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Lokales
Die Kölner Tagespresse im Nationalsozialismus
Auf Linie
Von Albrecht Kieser

Seit Februar 2006 prozessiert Alfred Neven DuMont gegen den Kölner Publizisten Albrecht Kieser und NRhZ-Redakteur Peter Kleinert wegen eines Berichts über den Kauf ehemals jüdischer Grundstücke (darunter Teilen des heutigen DuMont Carrés in der Breite Straße) während der Nazi-Zeit. Der Fall liegt inzwischen dem Bundesgerichtshof und dem Bundesverfassungsgericht vor. Nachdem ein vor zwei Jahren in diesem Zusammenhang von Neven DuMont beauftragter Historiker zur Geschichte seines Hauses sich noch nicht öffentlich zu Wort gemeldet hat, hat Albrecht Kieser nun zur Haltung der Kölner Tagespresse im NS recherchiert. Hier sein Bericht. – Die Redaktion.

Am 4. Oktober 1933 beschloss die nationalsozialistische Regierung das sogenannte Schriftleitergesetz. Es gilt als das definitive Ende der Pressefreiheit in der Nazi-Diktatur. Dennoch existierten Hunderte von Tageszeitungen weiter, die keine Parteizeitungen waren. Wie war die Situation in Köln, wo neben dem Westdeutschen Beobachter, der Zeitung der NSDAP, noch zwei bürgerliche Zeitungen erschienen, die Kölnische Zeitung der Familie Neven DuMont und die Kölnische Volkszeitung aus dem christlichen Bachem-Verlag, wo also Medien mit unterschiedlichsten Ausgangsbedingungen noch lange Jahre nebeneinander existierten.

Joseph Goebbels redet
Von der Kölnischen Zeitung gelobt –
Joseph Goebbels, Quelle: KAOS-Archiv
Joseph Goebbels, Reichspropagandaminister und ebenso intelligenter wie demagogischer Redner, berichtete am 19. Februar 1933 im Radio vom Auftritt Hitlers in den Kölner Messehallen: „Die ganze Nation, das ganze deutsche Deutschland hat sich unter unserem Appell erhoben.(…) Meine Volksgenossen und Volksgenossinnen, nun haben sich die Massen von ihren Plätzen erhoben. Stürmische Begeisterung geht durch die weiten Ausstellungshallen.(…) Man sieht unten katholische Geistliche, die ihre evangelischen Amtsbrüder begrüßen. Und man weiß, Standesdünkel und konfessionelle Gegensätze sind überwunden in dem Augenblick, wo es unter der Führung Adolf Hitlers um das große Ziel der Nation zu kämpfen gilt.(…) Die langen Pressetische aber sind schon lange besetzt…“
 
Die Nazis begannen ihre Macht zu etablieren. SS, SA und Gestapo organisierten bereits Angriffe auf die jüdische Bevölkerung und auf bekannte Nazi-Gegner. Die Tageszeitungen der SPD und der KPD wurden in Köln Ende Februar 33 verboten, ihre Redakteure verhaftet, einige wurde in KZs verschleppt und ermordet. Die bürgerlichen Blätter jedoch erschienen weiter. Viele standen in dieser ersten Etappe des nationalsozialistischen Terrors fest zum neuen Staat. Denn im Ziel, die Teile der Arbeiterbewegung auszuschalten, die sich nicht mit dem neuen Regime einverstanden erklärten, waren sich nationalliberale und rechtskonservative Strömungen des Bürgertums mit den Machthabern der NSDAP einig:

„Ein hoffnungsfreudiges Zeichen“

„Daß Maifeiern, erfüllt von (alten) Geist unverbesserlicher Internationalisten unter der jetzigen Regierung, die sich als eines ihrer wesentlichen Ziele die Überwindung des Klassenkampfes, den innern Ausgleich und die Versöhnung des ganzen Volkes gesetzt hat, zur Geschichte gehören würde, war vorauszusehen. Nicht vorauszusehen aber war jener Gedanke, der wie ein Funke im ganzen deutschen Volk zündete: die Maifeier als Ehrentag der deutschen Arbeit zu begehen. (...) Der Widerhall, den dieser kluge Gedanke einer vorwärtsstürmenden und mitreißenden Regierung, die sich auf die Masse einzustellen, mit den Massen zu gehen versteht wie noch kaum eine ihrer Vorgängerinnen, in dem gesamten deutschen Volk gefunden hat, ist ein hoffnungsfreudiges Zeichen für Deutschlands Zukunft.“
 
