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Aktueller Online-Flyer vom 28. März 2024  

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Krieg und Frieden
Ostermarsch Rhein-Ruhr 2008
Verbrecher bestimmen, wo es lang geht
Von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann

Rund 500 Friedensaktivisten protestierten am Samstag Nachmittag in Düsseldorf 50 Jahre nach den ersten Ostermärschen in England trotz ungemütlichen Wetters gegen die aktuelle Kriegspolitik. Auf der Abschlusskundgebung auf dem Marktplatz vor dem Rathaus sprachen neben anderen Elke Koller von „Atomwaffen abschaffen“ und Ariane Dettloff von der Initiative „Bundeswehr wegtreten!" und der Kölner Friedensgruppe „Pax an". Zu Beginn der Kundgebung stand die Auszeichnung des Ostermarsch-Aktivisten Willi Hoffmeister mit dem Düsseldorfer Friedenspreis.
„Verbrecher bestimmen, wo es längs geht. Was wir tun können, ist, immer wieder darauf hinzuweisen, dass die Verantwortlichen unter dem Deckmantel, Demokratie und Freiheit verbreiten zu wollen, im Grunde nichts anderes tun, als sich als Terroristen zu betätigen. Als Staatsterroristen. Gegen den Strom zu schwimmen und die Dinge beim Namen zu nennen“ sei ein ganz entscheidender Beitrag im Kampf um eine bessere, friedliche Welt, schrieb am 16. März ein engagierter Rechtsanwalt anlässlich der Kriegspropaganda gegen den Iran.

ostermarsch rhein ruhr 2008
Demo des Ostermarsches 2008 am 22. März in Düsseldorf

„Wir demonstrieren Ostern für eine friedliche Welt“, heißt es im Aufruf zum Ostermarsch Rhein-Ruhr, und er benennt darin einige Aktionsfelder der Staatsterroristen. „Darfur, Afghanistan, Irak, Palästina: nirgendwo bringt Krieg eine Lösung. Unter Maßgabe der USA kämpfen die Industrieländer um Herrschaft über rohstoffreiche bzw. geostrategisch wichtige Regionen. Noch immer droht eine militärische Auseinandersetzung um das Atomprogramm des Iran. In Afghanistan scheitert die friedliche Entwicklung des Landes am Militäreinsatz der USA sowie der NATO-Staaten. Das Missverhältnis von Militärausgaben zur Höhe der Entwicklungshilfe in Afghanistan ist ein Skandal. Die Bevölkerung betrachtet die zivilen Helferinnen und Helfer zunehmend als Teil der militärischen Aktionen. Die überwiegende Mehrheit der Deutschen ist gegen die Verlängerung der ‚Verteidigung am Hindukusch.“

Friedenspreis an Willi Hoffmeister

Seit 2002 wird jährlich der Düsseldorfer Friedenspreis verliehen. In diesem Jahr ging er an Willi Hoffmeister vom Dortmunder Friedensforum. „Ich habe heute die Ehre, ein paar lobende Worte zu sprechen über Willi Hoffmeister, der seit Jahren, wenn nicht seit Jahrzehnten in besonderer Verantwortung für dem Ostermarsch Ruhr steht.“ Mit diesen Worten würdigt Felix Oekentorp von der Deutschen Friedensgesellschaft den Friedensaktivisten Willi Hoffmeister. „Bewusst habe ich hier vom Ostermarsch Ruhr und nicht vom Ostermarsch Rhein Ruhr gesprochen, in besonderem Maße ist es mit sein Verdienst, dass sich die beiden großen Ostermärsche in NRW: Rhein und Ruhr seit einigen Jahren zu einem gemeinsamen Friedensmarsch zusammengeschlossen haben. Willi hat diese offene Art, diese unermüdliche Engagement, diese konstruktive Herangehensweise, die dazu geführt hat, dass wir nicht länger nebeneinander her zwar dem gemeinsamen Ziel Frieden verpflichtet aber mit verschiedenen Aufrufen und eher in Konkurrenz, denn am gemeinsamen Strang ziehend zu Ostern auf die Straße gehen... Willi Hoffmeister stellt bei seinem Kampf um eine lebenswertere Welt stets die Gemeinsamkeiten in den Vordergrund und bringt Menschen an einen Tisch, für die das nicht selbstverständlich ist. Das ist so wohltuend wie notwendig, und dabei doch so unüblich.“

willi hoffmeister
Träger des Düsseldorfer Friedenspreises Willi Hoffmeister

„Wir fordern Wiederentwaffnung“


Ariane Dettloff sprach für die Initiative „Bundeswehr wegtreten!". Sie sagte angesichts des Umstandes, dass die Bundeswehr besonders arbeitslose Jugendliche im Visier hat: „Die Arbeitsämter sind ihr bei der Nachwuchsjagd behilflich: Sie stellen den Rekrutierern ihre Räume zur Verfügung. Der Sozialabbau in Gestalt von Harz IV ist eine wirksame Hilfe beim Anwerben für den Kriegsdienst. Für Jugendliche gibt es statt 345 nur 276 Euro im Monat. Und keinerlei Mietzuschuss. So sind sie gezwungen, bei den Eltern auszuharren. Und bei jedem kleinen Fehler gegenüber der Arbeitslosenbürokratie müssen sie mit völligem Entzug der ‚Stütze’ rechnen. Dass eine Verpflichtung zur Bundeswehr mit stattlicher Bezahlung, einer Ausbildung und Aussicht auf dauerhafte Beschäftigung den Pferdefuß Auslandseinsatz mit beinhaltet, das wird nur nebenbei erwähnt.“

ostermarsch rhein ruhr 2008 ariane detloff
Ariane Dettloff von „Bundeswehr wegtreten!"

