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Aktueller Online-Flyer vom 19. April 2024  

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Arbeit und Soziales
Die Reform der Hartz-IV-Reform
Verfolgungsbetreuung plus – Teil 6/6
Von Prof. Dr. Michael Wolf

In unserer letzten Folge beleuchtet Prof. Dr. Michael Wolf, wie mit Hartz-IV Bürgerinnen und Bürger unter Generalverdacht gestellt und zu Feinden des Staatsapparates gemacht werden. Letztlich wird mit Hartz-IV die Demokratie durch die politisch Verantwortlichen ausgehöhlt. An sich wäre deutlicher Widerstand angesagt, denn von einem sozialen Rechtsstaat kann in diesem Land nicht mehr ernsthaft – so Wolf – gesprochen werden. Und erneut lassen sich die Massenmedien wie Sat1 vor den politischen Karren spannen und machen in Hetzkampagnen Opfer zu Tätern (NRhZ-Flyer Nr. 161). Die Redaktion.
Immer mehr Erwerbstätige hilfebedürftig

 
Zur Unterstützung ihrer Arbeit bedient sich die RMJ, begründet mit einer "Erhöhung der Kundenzahl" (ebd.) und mit Bezug auf § 37 SGB III, Dritter, in diesem Falle der Zeitarbeitsfirma Adecco, einer der größten Global Player der Leiharbeitsbranche, was Klartext gesprochen bedeutet, dass auf der einen Seite immer mehr erwerbsfähige Arbeitslose hilfebedürftig werden und damit auf Existenzsicherungsleistungen nach dem SGB II angewiesen sind und dass auf der anderen Seite sich die Arbeitsverwaltung mit der Bearbeitung dieses Problems überfordert und deswegen aufgefordert sieht, Dritte einzuschalten, von denen sie annimmt, sie könnten einen Beitrag leisten zur Erreichung des oben genannten Ziels: "Hilfsbedürftigkeit zu vermeiden, einem längeren Leistungsbezug vorzubeugen sowie die Bereitschaft zur Arbeitsaufnahme zu prüfen" (ebd.). Die RMJ nimmt hierbei von Adecco als Dienstleistung das "Anbieten eines konkreten Arbeitsplatzes" als auch die Zuweisung zu einem "assistierten Jobchoaching" (ebd.: 2) in Anspruch, wobei Adecco allein für das Jobcoaching die Zahlung einer Pauschaule für 60 Personen pro Monat durch die RMJ garantiert wird. Ausdrücklich zu denken in diesem Zusammenhang gibt überdies, dass, erstens, die RMJ erwerbsfähige Hilfebedürftige per "Einladung" auffordert, sich bei Adecco vorzustellen und dass sie hierbei versucht, die Betroffenen gezielt irrezuführen, indem sie diese mit Verweis auf § 59 SGB II i.V.m. § 309 SGB III glauben machen will, dass das Nichtwahrnehmen der "Einladung" eine sanktionsbewehrte Verletzung der Meldepflicht darstelle. (Schriftliche Mitteilung eines Betroffenen vom 13. März 2008)


Was manche glauben,....

Dies ist jedoch, wie der Spruchpraxis der Sozialgerichte zu entnehmen ist, nicht der Fall. So führt zum Beispiel das Sozialgericht Hamburg hierzu aus: "Rechtmäßig ist nur die Aufforderung, sich bei einer gesetzlich vorgesehenen Meldestelle (ARGE oder die zur Durchführung einer Untersuchung vorgesehenen Ärzte und Psychologen) zu melden. Ein versäumter Termin bei einem privaten Maßnahmeträger […] ist keine Meldepflichtverletzung nach § 59 SGB II i.V.m. § 309 SGB III." (SG Hamburg - S 17 AS 101/07 ER vom 29. Januar 2007) Nicht weniger bemerkenswert ist, zweitens, dass es sich bei Adecco um ein Unternehmen handelt, das nicht nur mit einem Büro in den Räumen der RMJ residiert, sondern dass auch den ehemaligen Wirtschafts- und Arbeitsminister Wolfgang Clement davor bewahrte, arbeitslos, wenn auch nicht hilfebedürftig zu werden, indem es ihn nach seinem Ausscheiden aus der rot-grünen Bundesregierung zum Vorsitzenden des Adecco-Institute, einer von Adecco finanzierten Forschungseinrichtung zum Thema Arbeit, berief, um ihm, gewissermaßen wie auch den Hartz-IV-Betroffenen, eine "zweite Chance" zu geben, als 'wissenschaftlicher Experte' und Lobbyist für Zeitarbeit seine Vorstellungen über die Zukunft der Zeitarbeit zu Nutz und Frommen von Adecco und den Neuantragstellern bei RMJ umzusetzen, nämlich den Anteil der Zeitarbeiter an allen Beschäftigten von 1,7 auf fünf Prozent nahezu zu verdreifachen. (vgl. Paetz 2006)
 

