leitungsfunktion enthoben worden. Die genannte Redakteurin wurde von dieser Funktion nicht etwa wegen nachgewiesener Verfehlungen in ihrer redaktionellen Arbeit entbunden. Vielmehr wurde sie abgestraft, weil sie u.a. in öffentlichen Diskussionsrunden die Einschätzung eines der führenden deutschen Chinaberichterstatter, des Pekinger Korrespondenten der „Zeit“, wiedergegeben hatte: Dass die Überwindung der Armut für 400 Mio. Chinesen in den letzten 30 Jahren eine der größten Menschenrechtsverbesserungen der jüngeren Zeit sei. Kein Zweifel, darüber kann man streiten. Aber man muss sich darüber streiten können und dürfen, und selbstverständlich muss man solche Aussagen als Journalist zitieren dürfen.
 
Ein „Autorenkreis der Bundesrepublik“ hat in einem Schreiben an den Bundestag der Chinaredaktion der Deutschen Welle Werbung für den Parteistaat in China vorgeworfen. Der Autorenkreis spricht von einem „Re-Import diktatorischer Propaganda“ und fordert eine „Mitarbeiterprüfung für alle Redaktionen, die über und in totalitäre Länder einschließlich Russlands berichten“; darüber hinaus die Einsetzung eines „unabhängigen, diktaturimmunen Beobachters“, der die Sendungen kontrolliert; und schließlich die nachträgliche Prüfung der Berichterstattung der letzten fünf Jahre und eine nochmalige Stasiüberprüfung der deutschen Mitarbeiter der Deutschen Welle.
 
„Rote Infiltration“ durch Helmut Schmidt?
 
Parallel dazu haben einige chinesische Dissidenten, die Aktivisten der religiös-politischen Sekte Falun Gong sind oder mit dieser in Verbindung stehen, ebenfalls an den Bundestag geschrieben und der Deutschen Welle vorgeworfen „für die chinesische Regierung ein befreundetes Medium“ zu sein. Tatsächlich waren die chinesischen Online-Seiten des Senders in China in den letzten Jahren bis kurz vor der Olympiade ununterbrochen gesperrt. Falun Gong-Propagandisten identifizieren zugleich die vermeintlichen Wortführer der „roten Infiltration in Deutschland“: Helmut Schmidt und eine Reihe führender deutscher Chinawissenschaftler, die unter anderem auch von der Deutschen Welle mehrfach interviewt wurden und sich in den letzten Jahren um ein realitätsgerechtes Chinabild bemühten…
 
Diese Auseinandersetzung ist Teil des Disputes über die Frage, wie man die derzeitige Entwicklung und den Aufstieg Chinas beurteilen soll. Ist China ein Schurkenstaat, der zunehmend zu einer Bedrohung nach innen und außen wird oder aber ein Land, das einem kontinuierlichen Wandlungsprozess unterliegt und sich dabei zunehmend als ein zuverlässiger Kooperationspartner in internationalen Fragen erweist? Verschiedene und zum Teil widersprüchliche Bilder charakterisieren diesen Entwicklungsprozess: Es gibt Menschenrechtsverletzungen, Korruption, Machtmissbrauch, und es gibt zugleich einen Wandel, der die Strukturen des Systems verändert und der Mehrheit der Menschen signifikante Verbesserungen bringt. Solche widersprüchlichen Entwicklungen verlangen nach einem differenzierten Urteil. Eine solche Differenzierung gab es jedoch in großen Teilen der medialen Berichterstattung in Deutschland vor und während der Olympischen Spiele nicht. Die Deutsche Welle versuchte hier gegenzusteuern.
 
Aufrufe zur Zensur
 
Die „Offenen Briefe“ an den Bundestag rufen zu Ausgrenzung und Zensur auf. Es werden Vorwürfe wie in Zeiten des Kalten Krieges vorgetragen („rote Infiltration“). Es sollen diejenigen Journalisten, Wissenschaftler und Politiker diskreditiert und eingeschüchtert werden, die in sorgfältig recherchierten Berichten und Analysen auf die vielfältigen und widersprüchlichen Facetten der Entwicklung Chinas hinweisen wollen und das Land eben nicht schlicht als „Schurkenstaat“ betrachten. Das angestrebte Ziel ist offenkundig die Unterbindung jeder um Differenzierung bemühten öffentlichen Kommunikation über die Entwicklung Chinas in Journalismus und Wissenschaft und die Verpflichtung aller öffentlichen Akteure dieses Bereichs auf eine pauschale negative Berichterstattung über China.
 
Wir nehmen die o.g. Vorgänge zum Anlass, um alle Verantwortlichen in Publizistik, Politik und Wissenschaft auf diese beunruhigende Entwicklung und ihre Hintergründe aufmerksam zu machen und für die Wahrung der Grundsätze journalistischer und wissenschaftlicher Professionalität, Eigenverantwortung und Objektivität ohne jede Einschränkungen einzutreten. Insbesondere fordern wir sie auf, sich offensiv und entschieden vor die in der laufenden Kampagne zu Unrecht angegriffenen Personen zu stellen.“


Bewarb sich vergeblich
bei der DW – Exil-
Chinesin Xu Pei
Quelle: www.wikipedia.de
Dieser Offene Brief war der FAZ in ihrer Ausgabe auf der Medienseite vom 11. Oktober nur ein paar Zeilen wert. Autorin Sabine Pamperrien dürfte dafür ihre Gründe gehabt haben. Sie ist nämlich befreundet mit der in Köln lebenden Exil-Chinesin und Schriftstellerin Xu Pei, über die der Unterzeichner des jüngsten Offenen Briefes und Pekingkorrespondent Frank Sieren einiges zutage förderte:
 
Xu Pei habe es sich zur Aufgabe gemacht, vor der „roten Infiltration“ der Kommunistischen Partei in „den deutschen Medien“ zu warnen. Offenbar in diesem Zusammenhang habe sie sich um die Stelle der Vorgesetzten von Zhang Danhong beworben, sei aber dabei nicht einmal in die engere Auswahl gekommen. Es sei ihr aber gelungen, „die freien Journalisten Sabine Pamperrien und Jan Phillip Hein zu überzeugen, eine Artikelserie zu starten. Sie traten die Kampagne gegen Zhang los.“ In einem der Interviews mit den beiden Journalisten erklärte Xu Pei: „Zhang argumentiert als DW-Journalistin wie eine Sprecherin der KP Chinas mit falschen und hohlen Worten.“


Dieter Wiefelspütz: „Zensurver-
suche der chinesischen Regierung
bereits im Kopf“
Quelle: www.abgeordnetenwatch.de
Vorläufiges Ergebnis: Der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Dieter Wiefelspütz urteilte: „Die Dame hat die Zensurversuche der chinesischen Regierung bereits im Kopf.“ Ihre Kommentare seien eine „einzige Katastrophe“. Zhang Danhong wurde von der stellvertretenden Redaktionsleiterin zur einfachen Redakteurin degradiert. Und chinesische Medien nutzen den Fall für eine Kampagne zum Thema Presse- und Rundfunkfreiheit in der Bundesrepublik Deutschland. Am 28. November will der DW-Rundfunkrat über das chinesische Programm des Senders beraten. (PK)
 
Über die an der Kampagne beteiligte Sekte Falun Gong erfahren Sie Näheres in dieser Ausgabe.

Online-Flyer Nr. 169  vom 22.10.2008

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