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Interkultureller Straßenkarneval treibt braune Geister in Köln-Ehrenfeld aus
„Tanz der Welten“
Von Christian Heinrici

Karneval in Köln? Das ist doch nichts Besonderes! Doch, ein Karneval, der im Sommer stattfindet und die Besonderheiten zeigt, die die Stadt auszeichnen, ist es sehr wohl: Der „Karneval Global“ zeigte genau das, nämlich die unzähligen Kulturen und Subkulturen, die Köln seit seiner Entstehung vor 2000 Jahren bereichern. Und das ist wiederum besonders wichtig, in einer Zeit, in der Ängste und Vorurteile gegenüber Kulturen und Bevölkerungsgruppen mit aller Kraft geschürt werden.

„Als im letzten Jahr der Streit um den Umbau der Moschee in Ehrenfeld entbrannte, wurde mehr als deutlich, dass das Zusammenleben in Köln von allen Seiten oft von Vorurteilen, Ablehnung und Angst begleitet wird“, erklärten die Veranstalter des Karneval Global eine ihrer wichtigsten Motivationen, auch in Köln einen interkulturellen Sommerkarneval ins Leben zu rufen: gerade in diesen Tagen ein „brennendes Thema“. Und so war es auch nicht verwunderlich, dass der Kölner Karneval der Kulturen, der im Jahre 2007 zum ersten Mal durch Ehrenfeld gezogen war, mit rund eintausend Teilnehmern am 6. September 2008 doppelt so viele interkulturelle Karnevalisten zu verzeichnen hatte.

„Wieso gibt es eigentlich in Köln keinen Karneval der Kulturen...?“, hatte sich Tobias Birke, Gründungsmitglied des Karneval Global e.V. gefragt, wo Köln doch die „Hauptstadt des Karnevals“ sei und rund 30 Prozent Menschen mit Migrationshintergrund in der Stadt leben. Wenn man so etwas erleben will, müsse man dann durch die halbe Republik zum Berliner Karneval der Kulturen reisen, so Birke weiter, oder, könnte man hinzufügen, zu dem noch berühmteren „Notting Hill Carnival“ im gleichnamigen Stadtteil Londons, die sicher allesamt Pate für die Idee standen.

"Mir all sin Kölle" Christine Schmidt Karneval Global Köln Foto: Christian Heinrici
„Mir all sin Kölle" gefällt mir auch viel besser als „Du bist Deutschland“

Die Berliner haben sich übrigens „ihren“ „Karneval der Kulturen“, der mittlerweile ziemlich kommerzielle Züge aufweist, markenrechtlich schützen lassen, worauf die Kölner Initiatoren sich letztes Jahr in „Karneval Global“ umbenennen mussten – was auch nicht viel schlechter klingt. Und so standen beim Konzept auch viel mehr politische Ansätze von unten und das aktive Mitgestalten und Miteinander im Vordergrund:

„Unser Ziel ist es, einen Akzent gegen Fremdenfeindlichkeit und Ausgrenzung zu setzen und die Neugier an anderen Kulturen und Subkulturen zu wecken. Darüber hinaus sollen Interessierte die Möglichkeit haben, Initiativen, Hilfseinrichtungen der Integrationsarbeit und der internationalen Zusammenarbeit kennenzulernen, bei denen man mitwirken kann, um die alltägliche Lebenswelt im Veedel oder in der Stadt mitzugestalten“, kann man auf der Webseite des Vereins lesen.

„Tanz der Welten“ lautete – ganz auf die üblich bescheidene Kölner Art – das diesjährige Motto, und so fanden sich neben zahlreichen Zuschauern und „Mitgestaltern“ aller Damen und Herren Länder auch die bekannte Percussionsgruppe Mama Afrika, die Sambatrommler vom Maracuta e.V. und der Unidos de Colonia, das Guggenmusik Kunstorchester Kwaggawerk, die lateinamerikanische Band „Too loud“ und viele andere ein, um die braunen Geister auszutreiben, die zuweilen in den Köpfen einiger Zeitgenossen spuken.

Kölsches Mädscha Kinderschminken Karneval Global Köln Foto: Christian Heinrici
Kölsches Mädsche Nr. 2

Nicht nur Kinder, sondern auch Autos wurden geschminkt, und die Capoeira-Schule Porto de Minas zeigte ihre Kunst des brasilianischen Kampftanzes. Wenn auch der Auftakt auf dem Neptunplatz noch etwas verhalten war, nahm der Zug spätestens auf der Venloer Straße Schwung auf: An der Moschee der DITIP-Gemeinde machte der Wagen des „Bass Präsidiums“ angesichts der braunen Umtriebe von „Pro-Köln“ noch einmal klar, was politischer Straßenkarneval bedeutet.

