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Aktueller Online-Flyer vom 28. März 2024  

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Lokales
Interview mit Rainer Stach vom Freien Lokalrundfunk Köln e.V.
„Wir machen weiter, solange es geht“
Von Peter Kleinert

Die Gesetzesnovelle der schwarz-gelben Landesregierung für eine angeblich gewünschte Qualitätsverbesserung des verlegerunabhängigen Bürgerfunks zeigt ihre Wirkung. Etwa die Hälfte der Radiowerkstätten in NRW hat das Handtuch geworfen. Ein Interview mit Rainer Stach, dem stellvertretenden Vorsitzenden des Interessenvereins gemeinnütziger Rundfunk in NRW e.V. und Vorsitzenden des Freien Lokalrundfunks Köln e.V. zur aktuellen Entwicklung.

PK: Noch im März 2007 hattet Ihr bei einer Protestkundgebung auf der Kölner Domplatte mehr als tausend BürgerInnen auf Eurer Seite gegen das angebliche „Qualitätsverbesserungsgesetz“ der CDU/FDP-Landesregierung. Inzwischen ist das Gesetz verabschiedet und zeigt Wirkung. Nach der Radiowerkstatt der Volkshochschule Köln hat nun auch das Team Radiowerkstatt des "Förderverein Lokaler Rundfunk Köln (FLRK)" das Handtuch geworfen. Warum?


Protest von Bürgerfunkern aus NRW am Roncalliplatz am 17. März 2007
Foto: NRhZ-Archiv


RS: Außer der Volkshochschule Köln haben noch weitere Volkshochschulen in NRW ihre Radiowerkstätten geschlossen. Dies wird in erster Linie finanzielle Gründe haben, da die bisherige Sendeminutenförderung fast kostendeckend war. Mit dem Wegfall dieser Finanzierung und dem Fehlen alternativer Finanzierungsmöglichkeiten mussten einige zwingend schließen. Beim FLRK in Köln war der späte Sendeplatz um 21 Uhr ausschlaggebend, wie auch bei den katholischen Radiowerkstätten im Münsterland. Denn dies bedeutet einen immensen Verlust an Hörern. Die Schließung der Radiowerkstatt des FLRK zeigt die Kurzsichtigkeit der Gesetzesmacher und ist besonders tragisch, da beim FLRK die Studierenden der Journalistenschule Köln ihre Praktika machten. 
Insgesamt lässt sich sagen, dass von den rund 140 Radiowerkstätten in NRW ungefähr die Hälfte das Handtuch geworfen hat. Bei den noch verbleibenden ist die Situation insofern kritisch, weil viele Gruppen, die Sendungen produzierten, unter diesen neuen Bedingungen nicht mehr weitermachen wollen. Somit kann man zusammenfassend sagen, dass unsere Befürchtungen, die wir unseren „Volksvertretern“ immer wieder nahegelegt hatten, sich bewahrheitet haben. Und somit hat sich auch unsere Grundbefürchtung bewahrheitet, dass es ihnen keineswegs um Qualitätsverbesserung ging, sondern tatsächlich um die schrittweise Abschaffung des Bürgerfunks. Sie können stolz darauf sein.
 
PK: Der Freie Lokalrundfunk Köln und Radio Lippeland hatten doch gegen das Gesetz stellvertretend für alle Radiowerkstätten in NRW Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingereicht. Sind die KollegInnen vom FLoK damit ohne Erfolg geblieben? Wenn ja, warum?
 
RS: Das ist eine pikante Angelegenheit. Unsere Verfassungsbeschwerde wurde erst gar nicht zur Verhandlung angenommen.
In der Begründung des Bundesverfassungsgerichtes (BVerfG) heißt es dazu: „Das Bundesverfassungsgericht hat in ständiger Rechtsprechung ausgeführt, dass das Rundfunkwesen einer gesetzlichen Ordnung bedarf, die freie und öffentliche Meinungsbildung durch Rundfunk gewährleistet (...). Diese muss insbesondere sicherstellen, dass die Vielfalt der bestehenden Meinungen im Rundfunk in möglichster Breite und Vollständigkeit Ausdruck findet.“
Weiter heißt es:
"Schränkt der Gesetzgeber die Wirkungsmöglichkeiten des Bürgerfunks ein - wie es durch Artikel 1 des Gesetzes zur Änderung des Landesmediengesetzes Nordrhein-Westfalen geschehen ist -, hat er einen Einschätzungsspielraum hinsichtlich der Klärung, ob die von ihm umgestaltete Rundfunkordnung die Vielfalt weiterhin hinreichend gewährleistet. Ein Überschreiten dieses Spielraums ist vorliegend nicht ersichtlich."
Man muss sich das einmal auf der Zunge zergehen lassen. Das Bundesverfassungsgericht sagt selber, dass sichergestellt sein muss, „dass die Vielfalt der bestehenden Meinungen in möglichster Breite und Vollständigkeit Ausdruck findet“. Andererseits stellt es an den Gesetzgeber nur den Anspruch, diese Vielfalt hinreichend zu gewährleisten. Zwischen „möglichster Breite und Vollständigkeit“ und hinreichender Gewährleistung ist ein himmelweiter Unterschied, was den Richtern des Bundesverfassungsgericht jedoch keinerlei Kopfschmerzen bereitet. Diese ablehnende Entscheidung ist unanfechtbar.
 
