NRhZ-Online - Neue Rheinische Zeitung - Logo
SUCHE
Suchergebnis anzeigen!
RESSORTS
SERVICE
Unabhängige Nachrichten, Berichte & Meinungen
Aktueller Online-Flyer vom 25. April 2024  

zurück  
Druckversion

Kultur und Wissen
Die lange Theaternacht – nur ein Appetithäppchen?!
Fastfood könnte nicht besser sein
Von Claudia Behr

Wenn man noch nie einen Marathon gelaufen ist, dann sollte man seinen ersten auch nicht ohne langes und hartes Training angehen. Im Sport ist das jedermann klar. Komischerweise denkt man in anderen Disziplinen, beispielsweise in „Kulturtechniken“, ganz anders. Gibt es nämlich endlich die Chance, die geballte Kölsche Kultur- und Theaterladung in nur einer Nacht zu erleben, heißt es nix wie hin und Bühne frei für die phantastische Welt: Man will alles sehen, durchleben und am Liebsten an allen Schauplätzen zugleich sein.

Doch ohne guten Zeitplan, koordinatorisches Geschick und langes Training funktioniert das nicht – Premiere eines unorganisierten Besuchers der 8. Kölner Theaternacht:

8. kölner theaternacht
Quelle: Kölner Theaternacht                                
Der Durchschnittskölner geht wohl eher selten ins Theater. Oft kann er sich nicht aufraffen, die Karten sind häufig zu teuer oder schlicht und einfach: Theater ist zuviel Kultur, und Kino ist sowieso viel billiger als eine Theaterkarte. Kurz, die Kunst des Theaters kommt im alltäglichen Leben einfach viel zu kurz. Schon lange haben die Theatermacher das Problem der sich heimlich einschleichenden Theaterlethargie erkannt, und deshalb wurde wohl auch die Kölner Theaternacht ins Leben gerufen. Die Idee: Die Bandbreite und Vielfalt des Kölner Theatergeschehens sollte den Kölnern nahegebracht werden. Seit acht Jahren schon pilgern die Theaterinteressierten von einer Spielstätte zur anderen und schauen sich an, was die Kölner Theaterwelt zu bieten hat.

Glaubt man als unorganisierter Neuling allerdings, in einer einzigen Nacht das gesamte kulturelle Leben der Stadt entspannt unter einen Hut bringen zu können, dann ist das ein ehrenwerter, aber sicher ein schier unmöglicher Versuch. 39 Theater sind eben schon eine sportliche Herausforderung, aber für insgesamt 17 Euro inklusive Fahrtweg doch ein wahres Schnäppchen. Mal eben kurz ins Theater huschen, hier und dort ein Kabarett oder ein literarisches Spektakel besuchen, auf dem Weg das eine oder andere Gläschen Sekt greifen, um dann wieder einer Tanzperformance beizuwohnen und sofort wieder zum nächsten Ort zu hetzen, um schließlich völlig gestresst auf einer der vielen Partys zu landen. Spätestens dort kann man ja ein wenig durchatmen und den Abend nochmals Revue passieren lassen. Wie durchatmen? Quatsch! Jetzt wird getanzt und sich endlich mal richtig bewegt!

Klug dagegen ist der organisierte Theaterhopper, der sich im Vorfeld seinen Vorführungsplan zurechtlegt und auch die Hinweise des Veranstalters ernst nimmt: Man solle sich möglichst nur auf eins der sechs Kölner Viertel beschränken, die unzählige Theater beheimaten, wie die Innenstadt, einige Viertel auf der Schäl Sick, die Altstadt Nord, das Quartier Latäng, die Südstadt und Ehrenfeld. Denn, man kann ja unmöglich in einer einzigen Nacht 220 Aufführungen auf insgesamt 48 Bühnen besuchen.

Toller Tipp! Aber was macht man, wenn man zwei Vorstellungen in unterschiedlichen Stadtteilen sehen will? Kein Problem: Für diesen Fall gibt es ja noch die Shuttlebusse, die den Theaterfreund zum gewünschten Veranstaltungsort bringen sollen. Nur leider sind sie immer zu der Zeit, wenn man sie denn braucht, wie vom Erdboden verschluckt, oder sie fahren gerade an einem vorbei. Natürlich in die falsche Richtung. Aber auch hier stehen die Veranstalter mit Rat und Tat zur Seite: „Manchmal sind weiter auseinander liegende Theater mit den regulären KVB-Linien schneller zu erreichen, als wenn Sie mit den Shuttle-Bussen die jeweiligen Rundtouren zu den entsprechenden Umsteigeplätzen fahren.“ Gesagt, getan.

KVB Äußere Kanalstrasse Foto: Qualle CC Theaternachtplan Montage: Christian Heinrici
Theater oder „die Leiden der jungen Fahrgäste" – warum nicht gleich in der KVB bleiben...?! | Foto: Qualle CC, Montage: Christian Heinrici

Leider verpasst man dann den Anschluss an die nächste Vorstellung, der Zeitplan wirbelt durcheinander, und das Chaos geht erst richtig los. Welches Stück beginnt als nächstes, wo ist das nächste Theater, warum beginnen die Stücke alle zeitgleich und lohnt es sich, loszurennen oder eher nicht? Aus, Schluss und vorbei mit der entspannten Haltung am Abend. Über die Stücke noch ein wenig zu sinnieren, die letzten Eindrücke zu verarbeiten? Unmöglich.