Auf etwas stillere, aber sehr effektvolle Art demonstrierte die politische Straßentheatergruppe des Allerweltshauses Köln unter dem Motto „go for bunt“ gegen das „Schwarz-Weiß-Denken“, und dass globale Probleme wohl auch nur in einem globalen Bewusstsein gelöst werden können (siehe Bilder unten) .

Schließlich endete der bunte Umzug durch Köln-Ehrenfeld auf dem Gelände von „Jack in the Box“, an der Vogelsanger Straße, auf der Brache des ehemaligen Güterbahnhofs, wo sich der Verein darum kümmert, alternative Beschäftigungsmodelle und mit Menschen, die von Hartz-IV leben müssen, eine lebenswerte Perspektive zu entwickeln.

Gebrauchskunst aus Kronkorken Jack in the Box Karneval Global Köln Foto: Christian Heinrici
Schön und sinnvoll: Gebrauchskunst aus Kronkorken bei „Jack in the Box"

Der Karneval Global 2008 endete (spät) mit einem großen Fest auf dem Gelände, auf dem Gruppen und Organisationen, Künstler und „faire Händler“ ihre Stände hatten, mit zahlreichen DJs sowie mit der Musik von Bambam Babylon Bajasch und den punkigen Liedermacher-Songs mit sehr lyrischen Texten von Gottfried Beat, um nur meine persönlichen Highlights zu erwähnen. Auch die Band EleganCi zählte ohne Zweifel dazu, die eine heiße Mischung aus Balkanmusik und Rhythmen spielte, die mitrissen und unbedingt zum Tanzen aufforderten. Bemerkenswerterweise gab es „TNT“ und „Highway to hell“ von AC/DC als Zugaben, bei denen Drago Ritter nicht nur seine Vielfalt an der Gitarre, sondern auch Esprit und Witz bewies.

Gottfried Beat Karneval Global Köln Foto: Christian Heinrici
Gottfried Beat: lyrisch-punkige Lieder und ein Hase am Bass
Alle Fotos: Christian Heinrici

Und das war fast „schon“ der Abschluss einer gelungenen karnevalistischen Einlage mitten im Jahr, doch nach nur kurzer Unterbrechung durch das Kölner Ordnungsamt und durch Bereicherung des Kölner Musikers Sascha Loss klang der Abend noch in einigen spontanen Sessions aus Rock, Folk und Blues, untermalt durch afrikanischen Gesang und Rhythmen, aus.

So war er, der Karneval Global in Köln: Vielfältig, fantasievoll, kreativ und kritisch und… Appetit machend auf das nächste Jahr! (PK)

Aber, bis dahin gibt es noch ein paar Bilder:


Banner Karneval Global Köln Foto: Christian Heinrici Kölner Skyline
Die Kölner Skyline der Zukunft


Fahnenschwenkerin aus Simbabwe Karneval Global Köln Foto: Christian Heinrici
Karneval – global und passend: Fahnenschwenkerin aus Simbabwe
vor „Unidos de Colonia“


Brasilianische Lebensfreude Karneval Global Köln Foto: Christian Heinrici
Brasilianische Lebensfreude: Maracuta e.V. mit Strohhut
vor gleichnamigem Reisebüro


straßentheatergruppe Karneval Global Köln Foto: Christian Heinrici
Die politische Straßentheatergruppe des Allerweltshauses macht auf globale Zusammenhänge aufmerksam...


kommunikation handy straßentheatergruppe Karneval Global Köln Foto: Christian Heinrici
...und darauf, dass moderne Technik noch nicht Kommunikation ermöglicht


wir stellen uns quer Karneval Global Köln Foto: Christian Heinrici
Auch „Pro-Köln“ würden wir lieber von hinten sehen:
Ordnerin des Zuges mit sinnigem Motto


Kwaggawerk Karneval Global Köln Foto: Christian Heinrici
Auch die Kwaggawerker blasen gegen den braunen Ungeist an


Bunte Funken gegen braune Halunken Karneval Global Köln Foto: Christian Heinrici
Inspirierend, braune Halunken mit Klobürsten zu jagen
Alle Fotos: Christian Heinrici

Online-Flyer Nr. 164  vom 17.09.2008



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