PK: Letzten Endes hat doch die schwarz-gelbe Landesregierung diese Gesetzesnovelle geschaffen, um den Zeitungsverlegern von Radio NRW bzw. Radio Köln einen Gefallen zu tun. Könntet Ihr nicht wegen der Monopolstellung, die die Verlegerradios damit erhalten haben, beispielsweise zum Bundeskartellamt gehen oder wegen Behinderung der Meinungsfreiheit zum Europäischen Gerichtshof?


Hombach gratulierte der Landesregierung zum neuen Mediengesetz –
Rüttgers verlieh Großverleger Hombach den Verdienstorden NRWs,
Foto:
Staatskanzlei NRW/ Ralph Sondermann
 
RS: Wir sind zur Zeit noch dabei, die weiteren rechtlichen Möglichkeiten zu prüfen. Dabei ist nämlich auch zu beachten, dass ein solcher Prozess langwierig und äußerst kostspielig ist. Allein für die Erstellung einer Klageschrift hatten wir von einer auf Medien spezialisierten Anwaltssozietät einen Kostenvoranschlag von 14.000 € erhalten.
Den Europäischen Gerichtshof können wir glatt vergessen. Im Gegensatz zu Deutschland, wo der Rundfunk noch als „Kulturgut“ definiert ist, ist er auf europäischer Ebene nur noch reines „Wirtschaftsgut“. Da lässt sich schon absehen, wie ein Richterspruch ausfallen würde.
 
PK: Wie verhielt sich die Landesmedienanstalt, von der die Bürgerradios ja laut Landemediengesetz noch bis Ende 2007 gefördert werden mussten? Die hatte ja schon mit Inkrafttreten des neuen Gesetzes die Förderungen gekürzt. Ist dagegen nicht geklagt worden? Mit welchem Erfolg?
 
RS: Das novellierte Gesetz schreibt in der Übergangsregelung eindeutig vor, dass die Förderung der Radiowerkstätten noch bis zum 31.12.2007 „wie bisher“ zu erfolgen habe. Die Landesmedienanstalt hat sich einen eigenen Reim darauf gemacht und interpretiert das Gesetz: „Wenn laut Gesetz nur noch maximal eine Stunde Bürgerfunk täglich vorgesehen ist, so können wir auch nur noch eine Stunde fördern.“ Außerdem änderte sie die Fördersätze. In vielen Sendegebieten sendete der Bürgerfunk jedoch bis noch in den November 2007 hinein zwei Stunden pro Tag, im Kreis Aachen sogar bis Ende des Jahres. Da das Sendeschema des lokalen Privatfunks (in dem auch der Bürgerfunk verankert ist) Bestandteil der Sendelizenz ist, mussten die Sender erst in ihren Gremien durch Beschlüsse das Gesetz umsetzen. Das brauchte seine Zeit.
Resultat sind nun zwei Förderbescheide (für das 3. und das 4. Quartal 2007), gegen die über zwanzig Radiowerkstätten Klage erhoben haben. Konnte man früher noch gegen Verwaltungsbescheide Widerspruch einlegen, so muss man in NRW nun dagegen klagen.
Zum jetzigen Zeitpunkt befinden wir uns noch im Austausch der Klageerwiderungen und Präzisierung der Klage. Dies ist aber auch sehr erhellend im Hinblick auf das Verhalten der Landesmedienanstalt. Die Landesmedienanstalt ist eine öffentlich-rechtliche Anstalt. Diese hat nach unserer Auffassung staats- und parteienfern im Sinne einer öffentlich-rechtlichen Funktion zu handeln. Höchstes Organ dieser öffentlich-rechtlichen „Kontrolle“ ist die Medienkommission. Es hat sich der Eindruck verhärtet, daß die Landesmedienanstalt bezüglich des Förderzeitraumes 2007 sich weder an bestehende Gesetze, noch an die von ihr selbst erlassenen Vorschriften und Satzungen gehalten hat. Vielmehr hat nach unserer Erkenntnis die Exekutive (Direktor und dessen Verwaltung) in vorwegeilendem „Gehorsam“ die Interessen der Regierungs-Parteien vorrangig verfolgt und zu Lasten des Bürgerfunks willkürliche Gesetzesexegese betrieben.
Die Medienkommission will schon zu einem sehr frühen Zeitpunkt, als die Gesetzesnovelle noch gar nicht verabschiedet worden war, die entsprechenden Kürzungsbeschlüsse gefällt haben. Sie hatte es aber versäumt, diese öffentlich bekannt zu geben. Es wurden also angeblich Beschlüsse gefasst, die auf einem Gesetz fußten, das noch gar nicht existierte, und somit gegen das gültige Gesetz verstießen. Darüber hinaus verstieß die Medienkommission auch gegen bestehende eigene Satzungen. Diese angeblichen Beschlüsse wurden zudem noch geheim gehalten.
Jetzt legt die Landesmedienanstalt dem Gericht als Beweis Beschlussvorlagen der Medienkommission vor, die weder die Zeitpunkte der Abstimmungen, noch die Abstimmungsergebnisse aller beteiligten Gremien (Ausschüsse und Kommission) dokumentieren. Das lässt bis zur Vorlage weiterer Beweise den Schluss zu, dass es diese Beschlüsse so gar nicht gab. Hat also der Gesetzgeber schon alles versucht, mit einem restriktiven Gesetz den Bürgerfunk auszuhebeln, so geht die Landesmedienanstalt mit ihren restriktiven Auslegungen und ihrem Vorgehen noch etliche Schritte weiter.
 
