NRhZ-Online - Neue Rheinische Zeitung - Logo
SUCHE
Suchergebnis anzeigen!
RESSORTS
SERVICE
Unabhängige Nachrichten, Berichte & Meinungen
Aktueller Online-Flyer vom 20. April 2024  

Fenster schließen

Kultur und Wissen
Kölner Prominente nehmen Stellung zu „Pro-Köln“ und bewegen
Zäng ussenander
Von Christian Heinrici

Wie schon vor 16 Jahren auf dem Chlodwigplatz in Köln stand sie wieder auf der Bühne, diesmal vor dem Gürzenich in der Kölner Altstadt, die „Arsch huh-AG“: Bap, Nick Nikitakis, Jürgen Zeltinger und Band, Brings und Vater Rolly, das erweiterte Duo Köster-Hocker, die Höhner, Samy Orfgen, Tommy Engel, Anke Schweitzer, der 1. Kölner Schwulenchor „Triviatas“, die Moderatorin Shary Reeves, frisch ergänzt durch den Kabarettisten Wilfried Schmickler, Reggae-Star Gentleman und die Gruppe Klee...

...demonstrierten Geschlossenheit und musikalische Vielfalt: gegen rechtsradikale Umtriebe, die uns mittlerweile vielleicht noch ein Stückchen lausiger auf den Kölner Pelz gerückt sind, und für ein Miteinander der Kulturen, Religionen und unterschiedlichen Orientierungen, die diese Stadt prägen. Und dazu gehören ohne Zweifel der Spaß und die Lust am Feiern – was am 20.9. auch äußerst sinnig war, da es durch die engen Altstadtgassen bis auf den Kölner Heumarkt schallte, wo die angekündigte „Massenkundgebung“ der selbsternannten „Bürgerbewegung Pro-Köln“ schon auf ein Häuflein übellauniger Islamophobiker zusammengeschrumpft war.

Arsch huh zäng ussenander Köln Gürzenich 20.9.2008 Foto Christian HeinriciArsch huh zäng ussenander Köln Gürzenich 20.9.2008 Foto Hans-Dieter Hey orfgen klee
Kerstgens, Scho-Antwerpes, Orfgen, Engel, Krautmacher, Zeltinger, Schweitzer, Niedecken und Mitglieder von Triviatas heizen ein
Foto: Christian Heinrici

Christian Heinrici nutzte die Gelegenheit, die Stimmen der prominenten Kölner einzufangen, und jene ebendiese wiederum zu einer klaren Stellungsnahme gegen „Pro-Köln“ und Konsorten. Die Vielfalt der versammelten Künstler war so groß, dass er nicht alle interviewen konnte, aber das hole er, so versicherte uns Heinrici, „bei Gelegenheit“ nach. Ein ausführliches Interview mit Rolly Brings finden Sie ebenfalls in dieser Ausgabe – die Redaktion.


Henning Krautmacher:
„Ich bin dafür, dass ich dagegen bin, ist zu wenig“


Henning Krautmacher Höhner Foto: Christian Heinrici
Henning Krautmacher von den Höhnern         
Foto: Christian Heinrici
„Ich glaube, das ist unser größtes Ziel, das wir zu verfolgen haben: Dass sich jeder seine eigene Meinung bildet und dann gegen diese rechten Machenschaften antritt und seine Stimme erhebt. Denn: ‚Ich bin dafür, dass ich dagegen bin’, ist zu wenig. Wir haben vor 16 Jahren schon einmal erfolgreich gearbeitet, und die Rechten sind damals nicht in den Stadtrat eingezogen, und es zeichnet sich ja jetzt ab, dass die Aktion erfolgreich ist, weil das Bewusstsein der Menschen nicht auf der Seite von ‚Pro-Köln’ ist.“

Sie erreichen ja eine ganze Menge „normale Leute“, auf die auch „Pro-Köln“ abzielen. Was könnte man da noch tun, um mehr Bewusstsein zu schaffen?