...sieht in Wirklichkeit...
Auch wenn im Gegensatz zu der flächendeckenden Einführung von Sozialdetektiven, einer ebensolchen Durchführung automatisierter Datenabgleiche und abfragen und der regelmäßigen telephonischen Überprüfung der faktischen Verfügbarkeit der Hartz-IV-Betroffenen der repressive Charakter des Sofortangebots nicht auf den ersten Blick offen zutage tritt, so lässt die Beantwortung der Kleinen Anfrage durch die Bundesregierung trotz deren Klassifizierung der Neumünsteraner Praxis als Rechtsverstoß summa summarum erkennen, dass sie die mit dem § 15a SGB II geschaffenen Sofortangebote grundsätzlich als Instrument zur Abschreckung potentieller Leistungsberechtigter befürwortet. "Die Bundesregierung sieht keine Notwendigkeit, durch gesonderte Maßnahmen und Schritte auf die Umsetzung der Sofortangebote Einfluss zu nehmen." (BT-Drs. 16/ 5192: 5) Und auch die vorgetragenen Beispiele zeigen deutlich, worauf das SGB-II-Fortentwicklungsgesetz setzt: fast ausschließlich auf Abschreckung und Sanktionen, kurz auf eine Fortentwicklung der Verfolgungsbetreuung, um den erwerbsfähigen hilfebedürftigen Arbeitslosen den erstmaligen oder fortgesetzten Zugang zu den Existenzsicherungsleistungen zu verwehren.

VI Bürger unter Generalverdacht

Indem die meisten Regelungen des Fortentwicklungsgesetzes dem Ziel der (Wieder-) Eingliederung in den Ersten Arbeitsmarkt so gut wie keine Aufmerksamkeit schenken, sondern statt dessen als Instrumente zum flächendeckenden Test der Arbeitsbereitschaft von einem nicht auf den Einzelfall bezogenen Generalverdacht auf Leistungsmissbrauch ausgehen, dem "energisch und konsequent entgegen[ zu]treten" (Bundesregierung 2005: 35) sei, in eben diesem Sachverhalt kommt recht deutlich zum Ausdruck, dass es den politisch Verantwortlichen, aber auch ihren willigen und übereifrigen behördlichen Vollstreckern, nicht um die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit geht, sondern um die der Arbeitslosen. Dies hat einen zu beunruhigen, weil es in fataler Weise erinnert an das politische Denken des konservativen Staatsrechtlers Carl Schmitt, der den Normalfall des Staates als Ausnahmezustand zu erklären sucht und hierbei der spezifisch politischen "Unterscheidung von Freund und Feind" (Schmitt 1963: 26) eine existentielle Bedeutung zumisst.
 

