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Aktueller Online-Flyer vom 25. April 2024  

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Lokales
Bürgerabendstündchen zu Archäologischer Zone und Jüdischem Museum
Vom Regen in die Traufe
Von Roland Schüler

Kurzfristig angesetzt wurde vergangenen Donnerstag eine Informationsveranstaltung der Stadt Köln mit den Siegern des Architektenwettbewerbs „Archäologischer Zone und Jüdisches Museum“ zur Bebauung des Rathausplatzes. Sie sollte das „Sommerthema“ mit sachlichen Informationen fundieren und der Bürgerschaft die Möglichkeit geben, Fragen an die Architekten zu stellen. Doch deren Fragen richteten sich überwiegend an den anwesenden Oberbürgermeister Fritz Schramma und seinen Beigeordneten Bernd Streitberger.

OB Schramma
OB Schramma –
bekam zu viele Fragen gestellt…
Foto: Arbeiterfotografie

BürgerInnen raus in den Regen

 
Bei der Vorstellung der ersten drei Preisträger des Wettbewerbs herrschte - auch vom Wetter her gesehen - noch eitler Sonnenschein. Eine Stunde lang. Als aber die Zeit für die Bürgerbeteiligung kam, braute sich über dem Rathaus ein Gewitter mit Starkregen zusammen. Eine halbe Stunde nachdem die BürgerInnen das Wort bekommen hatten, beendete Moderatorin Barbara Garms die Fragerunde und schickte die sprichwörtlich raus in den Regen.
 
War das die versprochene breite und umfangreiche Bürgerbeteiligung? Auf diese einfache Frage, von mehreren Bürgern gestellt, gab es leider keine Antwort. Bürgerbeteiligung war zwar im Ratsbeschluss gefordert und gehört zu den Standardkriterien der „Regionale“ (siehe den Artikel „Archäologische Zone und Jüdisches Museum“ in NRhZ 158). Doch leider war die Form der Beteiligung nicht beschlossen worden. Ist dieser Ratsbeschluss mit der schriftlichen Abstimmung an der Urne der Ausstellung (schon gut 1.200 Stellungnahmen!) und dieser halben Stunde nun erfüllt? Das weiß anscheinend keiner, jedenfalls sagt niemand von den Verantwortlichen was Konkretes dazu.
 
Zwar ist die damals ausgezeichnete Bürgerbeteiligung in Form der Planungszelle bei Politik und Verwaltung angekommen, doch die Hürde der Platzbebauung wird nun elegant genommen, da der Rat als Souverän sich darüber hinwegsetzen kann und einen neuen Beschluss für die Bebauung des Rathausplatzes gefasst hat. So jedenfalls der Beigeordnete Streitberger. Die Moderatorin des Abends erklärte dazu passend: „Demnächst haben Sie ja die Wahlen.“

Bürgertreffen
…drum mussten die BürgerInnen bald raus in den Regen
Foto: Jürgen Roland


Katze aus dem Sack
 
Der Abend brachte eine Klarheit: „Der Platz wird bebaut, so oder so!“ Schon allein die Schutzbauten werden den Rathausplatz überbauen. Heute ist erst ein Grabungsfeld mit Zelt überbaut. Aber auch die auf dem südlichen Teil des Platzes beginnenden Grabungen brauchen einen Schutzbau. Fazit: „Der Platz existiert nicht mehr, Der Platz erhält Schutzbauten, die so hoch sind, dass ein erwachsener Mensch nicht mehr darüber schauen kann.“ - So deutlich wurde das von Herrn Streitberger ausgesprochen, und so deutlich wurde das vorher noch nie gesagt. Wenn denn die Schutzbauten den Platz eh besetzen, warum braucht es dann noch eine umfassende Bürgerbeteiligung? Die Macht des Faktischen oder der Souverän haben gesprochen. Das erklärt doch vieles!   
 
In NRhZ 158 wurde darauf hingewiesen, dass diese Schutzbauten ein Schutz für die Bebauung sind. Wie hoch die Schutzbauten über den Platz ragen werden, ist davon abhängig, wie viel Raum den archäologischen Funden nach oben gegeben wird. Und dazu äußerte sich der Siegerarchitekt vom Büro Wandel Hoefer Lorch + Hirsch deutlich: „Das darf keine bessere Tiefgarage werden“. Es müsse viel Platz nach oben geben. Übersetzt heißt das: Auf den Rathausplatz kommt ein nach oben deutlich hoher Schutzbau. Wurde das Büro deshalb erster Sieger?
 
Und das Jüdische Museum?
 
Weitere Hochbauten auf dem Platz sollen dem Jüdischen Museum dienen. OB Schramma sprach sich zwar deutlich für eine Trennung beider Teile aus. Das geht einher mit den zeitlichen Notwendigkeiten. Vorrang hat (wie wir gelernt haben) die Archäologische Zone mit ihren nun notwendigen Schutzbauten. Davon entkoppelt soll das Jüdische Haus, zu dem er auch Ja sagt, vorangetrieben werden. Da aber sei der Verein der Stifter gefordert, sagte der OB. Dessen VertreterInnen waren zwar auch im Saal und applaudierten kräftig, wenn es um die Platzbebauung ging. Ansonsten enthielten sie sich aber einer Stellungnahme.
 
