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Ausflüge in die Geschichte - Teil 4
Schinkel, Salons und Schwarzpulver
Von Harry Böseke

Ein Dorf der Millionäre? Im Bergischen? Nein - gerade auf der Grenze zum Märkischen, Rönsahl ist gemeint, dem Ort, der dem bekannten "Rönsahler Jagdpulver" DIANA den unverwechselbaren Namen gegeben hat.

Von einem Königreich konnte man schon reden im benachbarten Ohl. Allein zum Erbgut Krommenohl gehörten einmal 3000 Morgen Land. Erworben hat diesen Besitz die "Dynastie" der Cramer & Buchholz, und die waren nicht von schlechten Eltern. Hatte ein Jörg Wolter bereits im 30jährigen Krieg mit der Produktion von Schwarzpulver in der Pulverbecke bei Rönsahl begonnen (1620) und seinem Schwiegersohn Cramer das Wissen darum weitervererbt, so trat in der später "sohnlosen" Familie Cramer 1830 ein junger Mann mit Namen Carl Friedrich Buchholz auf und heiratete "sich ein". Das Bündnis für viele Jahrzehnte bester Pulverfabrikation war geschlossen.

Buchholz-Villa - heute Pulvermuseum
Buchholz-Villa - heute Pulvermuseum
Foto: Archiv des Museums



Allein die Cramers hatteen schon in großem Wohlstand gelebt. Sie ließen sich Villen errichten im Tal der Wipper und in Rönsahl. Der Baumeister Schinkel hat Hand angelegt, hört man immer wieder, und die Verbindung zum preußischen Königshaus war auch nahtlos gegeben. Im 19.Jahrhundert sind die Produkte in der ganzen Welt wegen ihrer hohen Qualität gefragt: Kriegs- und Marinepulver, Jagdpulver und Scheibenpulver (die Schützenvereine waren Hauptabnehmer!) und schließlich Sprengpulver für Bergwerke und Steinbrüche. Zeitweise ist die Firma Alleinlieferant für Militärpulver in Dänemark, Holland, Schweden, Norwegen und der Schweiz.

Angeblich das Pulver erfunden

An den Häusern in Ohl wehten bei feierlichen Anläßen Fahnen in den Farben weiß, gelb und schwarz, die Farben des Salpeters, des Schwefels und der Holzkohle, die aus Faulbaumholz geköhlert wurde. Zusammen genomnen ergibt sich auch nicht die Farbe Schwarz, sondern Grau, den Namen gab der Mönch Berthold Schwarz, der angeblich das Pulver erfunden haben soll. Tatsächlich kannten es vorher schon die Chinesen, und Albertus Magnus berichtete auch davon.

Streng gehütet war lange Zeit das Geheimnis der Zusammensetzung, denn das Faulbaumholz hat einen besonders "zündenden" Effekt. 65 % Salpeter (aus Chile angeschifft), 22 % Schwefel (aus Sizilien) und 13 % Holzkohle, das war die Zauberformel. Alleine der Faulbaum war "heimisch", die anderen Produkte brauchten lange Frachtwege, um ins verlassene Tal der Wipper zu gelangen.

Arbeiter im Steinbruch
Arbeiter im Steinbruch
Foto: Archiv des Museums



Grund dafür, daß die Mühlen im bergisch-märkischen Grenzgebiet gebaut wurden, war zum einen das Verbot der Städte, innerhalb ihrer Mauern Pulver herzustellen. Dann gab es die Wasserkraft und billige, willige Arbeitskräfte. Aber ein Grund erscheint im bergigen Gelände als widersinnig. Wegen der guten Verkehrsanbindung wählte man den Standort. Hier liefen bergische Eisenstraße und Märkische Eisenstraße mit einer "Querspange" zusammen, die frühzeitliche Nord-Südverbindung, die Zeithstraße lief über Gogarten uns Rönsahl, die Heerstraße in Wipperfürth als Weg zwischen dem Mittelmeerraum und dem Ostseeraum und als Querverbindung gab es in Marienheide und Meinerzhagen den Zugang zur Ost-West-Magistrale "Heidenstraße".

Produktion und Transport waren gefährlich

In Kumphölzern wurden mittels der mechanischen Stampftätigkeit die Zutaten zusammen gebracht. Wehe aber, wenn sich das "Gut" selbst entzündete! Von Explosionen ist immer wieder die Rede. Gefährlich war vor allem der Transport. Das Pulvermaterial durfte sich nicht "entmischen", und somit an Sprengkraft verlieren. Deshalb begab man um das Pulver Grafit und ließ in Trommeln sogenannte "Kügelchen" entstehen. Doch die Ladung war stets begehrt. Und so wissen wir auch von Fuhrleuten, die ohne Wagen wieder zurück in ihren Ort kamen.

