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Aktueller Online-Flyer vom 23. April 2024  

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Inland
Offener Brief an den Botschafter der Volksrepublik China in Berlin
Zum Besuch des Dalai Lama
Von Volker Bräutigam und Wolf Gauer

Mit ihrer Bitte um Unterschriften für einen Offenen Brief an den chinesischen Botschafter in Berlin, Ma Canrong, anlässlich des neuen Dalai Lama-Besuchs in Deutschland sind die beiden Autoren Volker Bräutigam und Wolf Gauer auf ein „überwältigend positives Echo“ gestoßen. Bräutigam zur NRhZ: „Es gab nur einen Stänkerer.“ SPIEGEL-Journalist Henryk M. Broder bezeichnete Initiatoren und Unterzeichner als „Deppen vom Dienst“. Wolfgang Gehrke, außenpolitischer Sprecher der LINKEN, wird Argumente aus dem Brief in ein Treffen des Auswärtigen Ausschusses mit dem Dalai Lama einbringen, das gegen sein Votum vereinbart wurde. Hier der Brief im Wortlaut. – Die Redaktion. 

Exzellenz, sehr geehrter Herr Botschafter Ma,
 
den Bürgern der Volksrepublik China möchten wir, die unterzeichnenden deutschen Staatsbürger, unser großes Bedauern ausdrücken über die Tibet betreffenden, nicht dem Frieden dienenden Aktivitäten und Äußerungen der deutschen Bundeskanzlerin A. Merkel. Ebenso bedauern wir offizielle Erklärungen der Bundesregierung und einiger Abgeordneter aus Bund und Bundesländern zur Tibet-Problematik sowie die agitatorische Rolle des hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch. Weiterhin betrachten wir die zu diesem Kontext passenden Stellungnahmen einzelner deutscher Körperschaften als beschämend und meinen damit ganz besonders die verfälschende, heuchelnde und verhetzende Berichterstattung vieler deutscher Massenmedien. Die Bürger der Volksrepublik China um Entschuldigung zu bitten halten wir für unumgänglich, seit feststeht, dass Deutschland innerhalb kaum eines Jahres schon wieder zur Bühne für propagandistische, chinafeindliche Auftritte des Dalai Lama gemacht wird.
 
dalai lama lama
Quelle: www.radiobrennt.com                 
Wir äußern unser großes Bedauern, weil wir die düstere, von grausamer Unterdrückung des einfachen Volkes geprägte Geschichte der tibetischen Theokratie nicht ignorieren können und weil wir der Ansicht sind, dass der von der Volksrepublik China im zurückliegenden Vierteljahrhundert geleistete, notwendige soziale Aufbau im Gebiet der tibetischen Ethnien weit mehr zu würdigen wäre, als dies bisher bei uns in Deutschland geschieht. Wir übersehen dabei keineswegs Verstöße früherer Regierungen in Beijing gegen die in der International Bill of Human Rights verbrieften Rechte der Bevölkerung in der Provinz Tibet.

 
Wir sind allerdings der Meinung, dass die jüngsten Gewaltausbrüche in Lhasa und anderen tibetischen Zentren von den USA und ihren Verbündeten initiiert, geschürt und ganz bewusst kurz vor den Olympischen Spielen in Beijing als aussichtsreicher politischer Pressionsversuch inszeniert worden sind.
 
Die Exzesse (anfänglich abscheuliche Pogrome gegen chinesisch-stämmige Bewohner Lhasas, teils angeleitet resp. angeführt von tibetischen Mönchen) entsprechen nach unserer Kenntnis in keiner Hinsicht der Tradition buddhistischer Konfliktbewältigung. Sie weisen, wie das im Falle einer eigenständigen, also nicht ferngelenkten sozialen Bewegung doch eigentlich zu erwarten gewesen wäre, auch keinerlei „Vorlauf“ auf – trotz besonderer Anlässe, z.B. der Wahl Beijings als Austragungsort der Olympischen Spiele vor einigen Jahren.
 
Die demonstrative Instrumentalisierung des Konfliktes und seines Exponenten Tenzin Gyatso (Dalai Lama) liegen in erster Linie im Interesse politischer Gegner und wirtschaftlicher Konkurrenten der Volksrepublik China. Sie liegen nicht im Interesse der Bevölkerung Tibets und nicht im Interesse eines friedlichen Zusammenlebens der Menschen und aller Völker.
 
Wir meinen, dass viele gutgläubige, über Geschichte und Gegenwart Tibets aber leider nur unzureichend informierte Deutsche zu einer emotionalen, polarisierten Betrachtung des chinesisch-tibetischen Verhältnisses verleitet wurden. Viele Deutsche kultivieren unreflektiert das romantische Tibet-Bild einer farbigen, harmonischen Mönchs-Republik unter der Leitung eines gütigen, hochweisen Dalai Lama – und werden von den Massenmedien absichtlich in dieser Scheinwelt gefangen gehalten. Dieser Tibet-Schimäre wird von Politik und Konzernmedien das Zerrbild einer aggressiven und kulturfeindlichen Volksrepublik China gegenübergestellt, wie es weitgehend der US-amerikanischen Propaganda entspricht.
 