Ariane Dettloff weiter: „Der breit getragene Widerstand gegen die Wiederbewaffnung in den 50er Jahren wurde damals kriminalisiert und mit der Beteuerung beschwichtigt, es ginge um die Verteidigung des Landes. Nachdem wir nun wissen, dass die Bundesrepublik mit ihren Konzerninteressen und ihrem Konsumterror überall auf der Welt verteidigt wird, sollten wir nichts unversucht lassen, jeden Krieg – überall auf der Welt – zu bekämpfen. Darum fordern wir die Wiederentwaffnung – wenn nicht jetzt, wann dann? Hier und überall. Bekämpft die Bundeswehr wo Ihr sie trefft, wenn sie mit ihren Werbekolonnen unterwegs ist – in den Arbeitsagenturen, in den Schulen, Universitäten, auf öffentlichen Plätzen. Kriege werden gegen Menschen geführt. Mehr als 90 Prozent der Toten sind ZivilistInnen. Dabei wollen wir nicht zuschauen. Wir organisieren uns und leisten Widerstand: ‚Bundeswehr – wegtreten!“

„Atomwaffen abschaffen!“


Elke Koller von „Atomwaffen abschaffen!“ machte deutlich, worum es in Sachen Atomwaffen immer noch geht: „Ich komme aus der Eifel und wohne dort nur 3 km Luftlinie entfernt vom NATO-Luftwaffenstützpunkt des Jagdbombergeschwader 33 bei Büchel. Hier lagern immer noch mindestens 20 Atomsprengköpfe des Typs B 61, jede einzelne mit der 15-fachen Sprengkraft der Hiroshima-Bombe.“ So wird auch Büchel Ausdruck des die Welt beherrschenden Staatsterrorismus und der Ignoranz gegenüber den Gesetzen des Völkerrechts.


Demo des Ostermarsches 2008 am 22. März in Düsseldorf

„Indem die Bundesrepublik an der nuklearen Teilhabe festhält, setzt sie sich über zahlreiche Abkommen und Verträge hinweg und missachtet sie ein Gutachten des Internationalen Gerichtshofs. Dieser stellte im Juli 1996 fest, dass der Einsatz von Atomwaffen aufgrund ihrer verheerenden Wirkung mit dem für bewaffnete Konflikte geltenden Völkerrecht nicht vereinbar ist. Ihr Einsatz und die Einsatzdrohung sind daher völkerrechtswidrig. Die Nukleare Teilhabe verstößt damit auch gegen Artikel 25 des Grundgesetzes, der dem Völkerrecht gegenüber anderen Gesetzen den Vorrang gibt. Vor allem aber verstößt die Bundesrepublik mit der Duldung amerikanischer Atomwaffen auf ihrem Territorium gegen Artikel II des NVV, des sogenannten Atomwaffensperrvertrags.“ Dagegen soll am 30. August in Büchel demonstriert werden.

Was ist mit Israel und Iran?

Auffallend still ist es um den Staatsterrorismus in Palästina – obwohl hochaktuell und besonders im Gaza-Streifen zum Himmel schreiend. „Wie immer ist es wichtig, sich bewusst zu machen, dass der Westen jeder Zeit dieser präzedenzlosen Unmenschlichkeit und Kriminalität ein Ende setzen kann. Bisher geschieht dies aber nicht... Wir können nur beten, dass es nicht zu spät sein wird für die Opfer dieses... Megagefängnissystems Palästina“, schrieb der israelische Historiker Ilan Pappé am 5. März. Von einer derartigen Alarmstimmung war beim Ostermarsch nichts zu spüren.

Relativ ruhig blieb es auf den Ostermärschen auch zum Thema Iran. Obwohl die Gefahr eines Krieges des „Westens“ gegen den Iran noch lange nicht gebannt ist und Bundeskanzlerin Angela Merkel sich am 18. März vor der Knesset zu der Äußerung verstieg: „Meine Damen und Herren, besonderen Anlass zur Sorge geben ohne Zweifel die Drohungen, die der iranische Präsident gegen Israel und das jüdische Volk richtet“, wohl wissend, dass sie sich dabei auf ein verfälschtes Zitat Ahmadinedschads bezog, um dann fortzufahren: „Wenn der Iran in den Besitz der Atombombe käme, dann hätte das verheerende Folgen – zuerst und vor allem für die Sicherheit und Existenz Israels, dann für die gesamte Region und schließlich – weit darüber hinaus – für alle in Europa und der Welt, für alle, denen die Werte Freiheit, Demokratie und Menschenwürde etwas bedeuten. Das muss verhindert werden.“ Auf einem der Ostermärsche werden wir – es ist kaum zu glauben – Zeuge einer Entwarnung: „Mit vorsichtigem Optimismus erfüllt mich die Tatsache, dass wir nicht mehr von einem unmittelbar bevorstehenden Überfall auf den Iran ausgehen müssen.“ Das sagte Werner Begoihn beim Ostermarsch Bremerhaven.


Alle Fotos: arbeiterfotografie.com

Können wir jetzt beruhigt unsere Augen verschließen vor der drohenden Gefahr eines (Atom-)Kriegs gegen den Iran? Unweigerlich fällt uns dabei ein Zitat ein. „Zwei Dinge sind unendlich: das Universum und die menschliche Dummheit. Aber bei dem Universum bin ich mir noch nicht ganz sicher.“ Das soll Albert Einstein angesichts der menschenverheerenden Kriege des letzten Jahrhunderts gesagt haben. (CH)


Online-Flyer Nr. 139  vom 26.03.2008

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