So kommentierte die Kölnische Zeitung, Flagschiff des Verlages M. DuMont Schauberg, die Maifeiern der Nazis 1933. Am 2. Mai erschien dieser Kommentar, zeitgleich stürmten SA und SS die Gewerkschaftshäuser im ganzen Land. Das nahm die Kölnische Zeitung zustimmend zur Kenntnis. Die Aktion, so schreibt sie in ihrer Kommentarspalte am 3. Mai „... richtete sich gegen die letzte Stellung des Marxismus in Deutschland mit dem Ziel, die materiellen wirtschaftlichen Organisationen zu zerstören, aus denen er noch Nahrung ziehen könnte.“
 
Über die Verbote der sozialdemokratischen „Rheinischen Zeitung“ und der Tageszeitung der KPD, „Sozialistische Republik“, in Köln zwei Monate zuvor hatte die Zeitung nicht berichtet. Die zweite Tageszeitung in Köln, die katholisch orientierte und der Zentrumspartei nahe stehende Kölnische Volkszeitung, meldete diese Verbote und kritisierte am 23. Februar offen Nazi-Angriffe auf die Zentrumspartei: „Es ist das System, eine andere Partei, die nicht der gleichen Anschauung ist, mit der Faust niederzuknütteln. Bei dieser Methode ist erkennbar, daß es nicht an Körperkraft, wohl aber in einem bestürzenden Umfange an Geist fehlt. Eine solche Herrschaft nennt man Faustherrschaft.“
 
Die bürgerliche Presse stand noch nicht unter so schwerer Kuratel, dass Kritik Verfolgung oder womöglich Tod bedeutet hätte. Erst nach dem Reichstagsbrand Ende Februar 1933 verschärfte das Regime mit der „Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat“ die Zensur auch der bürgerlichen Zeitungen. Hauptinstrument wurde die Reichspressekonferenz, auf der Joseph Goebbels in zahllosen Anweisungen vorgab, über welche Themen mit welchem Tenor zu schreiben und welche Themen zu verschweigen seien. Außerdem studierten Beamte des Ministeriums täglich im Nachhinein die Zeitungen und verwarnten etwaige Abweichler.
 
Gleichschaltung der bürgerlichen Presse
 
Das „Reichsschriftleitergesetz“ vom 4. Oktober 1933 - zu diesem Zeitpunkt war die Presse der linken Opposition bereits vollständig verboten - formalisierte die Gleichschaltung der bürgerlichen Presse. Besonders zwei Passagen des Gesetzes markierten den dürftigen Spielraum, der fortan bleiben sollte: „Paragraph 5: Schriftleiter kann nur sein, wer die deutsche Reichsangehörigkeit besitzt, arischer Abstammung ist und nicht mit einer Person von nichtarischer Abstammung verheiratet ist. Paragraph 14: Schriftleiter sind verpflichtet, aus den Zeitungen alles fernzuhalten, was geeignet ist, die Kraft des Deutschen Reichen von außen oder im Inneren, die deutsche Wehrhaftigkeit, Kultur oder Wirtschaft zu schwächen.“
 
Journalisten mussten sich nunmehr in eine Berufsliste eintragen. Zehn Prozent von ihnen wurde der Eintrag verwehrt. Abweichungen von der vorgegebenen Linie konnten zur nachträglichen Streichung von der Liste und zum Berufsverbot führen. Der alterwürdige „Reichsverband der Deutschen Presse“, die Berufsorganisation der Journalisten, unterstützte das Gesetz ebenso wie der „Verein Deutscher Zeitungsverleger“ und verkündete ein Jahr später stolz, man habe sich „...von mindestens 1.300 jüdischen und marxistischen Journalisten befreit.“
 
Die Kölnische Zeitung bedankt sich
 
Während die „Frankfurter Zeitung“, eines der liberalen bürgerlichen Blätter der Zeit, über das Goebbels’sche Schriftleitergesetz schrieb, es beende die Pressefreiheit, und man werde künftig „...auf Kommentare verzichten“, also darauf, die eigene Stimme erkennbar zu erheben, lobte die Kölnische Zeitung das Gesetz und den Eiferer Goebbels. Man danke, so steht es in der Ausgabe vom 5. Oktober 1933, „...dem Schöpfer des Gesetzes für das Vertrauen in die deutsche Presse“.


