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Aktueller Online-Flyer vom 29. März 2024  

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Lokales
Kölner Studentenparlament tagt wieder öffentlich
Parlamentssitzung trotz NRhZ-Spion
Von Hans-Detlev v. Kirchbach

Als am 18. Juni der abscheuliche NRhZ-Horchposten den Saal betrat, in dem die dank seiner Anwesenheit geplatzte Sitzung des Studentenparlamentes vom 28. Mai nachgeholt wurde, suchte der parlamentarische Rechtsblock nicht schon wieder kollektiv das Weite. Es blieb bei mißfälligen Blicken und Getuschel. Der Berichterstatter, zeitweise verstärkt durch den bekannten Kölner Autor und Korruptionsexperten Dr. Frank Überall, nahm denn auch wieder behaglich auf dem Aussitz-Klappbänkchen Platz, diesmal nicht im fensterlosen Chemiesaal, sondern im Hörsaal XVIII.

Albertus Magnus – Schutzheiliger der
Universität Köln
Quelle: Verwaltung Uni Köln
Dabei mußte der Autor als väterlicher Freund aller StudentInnen erneut mißbilligend konstatieren, daß die Hersteller von Universitäts-Bestuhlung von Ergonomie und menschlicher Anatomie wenig halten, von ein bißchen Peinigung studentischen Rückgrats dagegen offenbar umso mehr. Vielleicht sollte man einmal den ominösen “Hochschulrat” dazu verurteilen, seine Sitzungen vier Stunden lang statt in geposterten Fauteuils auf den für die StudentInnen vorgesehenen Sünderbänken abzuhalten. 

 
Der “Präsident” der letzten Sitzung, die infolge der Anwesenheit des NRhZ-Schreibers platzte, der altgediente “Unabhängige” Tamus Rosengarten, unterließ nun den untauglichen Versuch formalistischer Journalistenabwehr (siehe NRhZ 149). Vielmehr übten er und sein Troß sich in der für angehende Politiker unverzichtbaren Sozialtechnik des ostentativen Ignorierens, die von unserer professionellen Politelite bis hin zum kunstvollen Ignorieren der Bevölkerung perfektioniert wird. So tat die pädagogische Ankündigung, das Teilhaberecht der Öffentlichkeit und also auch der Presse an den Sitzungen dieses immerhin über öffentliche Gelder verfügenden Gremiums durchzusetzen, doch Wirkung. Denn der lieber unter sich tagende Mehrheitsblock und sein “Präsidium” können zwar den anwesenden Journalisten ignorieren, nicht aber das Recht der Presse, über die öffentliche Sitzung einer gesetzlichen Körperschaft zu berichten.
 
AStA erkämpft 40 Cent für die Studenten
 
Dabei zeigte sich denn auch, daß manches, was die Mehrheit dieser “Körperschaft” für richtig hält, sich nach außen vielleicht doch ein wenig problematisch darstellt. Fangen wir aber zunächst mit unstrittiger Routine an. Begrüßen werden viele StudentInnen sicher die knallharte Verhandlungspolitik des AStA gegenüber den Kölner Verkehrsbetrieben. Denn wie der zuständige Referent berichtete, sei es gelungen, in fünf Verhandlungsrunden - da schenkte man sich nichts - den Preis des Semestertickets von 95,50 Euro auf 95,10 Euro herunterzuringen. Das soll hier auch keinesfalls bespöttelt werden. Denn zumindest für die StudentInnen, die nicht aus dem Milieu der “goldenen Löffel” stammen und trotzdem hohe Mieten und vor allem Studiengebühren bezahlen müssen, stellen 40 Cents schon eine durchaus meßbare Geldmenge dar. Schwerer noch als die Preiserhöhungen seien allerdings weitere geplante studentenfeindliche Restriktionen der KVB abzuschlagen, so der AStA-Referent. So wolle die KVB die bisherigen “Mitnahmeregelungen” entscheidend einschränken, am liebsten allerdings abschaffen. Darüber hinaus will das Verkehrsunternehmen mal so eben an die Daten der StudentInnen heran, um anhand der Universitätsunterlagen nachzuprüfen, wer denn zum Kreis der Semesterticket-Berechtigten gehöre. Das lehne der AStA schon aus Datenschutzgründen natürlich ab, sagte der Referent.
 
