NRhZ-Online - Neue Rheinische Zeitung - Logo
SUCHE
Suchergebnis anzeigen!
RESSORTS
SERVICE
Unabhängige Nachrichten, Berichte & Meinungen
Aktueller Online-Flyer vom 29. März 2024  

zurück  
Druckversion

Krieg und Frieden
Munitionstests in Elsenborn verboten – vorerst
Aus für „Mecar“?
Von Hans-Detlev v. Kirchbach

Nun darf das Rüstungsunternehmen Mecar einstweilen doch nicht auf dem Schießplatz Elsenborn seine neuesten Granaten testen, zumindest nicht offiziell. Die wallonische Regionalregierung verweigerte, zum zweiten Mal seit 2006, die erforderliche Genehmigung. Das freut die Anwohner im ostbelgischen Grenzgebiet, vorerst jedenfalls. Nicht auszuschließen ist freilich, dass sich das Interesse des militärisch-industriellen Komplexes, vertreten durch Mecar, am Ende doch noch durchsetzt und Elsenborn wieder zu seiner „historischen Bestimmung“ findet.

Der Schießplatz Elsenborn kann sich einer „jahrhundertlangen“ einschlägigen Tradition (un-)rühmen. Schon zu Kaisers Zeiten, als die Gegend noch zum sogenannten Deutschen Reich gehörte, genau seit 1894, ballerten dort Wilhelms Heerscharen herum, in Vorbereitung des ersehnten Angriffs- und Eroberungskrieges. Den weltimperialen „Platz an der Sonne“ verfehlte das kriegslüsterne Kaiserreich trotz aller Vorübung in Elsenborn und anderswo gleichwohl.

schiessstand elsenborn belg mili
„Deadly Dust"? – Schießstand in Elsenborn heute | Foto: Belgisches Militär

Die Region fiel nach 1918 an das trotz Neutralität von den kaiserlichen Truppen überfallene Belgien, dann kurzzeitig zurück an Hitlers „Großdeutsches Reich“. Seit NATO-Zeiten darf sich wiederum die belgische Armee auf Elsenborn für gegenwärtige und künftige Kriegsausflüge fit machen. Floss in Belgisch-Kongo noch in den 60er Jahren „Blut für Öl“, so geht es heute, wie es offiziell heißt, natürlich nur um „Friedenssicherung“ in (fast) aller Welt.


Mecar: Innovation für den Krieg

Ohne wirksame Waffen ist natürlich auch Friedenssicherung nicht möglich. Für solche „Instrumente des Friedens“ freilich ist „Mecar“ eine international renommierte Expertenfirma.


Der 1938 gegründete Waffen- und Rüstungskonzern, erst belgisch, seit einigen Jahren Subunternehmen des international positionierten US-Kriegstrusts „Allied Defense Group“, stellt auf seiner Website seine glitzernden Tötungsspielzeuge zur allgemeinen Bewunderung aus – treffsichere, durchschlagskräftige, panzerbrechende Bomben und Granaten etwa, die Menschen ohne weiteres zu Nanopartikeln veraschen können. Immer neue Waffen entwickelt das Unternehmen ohn’ Unterlass; auf dem alten Übungsplatz Elsenborn wollte, will es die neuesten Früchte seiner militärisch-industriellen „Innovationsarbeit“ testen.

Gefunden an „Schießplatz 6“
Muniton an „Schießplatz 6“ –                               
deutliche
Spuren | Foto: Stop Mecar
Schwermetalle wie das hochtoxische Wolfram könnten bei der Erprobung panzerbrechender Granaten das Naturschutzgebiet gefährden und das Grundwasser gefährden, so die von einer breiten, grenzübergreifenden Koalition von MECAR-Skeptikern, der sich selbst die Aachener CDU anschloss, befürchteten Folgen der geplanten Munitionstests. Diese genehmigte die wallonische Regionalregierung in Namur schon 2006 nicht, wogegen Mecar Widerspruch einlegte. Zwischenzeitlich aber, so bezeugen AnwohnerInnen mehrfach, führte der Rüstungskonzern gleichwohl Munitionstests durch. Neugierige Einheimische seien, so heißt es in lokalen Chroniken, von Mecar-Mitarbeitern bedroht und aus der Nähe des Elsenborner Geländes brachial vertrieben worden.