Kurt Neven DuMont – Verleger der Kölnischen
Zeitung… Foto: KAOS-Archiv
Die Historikerin Vanja Budde hat zur Kölnischen Zeitung geforscht. Ihr Resümée: „Die Berichterstattung über das Schriftleiter- gesetz war furchtbar. Ich glaube, dass die Redaktion da schon gekippt war, weil man begrüßte das ja. Also die Selbstkastration des Journalismus in Deutschland. Es gab einige wenige liberalere Zeitungen, die damals noch existierten und ums Überleben kämpften, die ganz genau sahen, was es damit auf sich hatte.“ Aber obwohl sich der Verlag M. DuMont Schauberg ebenso wie die organisierten deutschen Zeitungsverleger und Journalisten dem Regime unterwarf, wurde die Kölnische Zeitung in den ersten zwei Jahren der Diktatur von Teilen der NSDAP attackiert. Einflussreiche Kräfte in der Partei wollten ein eigenes Zeitungsmonopol errichten und bedrängten die Konkurrenz mit offensiver Abwerbung ihrer Abonnenten und mit Übernahmeversuchen. Die international angesehene Kölnische Zeitung wehrte sich erfolgreich. Denn die NSDAP-Führung hatte Interesse daran, dass die Zeitung als renommiertes bürgerliches Blatt weiterhin erschien. Ihr guter Ruf sollte auf das neue Regime abfärben. Was dort stand, hatte mehr Gewicht, mehr Reputation. Bei der NS-Presse, zum Beispiel dem „Westdeutschen Beobachter“, machten die Leser Abstriche am Wahrheitsgehalt und legten das Blatt häufig ungelesen zum Altpapier, berichten Zeitzeugen und so sah es auch die Staatspolizei in ihren Lageberichten.


…und der Kölnischen Illustrierten Zeitung
Foto: KAOS-Archiv
Mit dieser Argumentation wehrte der Verlag die Versuche des Westdeutschen Beobachters 1933 und 1935 ab, die Kölnische Zeitung aufzukaufen. Politisch allerdings war die Zeitung umso mehr auf Kurs, so Vanja Budde: „Was ich ziemlich erschütternd fand, war der Umgang mit dem Antisemitismus der NSDAP. (…) Der Terror gegen die Deutschen jüdischen Glaubens, der ja sofort losging, das haben sie doch tatsächlich als Gräuelpropaganda des Auslands kritisiert und zurückgewiesen.“ Das war nicht nur 1933 die Haltung der Zeitung. Als im Ausland Kritik am Novemberpogrom 1938, der sogenannten Reichskristallnacht, laut wurde, verwahrte sich die Kölnische Zeitung am 12. November in einem eigenen Kommentar dagegen. In Deutschland existiere überhaupt kein Antisemitismus. Das sei alles Propaganda, von Juden gesteuert: „Die Kreise des Auslandes, die unvoreingenommen den deutschen Verhältnissen gegenüberstehen, sollten sich von dem ungeheuren Schaden überzeugen, die die Tätigkeit der jüdischen Hetzblätter und der hinter ihnen stehenden Personen anrichtet.“
 
Die Kölnische Volkszeitung stand in der antisemitischen Propaganda ihrer größeren Konkurrenz kaum nach. Wie vermutlich auf der Reichspressekonferenz angewiesen, äußerte auch sie sich zu den Ereignissen. Eine Unterzeile allerdings machte klar, dass es sich dabei um den Abdruck einer Goebbels-Rede handelte: „Der „Völkische Beobachter“ veröffentlicht in seiner Ausgabe vom Samstag folgenden Artikel von Reichsminister Dr. Goebbels.“ Mit diesem Hinweis konnte die Kölnische Volkszeitung eine distanzierte Haltung immerhin andeuten. Dennoch wird sich die Redaktion gefragt haben, ob und in welchem Umfang sie durch solche Veröffentlichungen mitschuldig an der Stabilisierung des Regimes wurde, an seinen Verbrechen, ihrer Propagierung und gleichzeitig ihrer Verschleierung. Immerhin leisteten die Hauptverantwortlichen der Zeitung teilweise Widerstand. Über ein europaweit agierendes Katholisches Nachrichtenbüro schleusten sie Meldungen aus Deutschland, die über Repressionen gegen die Kirche informierten.
 
Kölnische Volkszeitung wird eingestellt
 
Die Gestapo entdeckte diese Strukturen. Die Kölnische Volkszeitung wurde daraufhin am 31. Mai 1941 eingestellt. Die Gestapo verhaftete mehrere Redakteure und sorgte für einen Papierstopp, mit dem das Ende der Zeitung offiziell begründet wurde. Die Kölnische Zeitung meldete das gewaltsam herbeigeführte Ende des Zentrums-Blattes nicht. Sie übernahm stattdessen die Abonnenten der Konkurrenz und belieferte sie fortan mit dem eigenen Blatt. Pro Abonnent zahlte der Verlag 23 Reichsmark an den alten Herausgeber – ein „gutes Geschäft“, wie es Redakteur Josef Hofmann nannte, der von der Kölnischen Volkszeitung zur Kölnischen Zeitung gewechselt war. Die war jetzt neben dem Westdeutschen Beobachter die einzige Nicht-Partei Zeitung in der Stadt. Zum Kriegsende gab es im gesamten Reichsgebiet neben ihr nur noch zwei andere sogenannte unabhängige Tageszeitungen.
 
