NRhZ-Online - Neue Rheinische Zeitung - Logo
SUCHE
Suchergebnis anzeigen!
RESSORTS
SERVICE
Unabhängige Nachrichten, Berichte & Meinungen
Aktueller Online-Flyer vom 16. April 2024  

Fenster schließen

Mehrteiler
Interview mit unserem Cartoonisten Kostas Koufogiorgos
"Man sagt, die Deutschen seien kühl"
Von Peter Kleinert

Peter Kleinert: Wie kamst Du mit Deinen Karikaturen zur RÜCKBLENDE?

Kostas Koufogiorgos: Meine Frau hat wie immer im Internet recherchiert, auf der Suche nach Zeitungen, bei denen man sich bewerben könnte, oder auch nach sonstigen nützlichen Informationen für Karikaturen. Wir betreten ja beide sozusagen völliges Neuland: Ich, weil ich die deutsche Medienlandschaft gerade erst kennen lerne, und meine Frau, weil sie als Gemälderestauratorin branchenfremd ist. Da ich der deutschen Sprache aber noch nicht so mächtig bin, übernimmt sie die Kontaktsuche und Korrespondenz für mich.

Wir hatten die Idee, dass ein Karikaturistenwettbewerb nützlich sein könnte, um meine Arbeit bekannt zu machen, denn irgendwie muss man ja in der Anfangsphase, in der ich stecke, Aufmerksamkeit schaffen. Dabei sind wir, eine Woche vor Abgabeschluss, auf die RÜCKBLENDE 2005 gestoßen. Es ist ein Wettbewerb für professionelle Karikaturisten und Fotografen. Verlangt werden ausdrücklich politische Arbeiten, da der Veranstalter, der BDZV Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger) einen Rückblick auf das politische Jahr 2005 werfen möchte. Eingereicht werden vier bis fünf Karikaturen, die 2005 in einer deutschen Zeitung veröffentlicht worden sein müssen. Ohne die Arbeit bei der Neuen Rheinischen Zeitung wäre mir die Teilnahme also gar nicht möglich gewesen.

Karikatur: Kostas Koufogiorgos
Karikatur: Kostas Koufogiorgos

Ich habe meine Karikaturen zusammen mit der Bewerbung rechtzeitig einreichen können, trotzdem hätte es beinahe noch ein Problem gegeben, denn man kannte beim BDZV die NRhZ noch nicht. Am darauffolgenden Tag rief die Organisatorin der RÜCKBLENDE an und erkundigte sich besorgt, ob die Zeitung vielleicht nur ein Anzeigenblatt sei. Auch war nicht klar, ob man eine Onlinezeitung zulassen dürfe, den Fall gab es bislang noch nicht. Meine Frau konnte aber Gott sein Dank alle Zweifel ausräumen, auch weil sie den Eindruck hatte, dass die Organisatorin meine Arbeit unterstützen wollte.

Wie bist Du Cartoonist geworden?

Ich wurde 1972 in.Arta in Griechenland geboren und habe mich seit ich denken kann für Kunst interessiert und gezeichnet. Den Ausschlag gab aber wohl ein Freund der Familie, den ich mit 13 Jahren kennen lernte und der ein bekannter Karikaturist war. Seitdem war mein Berufswunsch glasklar und ich habe beim Zeichnen bewusst auf dieses Ziel hingearbeitet. Ich habe aber nie Zeichenunterricht gehabt, ich wollte nach dem Abitur auch keine Kunsthochschule besuchen. Ich war und bin in vielen Dingen eher ein Autodidakt.

Karikatur: Kostas Koufogiorgos
Karikatur: Kostas Koufogiorgos

Als ich gerade 18 geworden war und die Schule beendet hatte, habe ich diesen Cartoonisten um Rat gefragt, wie ich an erste Aufträge kommen könnte. Ich war praktisch in derselben Situation wie heute wieder. Er hat mich zu ODIGITIS, der Zeitschrift der kommunistischen Jugend Griechenlands geschickt. Denen hat meine Arbeit gefallen und sie haben mich tatsächlich eingestellt. Ich hatte wahnsinniges Glück, gleich einen solchen Vollzeitvertrag zu haben; ich hatte täglich eine Karikatur abzuliefern. Ich habe anderthalb Jahre dort gearbeitet. Wie man sich vorstellen kann, geriet dieses Magazin nach dem Kollaps der UdSSR in eine gewaltige Krise. Weder finanziell noch inhaltlich wusste man, welche Wege man nun zu gehen hatte, und für mich war kein Platz mehr.

Nebenher habe ich mich 1990, also zeitgleich zu meinem Berufsstart, an der Athener Universität für Wirtschaft eingeschrieben. Nicht, um etwas "Richtiges" zu lernen, wie es ja viele Künstler machen, oder um eine Alternative zu haben, falls es mit dem Berufswunsch nicht klappen sollte. Vielmehr war ich davon überzeugt, dass es meine Arbeit ergänzen und ganz allgemein nützlich sein könnte. So habe ich mich zwischenzeitlich bei einer Wirtschaftszeitung beworben, die sich damals neu gegründet hatte und die heute eine der großen Zeitungen Griechenlands ist. Für diese Zeitung habe ich wöchentlich gearbeitet. Durch diese Arbeit hat mein Studium ziemlich lange gedauert, aber auch weil es durch meine zweijahrige Zeit in der Armee zwangsweise unterbrochen wurde. 1999 habe ich es dann abgeschlossen.

