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Aktueller Online-Flyer vom 29. März 2024  

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Wirtschaft und Umwelt
Bonner Kongress gegen Gentechnik und Missbrauch der Landwirtschaft
Für Selbstbestimmung von Verbrauchern und Bauern
Von Peter Kleinert

Fünf Tage lang, vom 12. bis 16. Mai, wollen - während der Verhandlungen der UN-Konvention zur biologischen Vielfalt in Bonn - Bauern-, Verbraucher-, Umwelt-, soziale und Dritte Welt-Verbände auf einem internationalen Kongress gegen Gentechnik und den Missbrauch der Landwirtschaft als Lieferant von Agrar-Sprit und anderen Rohstoffen für internationale Spekulanten diskutieren. Eingeleitet wird der Kongress am Pfingstmontag mit einer Demonstration in der Bonner Rheinaue unter dem Motto „Für Biologische Vielfalt: regional, fair und gentechnikfrei!“ 



Das Berliner und das Bonner Orga-Team am 8. Februar in Bonn
Foto: www.planet-diversity.org


Sie ist auch der gemeinsame Wert einer weltweiten Bewegung, die sich gegen industrielle Monokulturen und Monotonie, gegen Hunger, Armut, Ungerechtigkeit, Ignoranz und kulturelle Verarmung zur Wehr setzt. Wir wollen einander Geschichten erzählen, Erfahrungen austauschen, gemeinsame Strategien entwickeln und praktische Zusammenarbeit vereinbaren.“ Überleben von Millionen Menschen bedroht Ziele des Kongresses seien deshalb „die Selbstbestimmung von Verbrauchern und Landwirten - gegen gentechnische Experimente mit unserem Essen und unserer Umwelt; der freie Austausch von Saatgut und Wissen in der Landwirtschaft - gegen Patente auf Lebewesen und Bio-Piraterie; der Erhalt der regionalen Vielfalt - gegen agrarindustrielle Monokulturen und das weltweite Bauernsterben.“ 

Obwohl es auf unserem Planeten genug für alle gebe, explodierten die Lebensmittelpreise und bedrohten Existenz und Überleben von Millionen Menschen. Die Landwirtschaft boome, aber nur für diejenigen, die bezahlen können. Futtermittel für Billigfleisch und Agrar-Sprit seien eben profitabler als das tägliche Brot der Armen. Monokulturen würden die natürliche und landwirtschaftliche Vielfalt zerstören, die unser Überleben sichert. Millionen bäuerlicher Existenzen würden Jahr für Jahr vernichtet. Kulturen, Sprachen, Lebensweisen, Wissen und Weisheit von Generationen fielen der Globalisierung der Landwirtschaft und rücksichtslosen Land- und Rohstoffspekulationen zum Opfer. Gentechnische Patentrezepte hätten sich als untauglich erwiesen, die drängenden Probleme von Hunger, Armut und Umweltzerstörung zu lösen. Sie bergen neue, unkalkulierbare Risiken und schaffen neue Zwänge und Abhängigkeiten. Milliarden fließen in die Gentechnik und Patentierung von Lebewesen. Für angepasste, nachhaltige Technologien und deren Verbreitung fehlen die Mittel.


ethecon-Preisträgerin  
Vandana Shiva
Mit dieser Analyse weiß sich das Orga-Komitee mit WissenschaftlerInnen wie der indischen Quantenphysikerin, Umweltschützerin, Feministin und Bürgerrechtlerin Dr. Vandana Shiva einig. Sie erhielt von der Berliner Stiftung „ethecon“, wie in NRhZ 121/122 berichtet, „in Anerkennung ihres herausragenden Einsatzes für den Erhalt unserer Erde“ am 1. Dezember den Blue-Planet-Award 2007  überreicht. In einem NRhZ-Interview erklärte sie, die auf dem offiziellen Welternährungsgipfel der Vereinten Nationen in Rom 2002 „als Wunderwaffe gegen den Hunger“ propagierte Biotechnologie diene „in Wahrheit nur dem Geschäft von Nahrungsmittel- konzernen wie Monsanto und Nestlé“. 