PK: Die Landesregierung hatte während des Novellierungsverfahrens als Ersatz für die wegfallende Sendeminutenförderung für die Bürgerfunker geförderte Medienprojekte mit Schülern z.B. bei Radio Köln angeboten. Laufen diese Projekte denn nun tatsächlich, und wenn ja, wie?
 
RS: Dieses Finanzierungsangebot haben wir von Anfang an als nicht relevantes Alibi kritisiert. Man muss zunächst drei Parteien an einen Tisch bringen, um einen Vertrag über das Projekt zu schließen: die Veranstaltergemeinschaft des privaten Lokalsenders, die Schule und die Radiowerkstatt. Danach kann der Förderantrag bei der Landesmedienanstalt gestellt werden. Das Projekt darf aber erst dann beginnen, wenn die Landesmedienanstalt ihre Zusage gegeben hat. Das kann sich hinziehen und ist auch mit Stolperfallen versehen. Die Landesmedienanstalt will nämlich darauf achten, dass alle Schulformen gleichermaßen vertreten sind. Ebenfalls will sie die Projekte landesweit gleichmäßig verteilen. Ob bis zur Entscheidung der Lehrer noch die Klasse oder Arbeitsgemeinschaft hat, muss dahingestellt bleiben. Auch der geforderte Eigenanteil bei den Projekten ist erheblich.
Hier in Köln wurde zum Beispiel einer Radiowerkstatt das Projekt abgelehnt, weil es zwar mit Schülern, aber nicht in der Schule, sondern in einem besser geeigneten Gemeindesaal stattfinden sollte.
Darüber hinaus deckt die Förderung gerade die Kosten des einzelnen Projekts. Für die Finanzierung der Radiowerkstatt, die ja den Bürgerfunk weiterproduziert und laufende Kosten (wie Studiomiete, Strom, Telefon, Internet etc) hat, bleibt da nichts mehr übrig. Das ist so, als ob man den Ärzten die Finanzierung ihrer Praxen durch die Krankenkassen streicht, ihnen aber anbietet, über den weiterlaufenden Praxisbetrieb hinaus ein paar geförderte Erste-Hilfe-Kurse für Schüler durchzuführen.
 
PK: Ab dem 1.7.2008 müssen die Bürgerfunker bei der Abgabe ihrer Sendungen dem Privatsender einen „Radiopass“ vorlegen. Habt Ihr den schon?
 