PR-Offensive: Schuss in den Ofen

Gleichwohl versuchte sich die Abteilung Elsenborn des Militärisch- Industriellen Komplexes nach außen harmlos, bürgernah, im Wortsinn „zivil“ zu tarnen. Am 18. Mai veranstalteten die Herren der Waffen auf ihrem Gelände einen „Tag der Offenen Tür“, eine Gelegenheit, die Teile der Lokalpresse gern im Sinne der PR-Strategie aufgreifen. „Der Panzer wird zum Spielplatz“, titelte etwa der „Eifel-Tipp“ bei einer ähnlichen Gelegenheit vor zwei Jahren, und mit naiver Bedenkenlosigkeit wurden drei „Pänz“ vorgeführt, die auf einer Panzerkanone herumturnten. „Der Panzer wird zum Spielplatz für Kinder“, so das biedere Lokalblatt, als ob die Kriegsvorbereitung in Elsenborn Geschichte, das herumstehende Gerät unterhaltsames Museumsinventar und die friedliche Konversion des alten Militärgeländes vollendet sei.


De Muynck 2006 stop mecar kl
„Lagerkommandant“ Erik de Muynck         
im Interview 2006 | Foto: Stop Mecar
Das „bunte Programm“, um „das Publikum zu informieren und zu unterhalten“, fand aber namentlich in diesem Jahr sein definitives Ende an der engen Toleranzgrenze des Militärs, denn zuviel „Information“ sollte denn doch nicht sein. Insbesondere den Aktivisten der örtlichen Friedens- und „Stop-Mecar“-Inititativen hätte man die „Offene Tür“ gern mit schmerzhaftem Knall vor der Nase zugeschlagen. Noch vor zwei Jahren hatte, so zitierte der „Eifel-Tipp“ den „Lagerkommandanten“ Erik de Muynck „erfreut“, die Bürgerinitiative „Stop Mecar“ hat den „friedlichen Verlauf des Tages nicht gestört“.


Doch diesmal, kurz vor der Erstentscheidung des Regionalministeriums über die Zulassung der Mecar-Munitionstests, war die Stimmung auf Militär- und Mecar-Seite gereizt. Streit- und „zivile“ Polizeikräfte übten sich in Einschränkung der Meinungsfreiheit und Versuchen, die Mecar-Gegner einzuschüchtern. Transparente sollten nicht gezeigt, Anti-Mecar-T-Shirts nicht am Leibe getragen werden. Auch im vergleichsweise demokratischeren Belgien unterliegt die Demokratie eben tendenziell dem Konzernhausrecht und der militärischen Disziplin, mindestens jedenfalls auf Konzern- und Militärgelände.

Von der pseudofreundlichen PR-Maskerade hatten sich die Initiativen allerdings auch niemals täuschen lassen. Schwermetallische Kriegsmunition, die auf einem wohngebietsnahen Landschaftsschutzgebiet getestet werden soll, mit unabsehbaren ökologischen und gesundheitlichen Folgen, lässt im Test- wie Einsatzfall ja auch kaum noch einen freundlichen Kaffeeplausch zu.

Nur Etappensieg

Das routinierte PR-Grinsen dürfte den Repräsentanten des Kriegskonzerns allerdings vorerst eingefroren sein, als die wallonische Regionalregierung ihre erneute Entscheidung bekannt gab, die von Mecar beantragten Munitionstests nicht zu genehmigen. Die Umwelt- und Gesundheitsbedenken hatten denn wohl mindestens ihre Wirkung nicht verfehlt, und das Regionalministerium hatte sich seiner Verpflichtung gegenüber den Belangen der regionalen Bevölkerung bewusst gezeigt (die NRhZ berichtete).