Eigentlich habe ich mich aktiv nur bei diesen zwei Zeitungen beworben. Ich hatte im Allgemeinen das große Glück, dass man mich fragte, ob ich für sie arbeiten wolle. So habe ich seit 1990 für sieben politische und Wirtschaftszeitungen sowie für über 30 Magazine gearbeitet, darunter auch satirische Magazine. Ich habe auch in Zusammenarbeit mit Autoren Illustrationen und Comics angefertigt. 2004 habe ich ein erstes Buch mit meinen Karikaturen veröffentlicht.

Wie bist Du eigentlich auf unsere NRhZ gestoßen?

Karikatur: Kostas Koufogiorgos
Karikatur: Kostas Koufogiorgos

Zur NRhZ bin ich im Grunde auf den gleichen Weg gelangt wie zur RÜCKBLENDE: Meine Frau hat im Internet nach Zeitungen recherchiert. Mir war die von Marx gegründete ursprüngliche Zeitung ein Begriff und sowohl meine Frau als auch ich fanden das Projekt spannend. Natürlich war uns klar, dass es sich im Aufbau befindet, aber vielleicht war das gerade die Chance. Was ich bei den meisten meiner Bewerbungen zu hören bekomme ist doch: Die Arbeiten sind sehr interessant und schön, doch wir haben schon einen oder zwei Cartoonisten und wir können keinen dritten beschäftigen.

Die NRhZ hingegen war gerade rund 10,12 Wochen am Start und hatte sich möglicherweise noch gar keine Gedanken gemacht, ob man einen Karikaturisten beschäftigen kann oder möchte. Ich glaube, da habe ich auch ein wenig Glück gehabt, dass die NRhZ Interesse hatte und ich sie dann mit Probekarikaturen zu vorgegebenen Artikeln überzeugen konnte. Überzeugung war sicher vor allem deshalb nötig, weil es schon etwas schwer vorstellbar ist, dass man von Athen aus über zum Teil lokalpolitische Themen arbeiten kann. Aber dank des Internets kann ich, wenn es nötig ist, auch wenige Stunden nach Zusendung des Artikels einen Cartoon liefern.

Im Grunde ist der Unterschied, ob man für eine griechische oder eine deutsche Zeitung arbeitet, nicht so furchtbar groß. Deshalb ist es mir auch nicht so schwer gefallen, mich in die Themen der NRhZ einzuarbeiten. Zugegebenermaßen kommt mir der Stil der NRhZ auch entgegen, ich bin mit den linken Zeitungen einfach vertraut.

Was hast Du von der RÜCKBLENDE aus Berlin mitgenommen?

Es war zunächst einmal wichtig und interessant zu sehen, was meine deutschen Kollegen so treiben, also die anderen Karikaturen zu sehen. Und ich habe einige Redakteure kennen lernen können. Ich bin sehr positiv überrascht, wie offen alle Teilnehmer waren, und dass alle wirklich bemüht waren, zu helfen und Rat zu geben. Das ist für jemand wie mich, der den deutschen Markt noch so wenig kennt, enorm hilfreich. Ich bin darüber auch deshalb überrascht, weil mir ein solches Verhalten aus Griechenland völlig fremd ist. Da geht jeder nur seinen eigenen Weg; kein Karikaturist will etwas mit einem Kollegen zu tun haben, aus Angst vor Konkurrenz. Bei der RÜCKBLENDE dagegen hat die Organisatorin mich ohne Not einigen "wichtigen" Leuten der Branche vorgestellt, die ich wiederum jederzeit um Rat fragen kann.

Man sagt wohl immer, die Deutschen seien kühl, aber das Gegenteil ist der Fall. So viel Aufrichtigkeit und Herzlichkeit ist mir in meinem Berufleben noch nicht wiederfahren.

Welche Pläne hast Du für die Zukunft?

Kostas: 'Der Stil der NRhZ kommt mir auch entgegen'
Kostas: 'Der Stil der NRhZ kommt mir auch entgegen'
Foto: NRhZ-Archiv



Ich möchte überwiegend in Deutschland arbeiten. Ich sehe in Griechenland keine wirkliche Perspektive mehr. Man liest in Griechenland einfach nicht mehr. Die größte Zeitung verkauft rund 30.000 Exemplare...und das auch nur, weil sie in Plastik verschweißt mit Gratis-DVD angeboten wird, sonst würde sie fast niemand kaufen. Diese Entwicklung ist furchtbar. Auch sind alle Zeitungen in Athen zentralisiert, nicht wie in Deutschland, wo auch regionale Zeitungen eine beachtliche Qualität haben. Der Traum wäre eine feste Anstellung in Deutschland, und Griechenland bleibt mein Domizil für die Ferien.


Online-Flyer Nr. 28  vom 25.01.2006



Startseite           nach oben