„Heilsbotschaft“ der Gentechnik

Auch auf einem Vorbereitungstreffen der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) e.V., Landesverband Rheinland-Pfalz/Saarland, der „Aktion 3.Welt Saar“ und der Bürgerinitiative „BürgerInnen sagen NEIN zur AgroGentechnik im Landkreis Cochem-Zell“ in Mainz war man sich weitgehend einig: „Es gibt kein Recht der Gentechnikindustrie, unsere Felder systematisch zu verunreinigen. Die konventionell und biologisch wirtschaftenden Betriebe haben aber das Recht, gentechnikfrei zu erzeugen und dieses Recht lassen wir uns nicht nehmen“, erklärte Ralf Wey, Landesvorsitzender der AbL und Getreideanbauer in Moselsürsch. 

Roland Röder, Geschäftsführer der „Aktion 3.Welt Saar, kritisierte die „Heilsbotschaft“, dass Gentechnik zur Lösung des Hungerproblems benötigt werde. „So wie die Befürworter der Atomenergie zunächst die Lösung des Energieproblems versprachen, verkünden die Protagonisten der Gentechnik die Lösung des Hungerproblems. Dabei wissen wir, dass Menschen verhungern, obwohl genügend Nahrungsmittel vorhanden sind. Der Grund liegt an der gewollt ungerechten Verteilung der Nahrungsmittel.“ Marie-Luise Volk, Sprecherin der BI gegen AgroGentechnik im Landkreis Cochem-Zell ist sicher: „Wenn durch die Gentechnik unsere Lebensmittel verunreinigt sind, dann wird es auch keine Wahlfreiheit mehr geben.“ Sie kritisierte die fehlerhaften Zulassungsverfahren, weil Studien der Industrie sich auf viel zu kurze Untersuchungszeiträume beziehen. 

Auch das Argument, Gentechnik sei doch schon überall, lässt die AbL nicht durchgehen.  „Wenn die Industrie von 114 Millionen Hektar spricht, auf denen in der Welt Gentechnikpflanzen wachsen, dann sind das noch nicht einmal 8 Prozent der Weltackerfläche – wir haben also noch viel zu verteidigen, gerade in Europa, Afrika und Asien“, so Annemarie Volling, Gentechnikexpertin des AbL-Bundesverbandes. Sie verwies auf die inhaltlich fundierten Proteste der gentechnikfreien Bewegung, die dazu geführt haben, dass BASF die gentechnisch veränderte Stärkekartoffel „Amflora“ doch nicht, wie geplant in diesem Jahr, kommerziell anbauen darf.


Vandana Shiva verteilt natürliches Saatgut
Fotos: www.navdanya.org/images

Die AbL rufe dazu auf, weiter gentechnikfreie Regionen zu gründen, um Bäuerinnen und Bauern zu schützen. „Bislang gibt es 180 gentechnikfreie Regionen im Bundesgebiet. Schon 28.600 Bauern haben eine freiwillige Selbstverpflichtungserklärung unterschrieben, sie bewirtschaften über 1 Millionen Hektar Fläche“, erklärte Annemarie Volling, die die gentechnikfreien Regionen bundesweit berät. 

Internationale Zusammenarbeit verstärken

Georg Janßen, Bundesgeschäftsführer der AbL ist sicher: „Unsere Kunden, Verarbeitungsunternehmen und Lebensmittelketten wollen gesunde Lebensmittel ohne Gentechnik - warum sollen wir gegen den Markt wirtschaften?“ Er forderte das Verbot des gentechnisch veränderten Bt Mais MON 810, der in Kürze auf circa 4.000 Hektar im Bundesgebiet ausgesät werden soll und dessen Anbau mehrere EU-Staaten (u.a. Frankreich, Österreich, Ungarn) wegen unkalkulierbarer Risiken untersagt haben. Janßen kündigte an, die internationale Zusammenarbeit zu verstärken. (PK)



Mehr zum Kongress und zur Demo, die am 12. Mai, 10 Uhr, auf der Kleinen Blumenwiese in der Bonner Rheinaue beginnt, unter www.planet-diversity.org und www.abl-rlp-saar.de.




Online-Flyer Nr. 144  vom 29.04.2008



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