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Aktueller Online-Flyer vom 24. April 2024  

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Krieg und Frieden
Siebtes menschliches Friedenszeichen in Köln
„The Universal Nation“ Mülheim
Von Carl H. Ewald

Etwa 150 Menschen hatten sich am 22. März auf dem Wiener Platz in Köln-Mülheim versammelt, in eisiger Kälte und schneidendem Wind, aber mit Fackeln bewaffnet: Selbstverständlich friedlich, denn die Veranstaltung hatte zum Ziel, mit den Fackeln ein Zeichen für den Frieden zu setzen, unter dem Motto: „The Universal Nation“. So kam beim Kölner Friedenszeichen nicht nur die Kriegspolitik von Gates und Steinmeier zur Sprache, sondern auch das Zusammenleben der Menschen verschiedenster Hintergründe aber mit gemeinsamer Zukunft im kulturellen Schmelztiegel Mülheim.

Vielfalt in jeder Hinsicht ist auch das Credo der „Mülheimer Stimmen“, einer mittlerweile ziemlich etablierten Humanistischen Stadtviertelzeitschrift – kulturelle Vielfalt, doch sicher auch Vernetzung zwischen den verschiedensten engagierten Gruppen und Organisationen in dem Kölner Veedel. Und so war es auch eine Vielfalt an Organisationen, die sich dem Aufruf angeschlossen hatte: Der Don-Bosco-Club, sozialer Stützpfeiler für viele Jugendliche im Mülheimer Norden, das Netzwerk Mülheim, das sich um die Vernetzung sozialer Akteure im Stadtviertel kümmert, das Kölner Buddhismus Center, der Jugend Film Club, HausMegaHerz, Kein Blut für Öl, das humanistische n.e.t.z., MCC – „Kirche für LesBiSchwulTrans“, der Kinderschutzbund Köln und die multikulturelle Frauengruppe aus Köln-Kalk.

peacezeichen köln mülheim märz 2008
Chor der Freien Christengemeinde | Foto: Wolfgang Geissler

Friedenslieder, brasilianische Kampftänze und Tschadors

Aufgrund dieser sehr lebendigen Mischung erstaunte es nicht mehr, dass ein Chor der Freien Christengemeinde – zwar nicht geladen aber wohl willkommen – auftauchte und Friedenslieder in den eisigen Wind schmettere. Der Don-Bosco-Club wartete mit einer Capoeira-Darbietung von und für Kinder auf. Bei der tanzbaren Kampfkunst, die ursprünglich von nach Brasilien verschleppten Sklaven zur Selbstverteidigung entwickelt wurde, geht es nicht darum, den Gegner zu verletzen – im Gegenteil: Capoeira eignet sich hervorragend zur Gewaltprävention. Und so passte es sehr gut, dass sich der Kreis des Friedenszeichens zur „Roda“ für die Capoeira bildete.

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Capoeira auf dem Wiener Platz | Foto: Carl H. Ewald

Die Multikulturelle Frauengruppe aus Köln-Kalk bot ihren „Burka-Tanz“ dar: Unter der Leitung von Tanztherapeutin Davorka Schleiff tanzte eine Gruppe in Tschadors gehüllter Frauen und ein Mann zu orientalischer Musik, und bald darauf entledigte sich eine jede ihres Überwurfs, woraufhin sie in Alltagskleidern weitertanzten. Eine Befreiung vom Schleier? Das rief Widerspruch unter Teilen der strengmuslimischen Bevölkerung Mülheims hervor. Eine Passantin fühlte sich „zu tiefst verletzt“. „Das war überhaut nicht unsere Absicht,“ erklärte Mitveranstalterin Karin Geissler: „Wir wollten damit zeigen, dass hinter jedem Schleier eben gerade ein Mensch steckt und niemanden diskriminieren!“


An- oder aufregender „Burka-Tanz"? | Foto: Carl H. Ewald

Wir können und müssen handeln!

Zum Abschluss der Aufführung verlasen die Darbietenden in acht verschiedenen Sprachen persönliche Erklärungen, was Frieden für sie bedeutet. In einer längeren Rede auch Ashin Sopaka: Der Mönch aus Burma wurde deutschlandweit durch seine Friedensläufe bekannt, durch die er auf die nach wie vor bedrohliche Situation in seinem Heimatland aufmerksam macht. Sopaka forderte Solidarität mit den Protestierenden in Tibet, schließlich sei China – wie auch Frankreich und die USA – nicht nur an den Ölgewinnen, sondern auch an den Menschenrechtsverletzungen in Burma beteiligt. 

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Christine Schmidt | Foto: Carl H. Ewald       
Christine Schmidt, die durch das Programm führte, sprach die sich bedrohlich gestaltende Weltsicherheitslage an, die Errichtung der US-Militärbasen in Polen und der Tschechischen Republik, und die zunehmende Aufrüstung, von der auch deutsche Firmen wie EADS oder Rheinmetall mehr als gut profitierten. Nicht alleine Pazifismus sondern vor allem aktive Gewaltlosigkeit müsse man dieser Entwicklung entgegensetzen, denn, so Schmidt: „wenn wir darauf warten, dass diejenigen, die uns angeblich repräsentieren, handeln, ist es längst zu spät. Wir einfachen Menschen hier im Stadtviertel müssen handeln, wenn sich etwas verändern soll! Wir sind nicht da, um hier große Politik zu machen, sondern um zu demonstrieren: Menschen aller Nationen wollen und können friedlich zusammen leben, in Mülheim, in Köln und überall auf der Welt!“

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Das siebte Friedenszeichen in Köln | Foto: Wolfgang Geissler

Zum Abschluss der Veranstaltung bildeten noch alle unverfrohrenen verbliebenen Teilnehmer gemeinsam das Friedenszeichen auf dem Wiener Platz. „Wir sind hier ohne Friedenstauben, ohne Schweigeminuten, ohne das Ritual, das den Kriegsherren gefällt, weil es an ihre Gräueltaten zu erinnert... Wir sind hier mit unserem offenen Geist, der über den Parteien steht und für den jeder Mensch wertvoll ist...“, erklärte Karin Geissler als Sprecherin für die Mülheimer Humanisten. In der Tat zeigte das nunmehr siebte in Köln stattfindende menschliche Friedenszeichen auf eindruckvolle Art, dass Frieden und aktive Gewaltlosigkeit in jedem einzelnen anfangen muss, doch dort keineswegs aufhören darf. (CH)



Argentinierin Garcia verliest Bitte für Frieden auf Türkisch | Foto: Ewald


Diskussion zwischen Burka-Tänzerinnen und Kopftuchträgerinnen
Foto: Wolfgang Geissler



Foto: Wolfgang Geissler



Foto: Wolfgang Geissler



Foto: Wolfgang Geissler

Online-Flyer Nr. 139  vom 26.03.2008

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