Politische Grenzen unpolitischer Standespolitik
 
Kein Zweifel: Der vor allem von der “bewußt unpolitischen”, serviceorientierten Hochschulgruppe “Die Unabhängigen” getragene AStA kommt in solcher Hinsicht seiner selbstgesetzten Aufgabe einer möglichst effizienten Vertretung studentischer Spezialinteressen durchaus nach. Allerdings stößt die Mixtur aus quasi ständischer Wahrung von Klientelbelangen und technokratischer BWL-Ideologie, wie sie namentlich die Unabhängigen vertreten, irgendwann an “Systemgrenzen”, da sie nun einmal jegliche politische Stellungnahme über den engen Tellerrand der Kölner Studiensituation hinaus strikt meidet. So ist denn auch bald der Punkt erreicht, von dem an nicht einmal mehr eine nachdrückliche Vertretung von Studierenden-Interessen möglich ist. “Nicht links, nicht rechts, geradeaus” – diesen Slogan der “Unabhängigen” könnte man, im Sinne geradezu gewollter politischer Bewußtlosigkeit, auch so übersetzen: “Augen zu und durch”.
 
Gegen Studiengebühren-Boykott
 
Beispiel etwa: Der Streit um den Studiengebührenboykott. In Hessen sind die Studiengebühren gegen den Widerstand des einsam weiteramtierenden Roland Koch gefallen. Das sei, so meinten die “Linken”, der richtige Zeitpunkt, um nicht nur formaljuristisch, mit Verhandlungen und der einen oder anderen Kundgebung, sondern mit schärferen Massenaktionen “diese sozialselektive Zugangssperre” zu Fall zu bringen. Zum Beispiel durch “Studiengebühren-Boykott”. Doch das würde ja, Teufelszeugs in der Wahrnehmung der “Unabhängigen”, eine allgemeine Politisierung der Studentenvertretung beinhalten.
 
Zuviel mißtönendes Politgezeter oder gar Konfrontation mit jenen, die da Macht besitzen über die Studierenden im Lande, bringt aber keinen Nutzen fürs Studium; diesen Vers rezitieren die Unabhängigen nun schon in der mindestens dritten (Studenten-)Generation. Gegen Studiengebühr pflichtgemäß ja, aber Aktionen, die Studenten vielleicht Nachteile bis hin zur Exmatrikulation bringen und überdies “Verhandlungspositionen gegenüber der Landesregierung verschlechtern”, nein. Bisher sei noch kein Studierender wegen Verweigerung der Studiengebühren exmatrikuliert worden, halten die linken Gruppen dagegen. Es komme gerade darauf an, aus der Vereinzelung herauszufinden und zu solidarischer Bewegung zu finden. Die aber wird, wenn sie denn auch, beflügelt durch das hessische Exempel, in NRW versucht werden sollte, auf die Unterstützung des Kölner AStA eher nicht rechnen können. Was übrigens auch auf die mit Strafanzeigen überzogenen RektoratsbesetzerInnen vom Protesttag gegen den Hochschulrat am 22. Mai gelten dürfte; doch dieses Thema kam aus Zeitgründen nicht mehr zur Sprache.
 
Urnen zu Asche
 
Doch nun zu einem Tagesordnungspunkt, den man wahrscheinlich in der Tat lieber geräuschlos gemanagt als vor universitätsexternen Mitschreibern verhandelt hätte. Vielleicht einer der Gründe für den panikartigen Auszug der konservativen Studentenfraktionen aus der Parlamentssitzung vom 28. Mai angesichts des NRhZ-Korrespondenten?
 