Wir sind der Meinung, dass die deutsche Regierung vor allem US-amerikanischen Interessen entgegen kommt, die in wiederholten Einmischungen und Aggressionen der CIA in Tibet erkennbar wurden und dokumentiert sind (sogar in US-amerikanischen Quellen).
 
Die deutsche Regierung unterstützt so die weltweite Separations-Politik der USA zur Schaffung kleiner und damit abhängiger Staaten, sei es aus wirtschaftlichen oder aus militärischen Gründen. Das tibetische Hochland ist von großer strategischer Bedeutung. Diese und seine Rohstoff-Reserven verleiten Washington und seine Verbündeten zu Versuchen, ein „asiatischen Kosovo“ herbeizuführen. Die Haltung der deutschen Regierung, insbesondere ihre kalkulierte politische Aufwertung des Dalai-Lama, sind vom gleichen Ungeist geleitet wie ihre völker- und verfassungsrechtlich verfehltes Vorgehen in Afghanistan, Afrika und Jugoslawien.
 
Wir möchten deshalb Abbitte leisten gegenüber dem chinesischen Volk, das schon einmal Opfer übler deutscher Kolonialpolitik gewesen ist. Wir glauben, zugleich für viele Deutsche zu sprechen, die noch nicht den verfälschenden Darstellungen unserer führenden Politiker und der kommerzialisierten Massenmedien erlegen sind.
 
Mit vorzüglicher Hochachtung
Volker Bräutigam und Wolf Gauer, Autoren

 
Eckart Spoo, verantw. Redakteur u. Mitherausgeber der Politikzeitschrift Ossietzky (dort erscheint in Heft 10/2008 eine Kurzfassung des Briefes)

Dr. Wolfgang Bittner, Schriftsteller

Renate Schoof, Schriftstellerin

Armin Fiand, Rechtsanwalt,

Klaus Hartmann, Bundesvorsitzender des Deutschen Freidenker-Verbandes und Vizepräsident der Weltunion der Freidenker,

Thomas Immanuel Steinberg, (der Offene Brief wird auf www.steinbergrecherche.com veröffentlicht),

Jürgen Rose, Oberstleutnant und Publizist,

Rolf Berthold, Botschafter der DDR in der VR China von 1982 bis 1990,

Gert Flegelskamp, Rentner (der Offene Brief wird auf www.flegel-g.de veröffentlicht),

Harald Schorneck,

Uwe Scheer, Hamburg,

Günter Schenk, Beinheim b. Straßburg,

Günther Wassenaar,

Hans Bauer, Rechtsanwalt, Vorsitzender der Gesellschaft zur Rechtlichen und Humanitären Unterstützung, GRH, Berlin,

Werner Heinlein, Justizbeamter i. R.,

Tilo Schönberg, Speditionskaufmann (der Offene Brief wird auf www.0815-info.de veröffentlicht),

Knut Mellenthin, Freier Journalist,

Hans Christange, GRH-Mitglied, Jurist (ehem. Staatsanwalt der DDR)

Ingrid Hacker-Klier, Diplom-Übersetzerin,

Johannes Klier, Musiker,

Peter Kleinert, NRhZ-Redakteur und Filmemacher (der Offene Brief wird auf www.nrhz.de veröffentlicht)

Dr. Werner Rügemer, Publizist, Vorsitzender von Business Crime Control (BCC)

Manfred Demmer, stellv. Vorsitzender Kulturvereinigung Leverkusen e.V.

Renate Schönfeld Pfarrerin i. R,Berlin

Klaus von Raussendorff, Publizist (Bonn),

Karin Keller, Therapeutin

Ulrich Sander, Journalist

Brigitte Queck, Dipl. Staatswissenschaftlerin Außenpolitik

Willy H. Wahl, Direktionsmitglied Migros-Genossenschafts-Bund (pens.)

Wilhelm Schulze-Barantin, Frankfurt / M., Vorsitzender Ortsgruppe Offenbach des Deutschen Freidenkerverbandes (DFV),

Peter Betscher, Vereinigung für Internationale Solidarität, Darmstadt,

Anneliese Fikentscher, Dipl. Ing. und Publizistin,
Andreas Neumann, Systemanalytiker (Veröffentlichung erfolgt auch auf der Seite www.arbeiterfotografie.com/tibet)

Ruedi Bosshart, Schweizer Bürger,

Joachim Guilliard, Software-Ingenieur, Journalist und Autor, Heidelberg

Hartmut Barth-Engelbart, Schriftsteller und Kabarettist

Helmut Pannek, HWP Hamburg,

Hans-D. Ziran, Hofheim, Vorstand Initiative Bürgerschaftlichen Engagements e.V. sowie die I.B.E.-Vorstandsmitglieder Elke J. Atzinger, Schwandorf,  Jörg-M. Ziran, Hofheim (auf den Offenen Brief wird auf der Seite www.amsel.webstar-media.com/?modul=news&id=26 verwiesen)

Der Brief wird auch an die Abgeordneten des Deutschen Bundestages per E-Mail versandt. (PK)

 

Online-Flyer Nr. 147  vom 21.05.2008

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