„Normal ist schon ein ganz gutes Stichwort. Sind wir nicht alle normale Leute? Die große Mehrheit sind die normalen Leute. Da gibt es immer wieder kleine Gruppierungen, die meinen, sie müssten die normalen Leute, die Massen für sich mobilisieren, und das wollen wir einfach nicht den Rechten überlassen. Unsere Aufgabe sehe ich darin, diejenigen wachzurütteln, die noch nicht aufgepasst haben, diejenigen, die oft nur stoisch hinterherlaufen. Leuten zu vermitteln, sich mit der Sache auseinander zu setzen, denn der normale Menschenverstand müsste einem eigentlich sagen, dass wir nicht auf diese Welt gekommen sind, um einander zu bekämpfen. Wir sind für ein Miteinander auf diese Welt gekommen, also für Menschlichkeit. Humanitäre Gedanken sind es, die uns beflügeln sollten. Ich denke, heute schaffen wir da eine ganze Menge, denn da, wo die Sprache aufhört, fängt die Musik an, ich denke, da konnten wir heute schon eine ganze Menge vermitteln.“

Gibt es nicht auch im Karneval die Möglichkeit, sich mit ein paar Leuten zusammenzutun und einen Song zu schreiben, der den Leuten noch mal ganz klare Ansagen macht?


„Wir haben eigentlich nie damit aufgehört, auch wenn das nicht immer so vordergründig geschieht. Wir sind ja heute hier auch mit dem Lied „Der kölsche Pass“ auf der Bühne gewesen, da haben wir vor 2-3 Jahren noch mal einen Song kreiert, der Integration thematisiert. Wenn das auch über das vordergründig karnevalistische Vehikel mit dem „Kölner Pass“ geschieht, fallen doch in dem Song solche Worte, dass die Leute hier gerne gesehen sind, willkommen geheißen werden und die Kölner nicht für sich in Anspruch nehmen, dass man hier geboren sein muss.

die Höhner Konzert gegen rechts am Gürzenich Köln, Foto: Christian Heinrici
Volkes Mund tut Wahrheit kund. Die Höhner mit einer neuen Version:
„Die Blockade geht weiter, kein Nazi kommt durch!“ | Foto: Christian Heinrici

Man kann sich in die Stadt integrieren und versuchen, sich zu arrangieren, und so gibt es ein Miteinander, das wir alle anstreben. Wir machen das ja ständig, und in der kommenden Session darf man auch gespannt sein, was da von den Höhnern kommt. Ich will da noch nicht zu viel verraten, aber auch in der kommenden Karnevalssession wird es wieder Thema sein...“


Tommy Engel: „Wir bleiben wachsam“

Ein kurzes Statement zu „Pro-Köln“ bitte, Herr Engel...


tommy Engel severinsbuergerpreis Foto: Raimond Spekking
Tommy Engel
Foto: Raimond Spekking              
„Eigentlich weiß ich gar nicht, was die wollen... Ich bin mir da nie so sicher, bei Leuten, die so eine Meinung vertreten und denken, man könnte sich solch ein Leben mit solchen Ansichten hier vorstellen... damit hab ich schon meine Schwierigkeiten! Da gehören ja auch Leute dazu, die den Holocaust immer noch leugnen! Das kann nicht normal sein, und man muss sie nicht alle auf der Pfanne haben, wenn man versucht, so etwas einfach unter den Teppich zu kehren.

Zum zweiten wird es in einer Stadt wie Köln (für solche Rechtsradikale, Erg. d. Red.) sehr schwierig sein, denn wir sind gewohnt, mit sehr vielen verschiedenen Leuten umzugehen: Wir haben den wunderbaren Schwulentag, den CSD, wir haben unseren Karneval, der ja mittlerweile auch sehr international ist, und wir ein ganz großes Potential von Leuten, die gute Songtexte auch in diese Richtung schreiben...

Trotzdem haben wir auch 5 Prozent der Wähler bei den letzten Kommunalwahlen, die „Pro-Köln“ ihre Stimme gegeben haben... wie könnte man diese Leute erreichen?

Ich weiß nicht, ob man die überhaupt noch erreichen kann. Ich würde mich gerne mal mit jemandem, der für „Pro-Köln“ oder ein Parteimitglied ist, mal zusammensetzen und ein paar Worte wechseln. Und ich glaube, da würde man sehr schnell feststellen, wer hier wirklich auf dem Holzweg ist. Ich bin der Meinung, dass das einfach nicht geht, das geht heute nicht mehr! Wir sind alle mehr oder weniger für Europa, wir wollen, dass wir alle zusammenwachsen, und dass man ohne Grenzen überall hinfahren kann, wohin man hin will – und das natürlich auch in umgekehrter Richtung. Da kann man so eine Meinung nicht mehr vertreten. Für mich ist das vollkommen out – das ist schwachsinnig!

