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Inland
Doch kein kostenloser Austausch der untauglichen Rußfilter
Gabriels Skandal Nummer 2
Von Peter Kleinert

Nur drei Tage, nachdem wir in NRhZ 123 über den Versuch von Minister Gabriel berichtet hatten, den Skandal um unwirksame Partikelfilter und seine Verantwortung dafür durch eine sogenannte „freiwillige Vereinbarung“ mit den Verbänden des Kraftfahrzeughandwerks und des Autoteilehandels zu vertuschen, steht der Umweltminister vor einem Scherbenhaufen: Die drei betroffenen Hersteller unwirksamer Partikelfilter verweigern unisono jegliche Kostenübernahme für den von Gabriel angekündigten „zügigen und kostenlosen Umtausch mangelhafter Partikelminderungssysteme“.
Umtausch verweigert

Dutzende betroffener Bürger haben sich nach Gabriels Medienauftritt zu diesem Thema an die Deutsche Umwelthilfe e. V. (DUH) gewandt und berichtet, dass ihnen der versprochene „zügige Umtausch“ unwirksamer Partikelfilter in den Werkstätten verweigert wurde. Offensichtlich haben sich die beiden Verbände weder mit den Werkstätten vor Ort noch mit den Herstellern von Betrugsfiltern abgestimmt.


Neuer Skandal für Umweltminister Sigmar Gabriel
Quelle: BMU

Die Unternehmen GAT, Tenneco/Walker, Bosal und Ernst-Apparatebau haben nämlich die Werkstätten darüber informiert, dass sie - im Gegensatz zu Gabriels Ankündigung - keinerlei Kosten übernehmen wollen, wenn ihre untauglichen Systeme durch Filter anderer Marken ersetzt werden. Um nicht auf den Kosten für den Umtausch sitzen zu bleiben, verfahren - von wenigen Ausnahmen abgesehen - die Einbauwerkstätten so, wie es die Hersteller der mangelhaften Filter fordern. Bei einer stichprobenartigen Umfrage der DUH unter 40 Betrieben empfahlen etwa 90 Prozent, auf den Austausch unbedingt zu verzichten. Die Bundesregierung habe, so wird überwiegend argumentiert, doch gerade entschieden, dass diese betroffenen Filter in den Autos verbleiben können, weder Steuervorteil noch Feinstaubplakette würden entfallen. Wenn bei der Befragung hartnäckig auf Austausch bestanden wurde, verwiesen die Werkstätten - von einer lobenswerten Ausnahme abgesehen - laut DUH auf „irgendwann im Jahr 2008“. Bis dahin würden die betroffenen Filterhersteller eigene neue Produkte aufgelegt haben.


GAT-Werbung auf der IAA                                          
Quelle: gat-kat
 
Irgendwann im Jahr 2008


Damit sei, so die DUH - die den Rußfilterskandal aufgedeckt und durch einen Prozeß die Bundesregierung gezwungen hatte, beim Umweltministerium unter Verschluß gehaltene Daten herauszurücken -, die von Umweltminister Gabriel vorgestellte „freiwillige Selbstverpflichtung“ der Wirtschaftsverbände gescheitert, „bevor die Tinte trocken wurde“. Ein VW-Autohaus teilte der DUH darüber hinaus mit, ihr Teilehändler habe erklärt, es dürften im Austausch für GAT-Filter nur Ersatzfilter eben dieses Unternehmens verwendet werden, ansonsten würden die Kosten nicht ersetzt. Diese könnten aber erst „irgendwann im Jahr 2008 geliefert werden“. Für einen Austausch müsse der Kunde zudem beweisen, dass die eingebauten Filter wirklich unwirksam seien. Dieses - erkennbar um seine Kunden besorgte - Autohaus machte die DUH auch darauf aufmerksam, dass nach § 476 BGB innerhalb von sechs Monaten nach Lieferung eine Beweislastumkehr eintrete. Es sei daher anzunehmen, dass versucht werde, diese Frist zu überbrücken. Damit würde sich die Rechtsposition für die betroffenen ca. 60.000 betrogenen Autofahrer entscheidend verschlechtern. Sie müssten dann den Beweis antreten, dass ihr Filter defekt sei. Dies aber wird nach Überzeugung der DUH in praktisch keinem Fall ohne aufwändige Beweiserhebung und Durchführung eines Tests nach den staatlich festgelegten Zulassungsvoraussetzungen für Nachrüstfilter (festgelegt in Anlage 26 STVZO) möglich sein, und damit würde ein Austausch der Betrugssysteme im wirklichen Leben praktisch nicht erfolgen.

Steuervorteil bleibt ja erhalten

Auch die Unternehmen Bosal und Tenneco/Walker teilten laut DUH auf Nachfrage ihre Absicht mit, den in der Vereinbarung des Bundesumweltministers zugesagten zeitnahen Austausch den Werkstätten dann nicht ersetzen zu wollen, wenn nicht ihre eigenen Systeme zum Einsatz kämen. Diese existieren aber nicht. Stattdessen werden die Werkstätten aufgefordert, die Kunden darauf zu verweisen, dass ihre mangelhaften Systeme im Fahrzeug verbleiben können und mit dem Segen der Bundesregierung, nach deren Darstellung in den Medien sie ja Steuervorteil und Feinstaubplaketten behalten dürften.

Branchenkenner gehen davon aus, dass jetzt erst e
inmal Zeit gewonnen und die Verjährungs- bzw. Beweislastumkehrfrist abgewartet werden soll. Ansprüche aus der so genannten Sachmängelhaftung verjähren nach DUH-Informationen schon nach zwölf Monaten, die Beweislastumkehr erfolgt danach bereits nach sechs Monaten. Mit ihrer erkennbaren Strategie seien Hersteller von Betrugsfiltern nun offenbar entschlossen, die Verbraucher ein zweites Mal zu täuschen. Bis zum Redaktionsschluß dieser NRhZ-Ausgabe ist Minister Gabriel zu diesem zweiten Skandal in Sachen Rußfilter noch nicht in dem Medien aufgetreten.

DUH bietet Hilfe an

Die DUH kündigte an, eine Anlaufstelle für betrogene Autohalter einzurichten. Die Bundesregierung habe schließlich zugesagt, nach ihrer „Verbändevereinbarung“ für alle Fahrzeuge, für die es funktionierende Alternativsysteme gebe, einen zeitnahen Austausch mit sicherzustellen. Die DUH will sich nun dafür einsetzen, dass dies möglich wird. Autofahrer denen ein sofortiger Umtausch verweigert wird, forderte die Umwelt- und Verbraucherschutzorganisation auf, sich an sie zu wenden.

Email: info@duh.de (PK)

Online-Flyer Nr. 124  vom 05.12.2007



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