Stets begehrte Ladung: ein Pulverwagen
Stets begehrte Ladung: ein Pulverwagen
Foto: Archiv des Museums



Hatte schon Schinkel planerisch am Giebel des Hauses VILLA OHL "Hand angelegt", so gab man sich auch sonst standesgemäß. Livrierte Diener sorgten für das Wohlbefinden und die Häuser in Ohl, Krommenohl und Rönsahl zeugen trotz Patina noch heute von gehobenem Wohlstand. Da waren die Hausmädchen "in Stellung" und mußten ein eigenes Dienstmädchentreppenhaus benutzen, um den Herrschaften nicht auf der Treppe zu begegnen. Auch hatte man eine Remise mit einer ordentlichen Ausstattung. Die Kutschen waren vom feinsten und die Kutscher stets fahrbereit. Ein Ereignis war dann auch, die "dicke Frau Cramer" zur Kirche zu fahren, die seitlich nicht in das Gefährt paßte und somit von vorne einsteigen mußte. Aber die Frau war resolut und hatte nach dem Tode ihres Mannes tatsächlich die Hosen an. "Nom Bette!" befahl sie den Arbeitern in ihrem "Salon", dem Pulverhäuschen, wo sie Karten spielten nach getaner Arbeit. Und diese hörten aufs Wort.

Kaiser Wilhelm II. zu Besuch im Bergischen

Am 16.Oktober 1913, einen Tag bevor er das Völkerschlachtdenkmal in Leipzig einweihte, kam Kaiser Wilhelm II. angereist. Warum gerade hierher? Er wollte sich des Beistands des Rheinlandes für "Feldzüge" sicher sein und hatte einige Propagandafahrten vor sich. So auch eine, die von Bonn aus über Lindlar nach Wipperfürth, Gummersbach und Waldbröl führte, die drei Kreisstädte der Region. Überall blieb er nur kurz, die Bürgermeistertöchter hatten nicht einmal Zeit, ein Gedicht auswendig daher zu sagen. Aber überall feiernde, jubelnde Menschen. Wie müssen sie sich vorgekommen sein, als der Kaiser nur Minuten für sie übrig hatte (später hatten Männer ihr ganzes Leben dem Kaiser "geschenkt").

Eine Pulvermühle nach der Explosion
Eine Pulvermühle nach der Explosion
Foto: Archiv des Museums



In ein Haus aber kehrte er ein, länger als überall sonst. Hier in der Villa Ohl traf er seinen Freund aus der Marine-Ausbildung, den Kapitän Buchholz wieder. Dieser hatte schon beim Boxer-Aufstand 1901 mit Waffengewalt geholfen, "den Widerstand der Chinesen zu brechen" (Germans to the front! hieß es damals lautstark). Und hier war er auch eine ganze Weile beschäftigt, sich mit der Erinnerung und seinem "Freund" auseinander zu setzen.

Im Schinkel-Haus im Jagdsalon, das war sein wahrer Platz. Genau dort ist heute das Schwarzpulvermuseum einer privaten Betreibergruppe von Regionalkundlern angesiedelt. Der Jagdsaal strahlt im "alten Glanz" auch ohne Preußens Gloria. Wer möchte, kann hier sogar heiraten. Nun, wenn´s der Kaiser erlaubt! Schinkel wird schon nichts dagegen haben!

Zur Geschichte des Pulvermuseums

Ich wurde wurde während eines Vortrages über das Schwarzpulver vom Hausbesitzer der Schinkelvilla Ohl angesprochen: "Ich habe das Haus, Sie die Geschichten! Können wir uns nicht zusammen tun?". Im Jahre 2004 eröffnete somit ein weiteres Museum in der ländlichen Region: das Schwarzpulvermuseum. Träger sind Mitglieder des Fördervereins HAUS DER GESCHICHTEN in Marienheide-Müllenbach, die privat die Mittel für Miete, Unterhaltung und Betrieb des Objektes einbringen.

In dieser Villa ist auch eine "Bibliothek gegen das Vergessen" eingerichtet, die vom Schriftstellerverband NRW initiiert wurde. Hier finden sich Bücher, die sich gegen Gewalt und Hass richten, vor allem aber Jugendbücher. Zudem sind auf 300 Tonträgern "erlebte Geschichte NRWs" zu hören, oft auch Mitschnitte von Autorenlesungen.

Das Haus ist jeden Sonntag von 11 Uhr 30 bis 13 Uhr 30 geöffnet (und nach Vereinbarung). Das Ambiente einer 19.Jahrhundert-Einrichtung tritt in diesem wunderbaren Gebäude hervor und lädt zu einer besonderen Gastlichkeit ein. Bewirtung ist nach Absprache möglich (02264-1567).

Mehr dazu unter: www.pulvermuseum.de




Harry BösekeHarry Böseke ist Fernseh- und Buchautor und wurde im Jahr 2005 Rheinlandpreisträger für die Initiierung und Errichtung der Natur- und Museumsstraße des Bergischen Landes. Er ist ehrenamtlicher Leiter des "Haus der Geschichten", einem Erzählmuseum im bergischen "Bücherdorf Müllenbach", und des "Schwarzpulvermuseums" in der Pulverfabrikantenvilla OHL in Wipperfürth mit der "Bibliothek gegen das Vergessen".


Wer mehr Informationen übers Wandern im Bergischen von ihm haben will - oder auch für Anregungen und Kritik:
Tel / Fax: 02264-1567, Mail: harry@boeseke.de





Online-Flyer Nr. 30  vom 07.02.2006



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