...ganz anders aus.
Quelle: arbeiterfotografie.com


Schmitts "bis zur Kenntlichkeit entstellt[er]" (Preuß 1994: 129) und durch den "äußersten Intensitätsgrad einer […] Dissoziation" (Schmitt 1963: 27) charakterisierter Begriff des Politischen beruht auf der Überlegung, dass es Aufgabe jedes normalen Staates sei, "innerhalb des Staates und seines Territoriums eine vollständige Befriedung herbeizuführen, 'Ruhe, Sicherheit und Ordnung' herzustellen ", was in "kritischen Situationen" dazu führe, dass der "Staat als politische Einheit von sich aus […] auch den 'innern Feind' bestimmt. In allen Staaten gibt es deshalb in irgendeiner Form […] schärfere oder mildere, ipso facto eintretende oder auf Grund von Sondergesetzen justizförmig wirksame, offene oder in generellen Umschreibungen versteckte Arten der Ächtung, des Bannes, der Proskription, Friedloslegung, hors-la-loi-Setzung, mit einem Wort: der innerstaatlichen Feinderklärung." (ebenda: 46 f.) Da der Ausnahmezustand jener Zustand sei, in dem die prinzipiell permanent vorhandene Gefahr abgewendet werden muss, wird folgerichtig der Ausnahmezustand zum Normalfall des Staates und die innerstaatliche Feinderklärung für den Staat schlechthin konstitutiv, wobei für Schmitt der politische Feind weder "moralisch böse" noch "ästhetisch hässlich" ist, sondern "der andere, der Fremde" (ebenda: 27), derjenige, "gegen den eine Fehde geführt" wird oder der einfach nur bestimmt ist "negativ […] als Nicht-Freund" (ebenda: 104 f.).
 
Wenn, wie Kirchheimer feststellt, jedes politische Regime seine Feinde hat oder sie zu gegebener Zeit produziert (vgl. Kirchheimer 1985: 21), dann stellt sich die Frage, wer jeweils konkret die Feinde sind. Allgemein ließe sich formulieren: Minderheiten, ganz gleich, ob es sich um rassische, ethnische, kulturelle, religiöse, politische oder auch soziale handelt. So waren es in der Zeit des Nationalsozialismus vornehmlich die Juden, während der sogenannten Rekonstruktionsperiode nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs hauptsächlich die Kommunisten und in der Phase der keynesianischen Globalsteuerung ab 1967 vor allem die 'Neue Linke'. Und heute, das heißt seit dem Ende des "kurzen Traum[s] immerwährender Prosperität" (Lutz 1984) und der seit den 1980/90er Jahren immer durchgreifender sich vollziehenden neoliberalen Restrukturierung der Gesellschaft? Nicht die Juden, sind diese doch seit dem Holocaust als Israelis Freunde geworden. Die Kommunisten auch nicht, da diese nach dem Zerfall der staatssozialistischen Gesellschaften zu veritablen Geschäftspartnern avancierten. Und die Neue Linke erst recht nicht, seit sie nach dem "Marsch durch die Institutionen" (Dutschke) gesellschaftsfähig geworden in den Sesseln der Macht Platz genommen hat. Also sind es, wofür etliches zu sprechen scheint, jene, die sich "sozialschädlich" oder "gemeinschaftsgefährdend " verhalten: die auf sozialstaatliche Existenzsicherungsleistungen angewiesenen erwerbsfähigen Arbeitslosen, deren Makel nicht darin besteht, dass sie ohne Arbeit sind, sondern dass sie es sind oder (unterstelltermaßen) sein wollen, obwohl sie es sich nicht leisten können, da sie keine Einkünfte haben, die es ihnen erlauben, den Lebensunterhalt ohne Arbeit zu bestreiten.

Teile und herrsche


Damit schädigen sie die Gemeinschaft der Bürger, der "Anständigen" (BMWA 2005), die, weil sie Steuern und Sozialabgaben zahlen und Existenzsicherungsleistungen nicht benötigen, "Vorrang" (ebd.) genießen und ein Anrecht darauf haben, dass der Staat sie vor "Drückebergern", "Faulenzern" und "Sozialschmarotzern" schützt. Mit anderen Worten: Heutzutage gilt derjenige als Feind, von dem angenommen wird, dass er sich seinem Erwerbsleben und der ihr korrespondierenden Haltung abwende und durch seine Verweigerung zu arbeiten, sich außerhalb der Gemeinschaft stelle. Denn er setze so an die Stelle der Wertordnung der anständigen Bürger seine eigene, ein Verhalten, das von diesen als verächtlich und nicht hinnehmbar angesehen wird, insbesondere dann, wenn man die Bürger im Rahmen einer psychologischen Kriegsführung ganz nach der Maxime "Es ist nicht wichtig, ob das, was behauptet wird, wahr ist, es ist nur wichtig, ob, was behauptet wird, wirkt." von der vorgeblichen Sozialschädlichkeit zu überzeugen vermochte. Mithin kann die "innerstaatliche Feinderklärung […] auf propagandistische Vorbereitung und Begleitung nicht verzichten" (Brückner/Krovoza 1976: 61).
 