RS: Unsere alten Bürgerfunker haben das entsprechende Seminar schon hinter sich und sind damit im Besitz des „Radiopasses“. Das ging aber nur, weil wir uns selbst darum gekümmert haben. Erst im Mai hatte die Landesmedienanstalt die für die Durchführung des Seminars notwendigen Trainer ausgebildet. Dabei hatte sie doch fast ein Jahr Zeit gehabt. Mit der vorzeitigen Kürzung der Förderung war sie da wesentlich schneller. Es ist schon auffällig, dass sich die Landesmedienanstalt bei der Umsetzung ihrer eigenen Aufgaben fast unerträglich lange Zeit lässt. Wenn es aber um den Bürgerfunk geht, wird dieser kurzfristig mit neuen Einschränkungen und Anforderungen konfrontiert.
Und jetzt, am 19.6., erhalten wir als Radiowerkstatt von der Landesmedienanstalt ein Schreiben vom 10.06 (Poststempel vom 18.6.), in dem diese noch einmal auf die zum 1.7.08 erforderlichen Qualifizierungsnachweise von Bürgerfunk-Radiowerkstätten hinweist. Die Landesmedienanstalt erklärt, dass die Übergangsfrist für die Qualifizierungsvoraussetzungen der Bürgerfunkgruppen nicht verlängert werde, da noch ausreichend Zeit (real sind es jedoch max. 11 Tage) und eine Vielzahl von Angeboten zur Erlangung des Testates bis zum 1. Juli 2008 bestünden. Der „Radiopass“ ist also zwingend ab dem 1.7.2008 vorgeschrieben.
Aber erst mit diesem Schreiben schickt die Landesmedienanstalt an alle Radiowerkstätten eine Liste der Kurse für den „Radiopass“. Und da sind auch nur die eintägigen Seminare für die bisherigen erfahrenen Bürgerfunker aufgeführt. Seminare, die überwiegend entweder vor dem 19.6. liegen oder nach dem 1.7. Zum jetzigen Zeitpunkt gibt es noch keine Seminare für „Neulinge“. Anscheinend geht die Landesmedienanstalt davon aus, dass keine neuen Interessenten am Bürgerfunk mehr gibt. Oder aber sie will ganz im Sinne des Gesetzgebers jeden Neuzugang noch mehr erschweren.
 
PK: Könnt Ihr denn jetzt wenigstens mit der einen Stunde garantierter Sendezeit umgehen wie Ihr wollt, oder können Euch Radio NRW/Radio Köln und die anderen Verleger da auch noch reinreden?
 
RS: Bisher war es so, dass der Bürgerfunk der einzige Ort im lokalen Umfeld war, wo der Bürger unzensiert seine Meinung verbreiten konnte. Und dabei ist es auch geblieben. Eine Zensur findet weiterhin nicht statt. Es ist aber ein Gesetzesverstoß des privaten Lokalfunks anzuzeigen: Das Gesetz schreibt eindeutig vor, dass der Bürgerfunk maximal 60 Minuten pro Tag zugesprochen bekommt, abzüglich der Zeit für Nachrichten, Wettervorhersage, Werbung und Verkehrsnachrichten. So wird uns alle halbe Stunde gegen Ende Sendezeit abgezogen. In dieser Zeit sendet der private Lokalfunk aber bis zu viereinhalb Minuten Musik. Und davon steht nichts im Gesetz. Diese Sendeblöcke kommen von Radio NRW. Und im Gegensatz zum Bürgerfunk wird Radio NRW von der Landesmedienanstalt nicht gegängelt und mit immer neuen Vorschriften und Satzungen konfrontiert. Radio NRW hat ja noch nicht einmal eine eigene Sendelizenz, keine Vielfaltsverpflichtung, keinen Programmbeirat, unterliegt also keinerlei Kontrolle.

Rainer Stach
Rainer Stach
Foto: Raphael Mader

 
PK: Wie haben denn Eure HörerInnen auf die Euch aufgezwungene ungünstigere Sendezeit und die durch die schlechteren finanziellen Bedingungen vermutlich nicht gerade verbesserte Qualität Eurer Programme reagiert?
 
RS: Apropos Qualität muss ich zunächst einmal etwas klarstellen. Der Bürgerfunk hat seit jeher seine eigene Qualität. Dass die in Ausnahmefällen manchmal etwas hausbacken ausfällt, gehört aber auch dazu. Eine stromlinienförmige Qualität, wie man sie uns seit Jahren aufzwingen will, lehnen wir strikt ab. Wenn wir uns nicht mehr vom privaten Lokalfunk unterscheiden, verlieren wir unsere Existenzberechtigung. Und diese unsere Qualität hat unter den schlechteren finanziellen Bedingungen nicht gelitten. Auch weiterhin sind wir dabei, diese identitätsstiftende Qualität zu verbessern.
Was die Hörer betrifft, können wir davon ausgehen, dass wir rund die Hälfte verloren haben. Ganz einfach, weil die Leute um 21 Uhr im Gegensatz zu 19 Uhr vielfach alles andere tun als Radiohören. Von den uns noch gebliebenen Hörern erhalten wir jedoch regelmäßig positive Rückmeldungen.
Von daher ist klar: Wir machen weiter, solange es geht. (PK)


Online-Flyer Nr. 152  vom 25.06.2008



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