Protest plakate stop mecar

Willkommen, aber nicht für Mecar – Protestplakate an Ortsschild
Foto: Stop Mecar

Auch grenznahe deutsche Stellen, so das Umweltamt des Kreises Aachen, hatten wenigstens „schwerste Bedenken“ gegen die geplanten Munitionstests, zum Beispiel im Hinblick auf Belastung des regionalen Trinkwassers, geäußert. Doch die Regionalregierung in Gestalt des wackeren wallonischen Raumordnungsministers André Antoine ist eben – leider – nicht die letzte Instanz der belgischen Politik. Mithin dürfe dieser einstweilige Erfolg niemanden in allzu trügerischer Sicherheit wiegen, meinte ein Vertreter der regionalen Friedensinitiative am letzten Wochenende bei einer Veranstaltung in St. Vith.

Falscher Schutzheiliger: „St. Florian“

Der 73jährige warnte vor der „St.-Florians“-Reaktion, nunmehr die Gefahr vor der eigenen Haustür für gebannt zu halten und mindestens die eigene kleine Welt gerettet zu wähnen. Man dürfe sich nicht mit der Illusion einschläfern lassen, der US-Konzern werde nun den Protest der Bürgerkomitees und die Entscheidung der Regionalregierung ergeben akzeptieren und von seinen ebenso profitträchtigen wie kriegwichtigen Planungen ablassen. Über der Regionalverwaltung rangiert ja noch die belgische Zentralregierung. Und über der, so einige andere Diskussionsteilnehmer, eben noch die NATO und womöglich ein international verzweigter Rüstungskonzern mit machtvollen politischen Verbindungen.

Einer der Aktivisten wollte denn auch für die Brüsseler Regierung die Hand nicht ins (Munitions-)Feuer legen, dass diese nicht „einknicke“, wenn Konzernzentrale, NATO-Hauptquartier und „befreundete“ NATO-Regierungen und zugleich weltweite Kriegsverbündete in Berlin und Washington „Druck machen“, im Sinne natürlich von „Friedenssicherung und Verteidigung“. Elsenborn spielt nämlich – nicht das erste Mal in seiner Geschichte – eine durchaus bedeutende strategische und politische Rolle. Dazu gehört unter anderem, dass hier belgische Soldaten, um nochmals aus der Regionalpresse zu zitieren, auf ihre „Friedenseinsätze in Asien, Afrika und Ex-Jugoslawien vorbereitet“ werden.

„Höheres Interesse“

Solche Bedeutung für die „Weltbehauptung des Westens“, vor allem aber für die Ertragsinteressen einer multinationalen Rüstungsschmiede hebt den alten Schießplatz doch gleich auf eine, wie es in Vordenker- und Entscheiderkreisen gern wortklingelt, „höhere Warte“. Im Vergleich zu, in diesem Sinne, „übergeordneter Sicht“ könnten banale Gesichtspunkte wie Natur- und Gesundheitsschutz zu unerheblichen Petitessen zusammenschrumpfen. Wenn nicht gar zu Nano-Partikeln.

schiessuebung elsenborn_belg_mili.

Schießübung in Elsenborn | Poster des Belgischen Militärs

Nach welcher Logik in dieser unserer „freiheitlichen Ordnung“ solche Interessenabwägungen zu funktionieren haben, dekliniert der Militärisch-Industrielle Komplex seit einigen Jahren in zunehmend offenen, systematischen Kampagnen der Öffentlichkeit, den Medien und der Politik vor. Kein Monat vergeht mehr ohne politik- und publikumsorientierte Propagandakongresse zur Stärkung von „Wehrwillen“ und „Opferbereitschaft“. Wer da noch querschießt, soll ins Abseits gedrängt werden.

Die belgische Zentralregierung hat in dem regionalistisch auseinanderdriftenden Land nach innen zwar nicht mehr viel zu sagen, aber die Außen- und „Verteidigungs“-Politik bestimmt sie nach wie vor. Werden da die Ängste der eigenen Staatsbürger vor der Erprobung von Kriegsmunition in der Nähe ihrer Wohngebiete zentral für die „Zentralregierung“ sein? Oder, wie viele in der Region trotz des einstweiligen Erfolges gegen Mecar fürchten, das Wohlwollen eines US-Konzerns und der „Schulterschluss“ mit den befreundeten (Militär-)Regierungen des sogenannten „freien Westens“? Von der eigenen Verwicklung in internationale Kriegsunternehmen der NATO ganz abgesehen.