Vor diesem Hintergrund wird begreiflich, warum es nicht zufälligerweise im Vorfeld der Verabschiedung der "Hartz I-IV-Gesetze" und des SGB-II-Fortentwicklungsgesetzes zu einer Missbrauchsdebatte kam, die mit den Worten des seinerzeitigen Bundeskanzlers Gerhard Schröder "Wer arbeiten kann, aber nicht will [also der Feind; M. W.], der kann nicht mit Solidarität [der anständigen Bürger; M. W.] rechnen. Es gibt kein Recht auf Faulheit in unserer Gesellschaft!" (Schröder 2001) 28) im April 2001 in Gang gesetzt wurde und ihren vorerst letzten traurigen Höhepunkt im Mai 2005 fand in der unsäglichen, vom vormaligen Wirtschafts- und Arbeitsminister Wolfgang Clement zu verantwortenden Missbrauchskampagne, in der auf der Grundlage ausgewählter und entstellter Einzelfälle von Sozialleistungsmissbrauch, weil das Sensationelle und Unglaubliche beeindruckt und verfängt, Arbeitslose 29) pauschal der "Abzocke" (BMWA 2005: passim) bezichtigt und expressis verbis als "Parasiten " (ebd.: 10) bezeichnet wurden, eine Kategorisierung, die vorzunehmen in bezug auf Menschen sich vor allem wegen ihrer Nähe zur Propagandasprache des Nationalsozialismus (vgl. unübertroffen Klemperer 1969) 30  verbietet, die sich aber, wie ersichtlich, nichtsdestoweniger einer gewissen Beliebtheit erfreut, weil sie ein probates Mittel zu sein scheint, das Problem der "propagandistischen Präparierung der Feinderklärung" zu lösen: die Sichtbarmachung, Identifikation und insbesondere die "Versinnlichung der Teilpopulation, die ausgegrenzt und ausgebürgert werden soll" (Brückner/Krovoza 1976: 61).
 
Wenn der ehemalige Wirtschafts- und Arbeitsminister Wolfgang Clement von "Parasiten" spricht, so verdichten sich darin Vorstellungen, die weit über den Rahmen der Missbrauchsdebatte hinausweisen, insofern sie nicht konsequenzenlos an Carl Schmitts Freund-Feind- Metaphorik und an Alfred Rosenbergs Rassenideologie anknüpfen. Ermöglicht wird nämlich dadurch, im schlimmsten Falle, die unter Generalverdacht des Leistungsmissbrauchs gestellten Arbeitslosen zu biologisieren, womit man ihnen das Recht abspricht, wie Menschen behandelt zu werden. Denn Ungeziefer hat keine Rechte, weil auf dieses die Anwendung der für Menschen gemachten Rechte nicht möglich ist. Im minder schlimmen Falle werden die Arbeitslosen 'bloß' kriminalisiert, was es erlaubt, sich mit ihren berechtigten Ansprüchen auf sozialstaatliche Unterstützung nicht ernsthaft auseinandersetzen zu müssen. In jedem Falle erlaubt es, gegen diese angeblich das Gemeinwohl schädigenden innerstaatlichen Feinde mit aller Härte und 'Null-Toleranz' (vgl. Hansen 1999) vorzugehen, und zwar völlig legitim, wie meist fälschlicherweise aufgrund des politisch und massenmedial hergestellten gesellschaftlichen Klimas der Diffamierung von Arbeitslosen als "Sozialschmarotzer" oder "Parasit " unterstellt wird.
 