Aber, wir bleiben wachsam, und das ist auch richtig so. Ich würde mir auch wünschen, dass es auch in Sachsen passiert. Wenn ich dann im Fernsehen einen Bericht sehe, dass dort zwei Jugendliche von Rechtsradikalen umgebracht worden sind, die Politik und die Rechtsprechung dort so agiert, dass man die Leute nicht fasst oder hinter Schloss und Riegel bringt, dann ist mir das immer noch ein Rätsel...


Gentleman: „Ich bin stolz auf Köln“

Was sagst Du zu Pro Köln, denn es gibt ja Tendenzen wachsender Islamfeindlichkeit und des Rassismus im Allgemeinen in Köln und in Deutschland. Übrigens, schön, dass Du da bist, das haben viele Leute sicher nicht gewusst oder erwartet?

Gentleman auf Konzert gegen rechts am Kölner Gürzenich 20.9. 2008 Foto: Christian Heinrici
Echopreisgewinner Gentleman: Enthusias-    
tisch und nur mit Plattenteller als Kapelle
Foto: Christian Heinrici
„Nein, ich wusste das bis gestern auch noch nicht! Meine Band ist auch im Moment nicht da, aber ich habe mich verpflichtet gefühlt, hier irgendwas zu machen. Diese Dreistigkeit, sich ‚Pro Köln’ zu nennen und das ganze auch noch ‚Anti-Islamisierungs-Kongress’ zu nennen, ist unfassbar. Ich muss sagen, ich bin stolz auf Köln. Ich musste heute morgen auch ein bisschen lachen, als ich die Zeitung gelesen habe, dass die hier kein Taxi, keinen Bus und kein Hotelzimmer bekommen haben. Ich hatte eigentlich auch nichts anderes erwartet. Ich hätte mir zwar eigentlich die absolute Ignoranz gewünscht, also keine Medienberichte, aber ich finde es jetzt auch umso wichtiger, die Fresse aufzumachen und zu zeigen: Ihr seid in der Minderheit und werdet auch in der Minderheit bleiben, denn es gibt in Köln einfach keinen Platz für so ein scheiß Gedankengut!

Du bist ja sicherlich für viele junge Musiker auch ein Vorbild. Hast Du vielleicht einen Vorschlag, wie die gegen ähnliche Entwicklungen angehen können?

„Ich glaube, in dem Moment, wo man politische Erfahrungen in seinen Songs verarbeitet, ist man schon auf dem richtigen Dampfer. Musik ist natürlich Entertainment, aber ich finde, dass die Musik auch darüber hinausgehen muss, dass wir als Künstler irgendwie dazu verpflichtet sind, politisch zu agieren, da wir einfach auch eine Menge verändern können. Wir können die Welt zwar vielleicht nicht verändern, aber wir können sie ‚süßer’ machen. Gerade Köln. Ich bin hier aufgewachsen, ich kenne nichts anderes als ein zufriedenes Miteinander von allen Religionen, Kulturen und Konditionierungen.“

Wilfried Schmickler: „Wir müssen dahin, wo die Probleme sind“

Herr Schmickler, ein paar gewohnt klare Worte zu „Pro-Köln“?


Wilfried Schmickler 2007 Euromarschempfang Köln Foto: Hans-Dieter Hey
Immer für ein paar Spitzen
und gut: Wilfried Schmickler     
Foto: Hey    
„Das Problem ist nicht ‚Pro-Köln’, das Problem sind die Leute, die ‚Pro-Köln’ wählen, und das sind in Köln – das darf man nicht verschweigen – bei den letzten Kommunalwahlen 17.000 Leute gewesen. Wenn wir da die 3.000 ‚Reps’ noch dazunehmen, dann haben wir 20.000 Kölner und Kölnerinnen, die diese Partei gewählt haben. Und ohne diese Leute, wäre die Partei gar nichts. Und deshalb sind diese Leute das Problem, die die Partei wählen und nicht die Partei.

Sehr viele Leute sind ja dabei, Aufklärungsarbeit gegen Pro Köln zu leisten, müssten die sich vielleicht noch ein wenig mehr aus dem Elfenbeinturm herausbegeben?