Während man die letzte Vorstellung hinter sich bringt und der Muskelkater sich langsam durch die Waden kämpft, ist es Zeit für eine Bestandsaufnahme: Was hat man denn nun eigentlich gesehen? Und wieso spürt man plötzlich seine Waden? Das Resultat ist erschütternd: Irgendwie bleibt das Gefühl, gar nichts gesehen zu haben, obwohl man doch die ganze Zeit von einer Vorstellung zur anderen gehetzt ist (und das in meinem Fall garantiert nicht aufgrund von sportlicher Motivation).

Am Liebsten will man alles noch mal und diesmal aber in voller Länge sehen. Und für diese Erkenntnis können sich die Veranstalter auf die Schultern klopfen. Denn sie haben mit der Theaternacht allemal ihr Ziel erreicht. Will man nämlich wissen, wie es weitergeht, muss man sich Theater auf dem klassischen Weg gönnen: Ein einziger Abend, ein vollendetes Stück.

Hier aber noch einige meiner Impressionen der 8. Kölner Theaternacht in Kürze:

Movingtheatre im Heizkraftwerk „RheinEnergie“: „Outopia – nowhere/somewhere“ (modernes Tanz-/Sprechtheater) Für Kulturinteressierte und Liebhaber des modernen Sprechtanztheaters mit Hang zum „Man muss nicht alles verstehen, was man sieht“. Hauptsache, es ist und bewegt sich. movingtheatre.de

das wüten der welt
Quelle: www.fwt-koeln.de                        
Freies Werkstatt Theater:
„Das Wüten der ganzen Welt“ nach dem Roman von Maarten’t Hart. Klassisches Bühnenstück nach der Erstdramatisierung von Johannes Kaetzler. Erzählt wird die Geschichte von dem zwölfjährigen Alexander, der Zeuge eines Mordes wird. Die Angst vor dem Mörder und die Enge seiner Lebenswelt lassen ihn immer wieder in die Welt der Musik flüchten. So begibt sich Alexander auf eine Art Lebensreise, die nicht nur die Frage nach dem Mörder, sondern auch die seiner eigenen Existenz beantwortet.
Mein Fazit: Eine fesselnde Geschichte mit Charakterdarstellern und trotz vielleicht etwas minimalistischer Inszenierung wohl nicht ganz grundlos für den Kölner Theaterpreis 2008 nominiert. www.fwt-koeln.de

„Escht Kabarett“ im Bürgerzentrum Ehrenfeld: Kabarettisten, die die Welt erobern, sprechen über das, was ihr Herz bewegt.
PeeWee (Martin Cordemann) versucht sich als Auftragskiller und hat dabei alles im Griff, Andrea Volk (von Volk und Knecht) plaudert locker-flockig aus dem Nähkästchen, Monika Blankenberg schreibt einen Brief an die Deutsche Bahn und fordert höflich, aber bestimmt, ihr Geld zurück (dürfte den Lesern aus der letzten Ausgabe der NRhZ bekannt sein).
Mein Fazit: Witzig, kurzlebig, mitten im Leben. Für den regulären Nichttheatergänger, der auch noch ein wenig kölsches Kulturgut einfangen möchte. eschtkabarett.de

Henning Schmidtke
Schmidtke klärt musikalische Verbrechen       
auf... | Quelle: www.musikpolizei.com
Henning Schmidtke, ebenfalls im Bürgerzentrum Ehrenfeld: Der Musikkabarettist, der gerne mal alte Schlager nimmt und sie in neue Werbesongs für gestandene Institutionen verwandelt. So wird der Schlagerhit von Costa Cordalis „Anita“ plötzlich zum Megasong der „Johanniter“. Mit seinem Soloprogramm „Musikpolizei“ deckt Schmidtke bahnbrechende Kriminalgeschichten aus der Musikwelt auf. Seine These: Hinter jedem Pophit steckt ein Verbrechen! Mein Fazit: Witzig, peppig und intelligent. www.musikpolizei.com

„Kunst gegen Bares“: Die ultimative Bühnenshow für junge Künstler, Profis und bisher Unentdeckte. Jeder kann sein Können hier zum Besten geben: Ob Akrobatik, Schauspiel, Musik oder Literatur. Das Besondere ist, dass das Publikum selbst entscheiden kann, wie viel Bares ihnen die jeweilige Darbietung wert war. Moderiert wird die Offene Bühnenshow von Gerd Buurmann (bekannt von der „Literatur um 8“ im Café Duddel). Unterstützt wird er von der unerschrockenen Frau Scholten alias Maria Luise Winkendick, die mit ihrer prüden und leicht verstaubten Art das Publikum immer wieder zum Lachen bringt.
Mein Fazit: Witzig, abwechslungsreich und immer eine Reise wert. Kunst gegen Bares kann jeden Montag um 20 Uhr im Severins Burg Theater eingetauscht werden. kgb-cologne.de/10.html
(CH)

Online-Flyer Nr. 167  vom 08.10.2008

Druckversion     



Startseite           nach oben

KÖLNER KLAGEMAUER


Für Frieden und Völkerverständigung
FOTOGALERIE