Weiter spannend und herausfordernd bleibt die von den Architekten benannte „Bauabschnittsbildung“. Daran anschließend stellt sich die interessante Frage: „Wie lange müssen wir denn mit den Schutzbauten auf dem Platz leben? Denn die Entwicklung des Jüdischen Museums durch den Verein erscheint äußerst zweifelhaft. Wird am Ende die Stadt Köln in den sauren Apfel beißen, das Museum dem Verein abnehmen und es am Ende selber bauen und betreiben müssen? Die vielfach beschworenen Qualitäten und Identitäten von Ort, Archäologie, Geschichte usw., die in der aktuellen Diskussion genannt werden, sollen doch nicht nur hohle Worte gewesen sein?
 
Der Kölner Architekt Thomas van den Valentyn, zweiter Preisträger beim Wettbewerb,  erhielt sehr viel Zustimmung, als er vor einem neuen Dauerprovisorium warnte, nur einem Platz mit einer überdachten Ausgrabungsstätte: „Das wäre die totale Niederlage für Köln.“ Aber eben typisch kölsch!    
 
Architektenschimpfe
 
Während das Publikum sich ruhig und sachlich äußerte, schimpften die Architekten umso mehr. Der Kölner Architekt van Lom forderte eine einstimmige und eindeutige Position der Politik zur Bebauung ein. Sie - und nicht die Bürgermeinung - bestimmten doch die Qualität im öffentlichen Raum. Thomas van den Valentyn beklagte, dass „die Architekten wie eine Sau durchs Dorf getrieben werden“, und meinte damit die „Kampagne im Kölner Stadt-Anzeiger und die Leserbriefe“. Die Architekten fühlen sich als Opfer, nur weil sie einen Platz mit Bebauung planen.
 
Werden hier nicht Täter und Opfer verwechselt? Ein gängiges Mittel in der politischen Diskussion. Ist es für Architekten so unverständlich, dass sich BürgerInnen gegen die Art von Platzbebauung aussprechen? Und diesmal dafür sogar durch eine große Lokalzeitung Unterstützung erhalten? Herr Neven du Mont schreibt doch nicht alle Leserbriefe selber. Aber er veröffentlicht sie diesmal halt breit - Briefe von BürgerInnen mit einer eigenen Meinung!
 
Alle, die sich seit Jahren massiv für die Platzbebauung einsetzen, haben dies weder bildlich vorgestellt noch unter breiter Bürgerbeteiligung diskutiert. In den Fachgremien wusste man allerdings eindeutig, was mit dem Rathausplatz geschehen wird. Nur den BürgerInnen haben sie es nicht gezeigt. Erst als die Bilder des Wettbewerbs in der Zeitung standen, wurde öffentlich und deutlich, was da geschehen soll. Dass die Bürger sich erst jetzt kritisch äußern, ist nachvollziehbar, und es ist kein guter Stil, ihnen das nun vorzuwerfen,. Für Kenner von Kommunikation und Konflikten bei Planungen und Bauen ist dies ein gutes Beispiel für die klassische „Bildfalle“. Doch deren Sachverstand wird ja selten eingeholt. Alle - Politik, Verwaltung und Architekten - sind nun die Kommunikations- und Bildfalle gestolpert, und wundern sich dann über die Reaktion. Alle? Der Beigeordnete Streitberger jedenfalls hat die „Bildfalle“ am Abend dargestellt. Warum nur hat er sie vorher nicht beachtet?
 
Es gibt keine offene Entscheidung mehr!
 
Es ist wie bei Goethes Zauberlehrling. Ist der Topf durch den Lehrling einmal geöffnet, kann nur ein Meister die Geister besänftigen: Der Druck der Schutzbauten in dieser massiven Dimension, der Druck der Architekten, der zeitliche Druck der „Regionale“ und der Druck, teils moralischer Art, vom Jüdischen Museum - den Meister gibt es in Köln nicht, der dem standhält. Die Rathauspolitiker haben den Weg der Rathausplatzbebauung gewählt und beschlossen. War also eine freie Bürgerentscheidung darüber überhaupt gewünscht? Oder zeigt die Entwicklung nicht deutlich, dass man eine offene Diskussion dazu gar nicht wollte und die nun erzeugte Macht des Faktischen allen Freunden eines unbebauten Rathausplatzes klar macht nach dem Motto: Eure Stimme zählt nichts!
 
Da hilft selbst ein Verleger wie Alfred Neven DuMont nicht! Und auch nicht die Urne in der Ausstellung im Rathaus! Da hilft nur noch die Urne bei der Kommunalwahl am 7. Juni 2009. Die in den Regen hinausgeschickten BürgerInnen haben wieder einmal ein Beispiel kölscher Planungs-, Beteiligungs- und Demokratiekultur erlebt, in der der Bürgerwille am Ende nichts zählt. Trotz vieler Worte und Beschlüsse. Vielleicht ziehen sie ja Konsequenzen daraus. (PK)

Online-Flyer Nr. 159  vom 13.08.2008

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