Der DuMont-Verlag verfügte durchaus über die Mittel, um den Redaktionsstamm noch 1941 zu erweitern. Denn seit 1939 war die Auflage der Kölnischen Zeitung deutlich gestiegen. Wie schon im 1. Weltkrieg war man so überzeugend vaterländisch eingestellt, dass die Wehrmachtsführung täglich einige Zehntausend Exemplare der Zeitung aufkaufte und sie an Soldaten verteilte.
 
Am 22. Juni 1941 verlas Joseph Goebbels im Radio - eingeleitet von Fanfare, Trommelwirbel, Musik – den Aufruf Hitlers an das deutsche Volk zum Angriff auf die Sowjetunion und verkündete die letzte Etappe im Kriegskurs Deutschlands: „Damit ist aber nun notwendig geworden, diesem Komplett der jüdisch-angelsächsischen Kriegsanstifter und der ebenso jüdischen Machthaber der bolschewistischen Moskauer Zentrale entgegenzutreten. Deutsches Volk! In diesem Augenblick vollzieht sich ein Aufmarsch, der in Ausdehnung und Umfang der größte ist, den die Welt bisher gesehen hat. Die Aufgabe dieser Front ist die Sicherung Europas und damit die Rettung aller.“
 
Die Kölnische Zeitung fand eigene Worte, um den Überfall auf die Sowjetunion zu rechtfertigen: „Das Agentennetz, das der Bolschewismus über die Erde gespannt hatte, war aus dunkeln Existenzen gebildet, die sich nicht etwa auf ihr Russentum, sondern auf ihre völkische Wurzellosigkeit stolz beriefen. (...) Diese Gruppen, geistig gespeist von einem längst überwundenen öden Rationalismus, von persönlichem Ehrgeiz getrieben und von jüdischem Demagogentum immer wieder ermuntert, haben das russische Volk nicht nur den Wegen des Elendes, sondern auch einer falschen Einschätzung der Wirklichkeit zugetrieben.“
 
Hätten Verlag und Redaktion spätestens zu diesem Zeitpunkt ihre Arbeit einstellen müssen, um nicht moralisch mitschuldig am Funktionieren des Systems und seines Terrors zu werden?
 
Im September 1944 wurde der NSDAP-Mann Heinrich Tötter Chefredakteur des Blattes und rief zum Endkampf auf, für den sich auch Pimpfe begeistern ließen. Die Amerikaner standen vor Köln, die Rote Armee vor Berlin. Die Kölnische Zeitung schrieb am 26. Januar 1945: „Beispielhaft für den Willen zur Abwehr um jeden Preis sind die Volkssturmbataillone, deren Männer nur zu gut wissen, dass alle bisherigen und künftigen Opfer immer noch leichter zu ertragen sind als die Kapitulation vor dem Bolschewismus.“
 

Professor Manfred Pohl –
soll die Geschichte des
Hauses aufarbeiten
www.prof-pohl.de
Die Zeitgeschichtler Norbert Frei und Johannes Schmitz schreiben über das Verbot der Frankfurter Zeitung 1943: „Das Ende der Frankfurter Zeitung wirkte im Grund als Schutz vor tieferer Verstrickung. Die letzte Entwürdigung zum Sprachrohr einer immer brutaleren Durchhalte-Propaganda blieb der FZ auf diese Weise erspart.“ Der Kölnischen Zeitung blieb dieses Ende nicht erspart. Im Mai 2006 hat der Verlag M. DuMont Schauberg einen unabhängigen Historiker beauftragt, die Geschichte des Hauses aufzuarbeiten. Die sollte bis Ende 2007 vorgelegt werden. Mehr als 60 Jahre nach Kriegsende keine leichte Aufgabe für Professor Manfred Pohl. In den frühen 50er Jahren hätte man noch Zeitzeugen befragen können. Ob sie auch darüber berichtet hätten, wie sich nach dem Krieg die Karriere von Journalisten in seinen Redaktionsbüros fortgesetzt hat? (PK)

 
Grundlage dieses Artikels ist eine Sendung des Autors in WDR 3, Sendereihe Themen der Zeit.

Online-Flyer Nr. 151  vom 18.06.2008



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