Sind infolge der Missbrauchsdebatte der normative Grundkonsens in der Gesellschaft im Hinblick auf die Gewährung existenzsichernder sozialstaatlicher Leistungen unterminiert und die Arbeitslosen erst einmal als Sündenböcke markiert, denen als 'Störer' all jenes angelastet werden kann, was von der Bevölkerung als Missstand empfunden wird, so sinkt die Hemmschwelle, die Arbeitslosen als mit Rechten ausgestattete Personen wahrzunehmen und zu behandeln. Der seitens der Politik induzierte Abbau verfahrensrechtlicher Garantien wie die Abschaffung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gemäß § 39 SGB II spricht hier eine ebenso eindeutige Sprache wie die in Angriff genommene Einführung von Sozialgerichtsgebühren und der Anwaltspflicht vor den Landessozialgerichten oder die geplante Verschärfung der Anspruchsvoraussetzungen zur Bewilligung der Prozesskostenhilfe oder die beabsichtigte Abkehr vom Amtsermittlungsprinzip. (vgl. Jäger 2007) Und es wäre ein Wunder, wenn die Verwaltung von dieser Entwicklung ausgenommen bliebe. Im Gegenteil, aufgrund der fortgesetzten, zum Teil eklatanten Mißachtung von Recht und Gesetz durch die Arbeitsverwaltung, wofür die Klagewelle vor den Sozialgerichten nur ein Indiz ist (vgl. Kuhr 2008), kann man sich nicht des Eindrucks erwehren, deren Personal wähnte sich im Besitz eines Freibriefs, der es ihnen erlaubt, Arbeitslose als 'Menschen zweiter Klasse' zu behandeln.

Hartz-IV zersetzt die Demokratie

 
Die gesellschaftspolitischen Auswirkungen dieser von Politik und Verwaltung auf der Grundlage der hoheitlich institutionalisierten Missbrauchsvermutung und der offenkundigen Gleichgültigkeit gegenüber Rechtsverstößen zu verantwortenden Erniedrigung und Ausgrenzung der Arbeitslosen zeigen sich nicht nur in einer massiven Verletzung des Sozialstaatsgebots, die Würde des Menschen zu schützen, sondern auch in einer schleichenden Zersetzung der Demokratie. Denn solange die Grundwerte des Bürgerstatus für eine Kategorie von Menschen außer Kraft gesetzt werden, so dass diese nicht ein Leben frei von elementarer Not und Furcht leben können, bewirkt dies eine Untergrabung der Demokratie, weil erst durch die Gewährung sozialer Grundrechte das Wahrnehmen auch der bürgerlichen und politischen Grundrechte materiell abgesichert wird (vgl. Marshall 1982). Andernfalls "bleiben Verfassungsrechte", so der Altliberale Ralf Dahrendorf, von dem man wahrlich nicht sagen kann, er sei ein Systemkritiker, "ein leeres Versprechen, ja schlimmer, sie werden zum zynischen Vorwand, hinter dem sich die Tatsache des Schutzes vor Privilegien verbirgt" (Dahrendorf 1994: 66). Vor diesem Hintergrund ist es durchaus statthaft, die für Hartz-IV Verantwortlichen in Politik und Verwaltung zwar nicht unbedingt im verfassungsrechtlichen, aber doch im politischen Sinne als die wahren Staats- oder besser Verfassungsfeinde zu bezeichnen, weil sie aktiv dazu beitragen, den Weg in eine andere Republik zu ebnen, eine Republik, der das Prädikat "sozialer Rechtsstaat" fürderhin kaum noch ernsthaft zugesprochen werden kann. Hiergegen Widerstand zu leisten, ist nicht nur legitim, sondern geradezu geboten, weil die in Art. 20 I GG niedergelegten grundlegenden Prinzipien für die rechtliche und organisatorische Gestaltung des bundesrepublikanischen Staates aufgrund ihrer "Ewigkeitsgarantie" nach Art. 79 III GG in ihrem Wesensgehalt unabänderbar und damit auch nicht politisch disponibel sind. (HDH)

Der Artikel erschien zuerst in UTOPIE kreativ, H. 213/214 (Juli/August 2008)

Online-Flyer Nr. 162  vom 03.09.2008



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