Standhafte Belgier

Andererseits lässt sich auch eine standhafte Haltung der belgischen Regierung gegenüber selbst US-Konzernen oder Unwillen mächtigerer „Alliierter“ nicht ausschließen. Vieles ist eben möglich in diesem so widersprüchlichen Land. Es ist ja nicht lange her, dass Belgien selbst der US-Regierung die Faust zeigte und sie wegen Menschenrechtsverbrechen vor belgische Gerichte zu zitieren drohte.


Tommy Franks Foto: Helene C. Stikkel
Nach wie vor auf freiem Fuß: Tommy Franks  
Foto: Helene C. Stikkel
Ein belgisches Gesetz ermöglichte nämlich Gerichtsverfahren auch gegen Ausländer, soweit diese sich wider das Völkerrecht vergangen hatten. So sahen sich unter anderen Ariel Sharon und sogar George W. Bush und der US-Befehlshaber im Irakkrieg, General Tommy Franks, ernsthaften Ermittlungen und Anklagen der belgischen Justiz ausgesetzt. Dieses, wie es in einem Pressebericht hieß, „ebenso größenwahnsinnige wie sympathische Gesetz“ wurde erst abgeschafft, als die NATO drohte, ihr Hauptquartier aus Belgien abzuziehen, da man ja befürchten müsse, in Brüssel verhaftet und angeklagt zu werden. Da streckte die belgische Regierung denn doch die Waffen. Und nun, im Falle Mecar: Wird Brüssel letztlich standhalten oder einknicken?


Es werde also noch ständiger „Wachsamkeit“ und nicht nachlassender Kampfbereitschaft bedürfen, um wenigstens diesen „Erfolg zivilgesellschaftlichen Engagements“ gegen Militär- und Milliardenmacht zu verteidigen – darin bestand jedenfalls am Wochenende im Kinosaal der „Bischöflichen Schule“ zu St. Vith immerhin Einigkeit.

„Deadly Dust“ – nicht nur bei Uranmunition

Vorgeführt wurde bei dieser Gelegenheit der Film „Deadly Dust“ des Kölner Dokumentarfilmers Frieder F. Wagner. Dieser Film, dessen ursprüngliche WDR-Version vielfach ausgezeichnet, aber vom öffentlich-rechtlichen Qualitätssender unter Verschluss genommen wurde, zeigt die verheerenden Folgen munitionstechnischer Innovationen am Beispiel der Uranmunition.

Todesstaub 0408 diskussion weywertz
Besorgte Diskussionsteilnehmer im Pfarrheim Weywertz nach der Aufführung von „Deadly Dust“ im April 2008 | Foto: Stop Mecar

Gerüchte, dass auch Mecar in Elsenborn mit abgereichertem Uran gehärtete Granaten testen wolle, fanden bislang zwar keine Bestätigung. Doch zeige, so meinte der Regisseur in der anschließenden Diskussion, das Beispiel Uranmunition sehr deutlich, dass und in welchem Ausmaß zivile Opfer für „Fortschritte“ der Kriegstechnik bedenkenlos in Kauf genommen würden. Wie bei der Uranmunition bestehe auch bei anderen schwermetallischen Bestandteilen die Gefahr, dass diese bei Aufprall und Explosion in Nanopartikel zerstäubten und dabei nicht nur beteiligte Militärpersonen gefährde.

Vielmehr könnten diese Nanopartikel durch Wind und Atmosphäre unbegrenzt weitergetragen werden und durch Atemluft und Hautporen in den menschlichen Organismus eindringen – mit unabsehbaren Folgen. Deswegen stelle jede Art von Kriegsübung und Munitionstest eine Gefährdung von Leben und Gesundheit weit über die engere Region hinaus dar. Grund genug für den Regisseur, die Anwesenden aufzurufen, in Wachsamkeit und Widerstand nicht nachzulassen. (CH)

Mehr Informationen auf der Webseite von Stop Mecar.

Online-Flyer Nr. 151  vom 18.06.2008

Druckversion     



Startseite           nach oben

KÖLNER KLAGEMAUER


Für Frieden und Völkerverständigung
FOTOGALERIE