Drei der im Universitätsgelände aufgestellten Urnen für die Studentenschafts-Wahlen sollen nämlich ersatzlos abgebaut werden. Das geht allerdings nicht so einfach; dafür muß erst einmal die Wahlordnung geändert werden, und deshalb konnte es auch zur politischen Diskussion dieses routinemäßig scheinenden AStA-Verwaltungsakts kommen. Eine “enorme Kostenersparnis, ohne die Wahlbeteiligung drastisch zu beeinflussen”, versprach die AStA-Mehrheit sich und dem Studierendenparlament von dieser Maßnahme; um 1.750 Euro Minderaufwand solle es sich dabei handeln.


Urnen-Standorte bei der Studentenparlamentswahl 2007
Quelle: www.wahlen.uni-koeln.de


Die “linke Opposition”, von der Alternativen Liste bis hin zu den Jusos, fand angesichts beachtlicher Rücklagen des AStA-Etats von 100.000 Euro diese Ersparnis “nicht so enorm”, daß sie rechtfertigen würde, die demokratischen Mitwirkungsmöglichkeiten der Studierenden noch weiter zu beschränken.
 
Sinnvolle Sparmaßnahme oder Wahlmanipulation?
 
Manche linke RednerInnen mutmaßten denn auch andere “Motive” für diese Art “Urnenbestattung” studentischer Demokratie. “Das hat schon einen komischen Beigeschmack”, meinte einer, und ein anderer klopfte quasi auf den Bush: “Es drängt sich schon ein Verdacht auf, daß gewisse Leute von den Wahlen ausgeschlossen werden sollen.” Ob wohl die “Unabhängigen”, bei weit unter 15 Prozent “Wahlbeteiligung”, die eher linksverdächtigen Bereiche der Universität ein bißchen abseits von den Wahlen stellen wollten? Vielleicht um ihre seit Unzeiten bestehende relative Mehrheit abzusichern? Jedenfalls sei die Wahlerschwernis in einer Phase, in der die Universitätsdemokratie - Stichwort “Hochschulrat” - ohnehin de facto abgeschafft worden sei, ein falsches Signal, ein Signal nämlich im Sinne der herrschenden Richtung.
 
So wogte die Debatte zwei Stunden hin und her. Die Mehrheit versicherte natürlich, daß sie an alles andere denke als an eine Beschneidung studentischer Wahlmöglichkeiten. In den abzuwickelnden Urnen fänden sich einfach zu wenig Stimmen, das sei ineffizient, und mit dem eingesparten Geld könnte man sich andere Maßnahmen überlegen, um die Studierenden zu einer stärkeren Wahlbeteiligung zu motivieren. Immerhin: Die Beteiligung an der Urabstimmung über das NRW-Ticket sei mit 31 Prozent nahezu dreifach so hoch gewesen wie bei den normalen Studentenschaftswahlen, unabhängig von Urnenstandorten. Doch das ist wohl auch darauf zurückzuführen, dass es sich eben um ein sehr stark mit konkretem Eigeninteresse der StudentInnen verbundenes Thema handelte.
 
APO to date?
 
Wie dem auch sei – die eigentliche politische Crux benannten die VertreterInnen des AStA und der Mehrheitsgruppen nicht. Nämlich: Ist es wirklich vorstellbar, daß sich StudentInnen durch irgendwelche PR zur Beteiligung an der Wahl eines Gremiums motivieren lassen, das seit der Installierung des Hochschulrates, der zwar von Wirtschaftslobbyisten durchsetzt, aber vollkommen studentenfrei ist, noch ohnmächtiger dasteht als je zuvor? Und reicht angesichts dessen der wollweiche Konsenskurs aus? Oder wird es nicht doch Zeit, ein bißchen achtundsechziger zu werden? Damit sich nicht noch die EnkelInnen vor den Großeltern schämen müssen.
 
Nachdenkstoff vielleicht für die nächste Sitzung des Studierendenparlaments am 2. Juli 2008 um 20 Uhr im Hörsaal 25 des Universitäts-Hauptgebäudes. Die NRhZ ist wieder dabei. (PK)


Online-Flyer Nr. 152  vom 25.06.2008

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