Wir müssen dahin, wo die Probleme sind! Wir müssen zum Beispiel in die Hauptschulen gehen, nach Ehrenfeld oder Kalk... und wir haben da zum Beispiel auch gerade ein Projekt in einer Schule in Ehrenfeld. Und wenn Sie sehen, was dort für Probleme auftauchen, wie dort im ganz kleinen Bereich, und bei den ganz Kleinen schon die Widersprüche aufeinander treffen. Die Widersprüche zwischen den verschiedenen Kulturen, der unterschiedlichen Herkunft, obwohl sie alle hier herkommen, da muss man unbedingt rangehen! Und da ist das Feld, wo man den Boden für die Zukunft bereitet – da passiert viel zu wenig!“

 
Wolfgang Niedecken: „Die werden ein neues Schafsfell finden“

Herr Niedecken, ein kurzes Statement bitte zu „Pro-Köln“, und was sich seit dem ersten Konzert von „Arsch huh“ 1992 getan hat.


„Neu ist, dass wir Leute von „Pro-Köln“ im Stadtrat sitzen haben, das ist ärgerlich. Und die haben es natürlich geschafft, sich in die Kölner Seele einzuschleimen. Wenn man den Kölnern mit Köln kommt, möglichst mit fünf L, da sind die begeistert. Denn sie lieben ihre Stadt, und der eine oder andere, der nicht unbedingt politisch informiert ist, ist dann auch geneigt darauf reinzufallen... Ich hab mich in den letzten Jahren auch immer gewundert, dass nichts dagegen passiert, hab aber auch dann begriffen, dass man an so ein Thema mit Gelassenheit herangehen muss, dass man den Ball flach halten muss und sie nicht überbewerten, keine unnötige Propaganda machen soll.

Wolfgang Niedecken Bap Konzert gegen rechts am Gürzenich Köln Foto: Christian Heinrici
Quer gestellt, aber „jeraduss" gesungen: Wolfgang Niedecken und Bap beim Konzert am Gürzenich | Foto: Christian Heinrici

Vielleicht ist der Ball etwas lange flach gehalten worden, aber es spricht ja für sich, dass es die Stadt geschafft hat, „von selbst den Arsch hoch zu kriegen“, in dem Moment, in dem es wirklich gereicht hat: Dieser Kongress war der Punkt, an dem das Fass zum Überlaufen kam. Auf einmal gab es an allen Ecken Aktionen. Ich war wirklich nicht einer von denen, der es zuerst gemerkt hat. Ich hab’ gedacht, was ist das, „Kein Kölsch für Nazis“?, auf den Bierdeckeln, den Plakaten oder als ich von der Aktion hörte „11.000 Bauchtänzer gegen Rechts“ – sensationell! In den Schulen, privat, in Geschäften, überall entstand etwas... Man kann wirklich stolz sein, in einer Stadt zu leben, in der diese Selbstreinigungskräfte wirklich funktionieren.

"Kein Kölsch für Nazis" Leserin vertieft in eine Sonderausgabe der SoZ, NRhZ, Evrensel, Arbeiterfotografie, Foto: Hans-Dieter Hey
„Kein Kölsch für Nazis": Leserin vertieft in          
eine Sonderausgabe der SoZ, NRhZ,
Evrensel, Arbeiterfotografie | Foto: H-D. Hey
Das ganze Wochenende über gibt es Veranstaltungen in Clubs, in Kulturzentren, die sich auch mit dem Thema befassen. Man hat ja nicht wirklich gehofft, dass man das heute hier komplett zum Erliegen bringt. Trotzdem muss man natürlich sagen, es wird jetzt nicht ein für alle Mal mit dem Thema zu Ende sein, das Thema bleibt uns erhalten. Die werden in einer neuen Maske wieder auftauchen, die werden ein neues Schafsfell finden, was sie sich überhängen können, also die Nasen, die da an der Spitze sitzen, die haben wir schon in allen Parteien gehabt, die ich nicht demokratisch nennen würde!“

Welche Schritte müssten Ihres Erachtens als nächste folgen?

„Bei der nächsten Wahl müssen die eine riesige Schlappe erleiden, dass sie nicht mehr in den Stadtrat kommen. Dann können nämlich unsere demokratischen Volksvertreter richtig arbeiten, die halten ja den ganzen Betrieb auf mit ihrem Scheiß.“

 
Sehen Sie hier Video von „Arsch huh, Zäng ussenander“ von der Demonstration und dem Konzert gegen „Pro-Köln“ in der Kölner Altstadt am 20.9. 2008.
Das Startbild ist ein Ausschnitt eines Fotos von Hans-Dieter Hey vom „Arsch huh"-Konzert und zeigt Suzie Kerstgens von Klee und Samy Orfgen. (CH)


Online-Flyer Nr. 165  vom 24.09.2008



Startseite           nach oben