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Wirtschaft und Umwelt
Deutsche Banken wollen durch Konzentration und Expansion stärker werden
Die Krise als Chance
Von Hans Georg

Deutsche Banken nutzen die anhaltende US-Hypothekenkrise zur Expansion und wollen das zersplitterte deutsche Kreditgewerbe einigen. Nur marktbeherrschenden Finanzriesen wird zugetraut, sich gegen die globale Konkurrenz durchzusetzen. Bereits erfolgte und eventuell bevorstehende Bankenzusammenbrüche sind Anlass, um im deutschen Bankenwesen Fusionen zu erwägen. Das Expansionspotenzial auf den Weltmärkten lässt sich an den Umsatzzahlen des stärksten deutschen Kreditinstituts ermessen: Die Deutsche Bank realisiert rund 80 Prozent ihrer Gewinne außerhalb der Bundesrepublik – mit steigender Tendenz.
Zwerge
 
Die Milliardenverluste deutscher Geldinstitute durch die fortdauernde US-Hypothekenkrise haben aus Sicht von Finanzexperten das eigentliche Dilemma der deutschen Banken offenbart: Im internationalen Vergleich seien sie noch immer "Ertragszwerge". Selbst die großen deutschen Banken - vielleicht mit Ausnahme der Deutschen Bank - sind demnach nicht gewinnstark genug, um in der beginnenden europäischen Bankenkonzentration eine führende Rolle zu spielen.[1] Trotz fortgesetzten Stellenabbaus fehle den deutschen Kreditinstituten die Effizienz, meint der Präsident der Deutschen Bundesbank, Axel Weber.
 
Tatsächlich erwirtschaften die deutschen Banken weitaus weniger Gewinne, als angesichts der derzeitigen Wirtschaftslage für möglich gehalten wird. Während die internationalen Großbanken 2006 riesige Profitschübe verzeichneten, schrumpfte der Jahresüberschuss der deutschen Institute um mehr als eine Milliarde Euro auf 22,2 Milliarden Euro. Diese Summe schreiben einige ausländische Banken fast eigenständig auf ihre Konten. Die amerikanische Citigroup etwa erwirtschaftete im vergangenen Jahr 15,3 Milliarden Euro Gewinn, die britische Großbank HSBC rund 13 Milliarden.


HSBC-Sitz in Shanghai bei Nacht
Foto: Alan Mark | Quelle: www.wikipedia.de


Vorteile

 
Ursache der Unterschiede sind strukturelle Besonderheiten. Das deutsche Kreditgewerbe ruht auf drei Säulen (Privatbanken, Genossenschaftsbanken sowie öffentlich-rechtliche Sparkassen und Landesbanken), die das gesellschaftspolitische Umfeld der deutschen Industriegeschichte widerspiegeln. Genossenschaftsbanken, öffentlich-rechtliche Sparkassen und Landesbanken sind Erben kollektiver oder etatistischer Tendenzen der deutschen Gründerzeit. Die deutschen Privatbanken standen über Jahrzehnte im Schatten dieser Konkurrenz. Obwohl sich die Kräfteverhältnisse infolge der beiden Weltkriege umgekehrt haben, ist es den Privatbanken bis heute nicht gelungen, in die Domänen der Genossenschaftsbanken, der öffentlich-rechtlichen Sparkassen und Landesbanken einzubrechen. Daher decken die vier privaten Großbanken – die Deutsche Bank, die von der italienischen Unicredit übernommene Hypo-Vereinsbank, die Commerzbank und die Dresdner Bank – mit einer Bilanzsumme von 2,4 Billionen Euro trotz diverser Zukäufe lediglich 15 Prozent des deutschen Finanzmarktes ab. Die Großbanken anderer europäischer Länder besetzen in ihren Heimatstaaten fast die Hälfte des gesamten Marktes; dies verschafft ihnen Größenvorteile und die Fähigkeit, höhere Einnahmen durchzusetzen.[2]
 
Katalysator
 
Nach einigen kleineren Zusammenschlüssen hält die Branche jetzt eine Beschleunigung für möglich. Zuletzt hatte die Commerzbank die Eurohypo übernommen, die Postbank den Baufinanzierer BHW, die Deutsche Bank die Berliner Bank sowie Teile der Norisbank und der Sparkassenverband die Landesbank Berlin. Der Immobilienfinanzierer Hypo Real Estate wird sich den Staatsfinanzierer Depfa aneignen. Experten hoffen nun, dass die akute Krise an den Kreditmärkten zum Katalysator wird und den Prozess weiter vorantreibt. 


Postbank-Werbeaktion
Foto: Michael Chlistall | Quelle: www.wikipedia.de


Die Auswirkungen des US-Hypothekencrashs führten bereits zur Übernahme der angeschlagenen sächsischen Landesbank durch die die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW), die damit ihre Position als führende Landesbank ausbaute. Weitere Fusionsmöglichkeiten werden derzeit zwischen LBBW, West LB und Bayern LB ausgelotet. Auch die auf den Mittelstand spezialisierte IKB, an der die Staatsbank KfW mit 38 Prozent beteiligt ist, dürfte im kommenden Jahr verkauft werden.[3] Für möglich gehalten wird ebenfalls, dass der deutsche Staat seinen Einfluss bei der Deutschen Post geltend macht und auf den Verkauf der Postbank drängt.
 
Aufschwung
 
Begleitet werden die Konzentrationsversuche im Inland vom Ausbau des Auslandsgeschäfts der deutschen Banken. In den vergangenen Jahren wurden die Auslandsaktivitäten bereits erheblich forciert: Statistiken der Deutschen Bundesbank zufolge hat sich in den vergangenen 17 Jahren allein die Summe der grenzüberschreitenden Forderungen und Verbindlichkeiten deutscher Kreditinstitute mehr als versiebenfacht. Noch rasanter entwickelte sich der Bestand der Direktinvestitionen im Ausland: Von 1990 bis 2003 hat sich diese Zahl mehr als verzwölffacht, stagniert aber seither auf hohem Niveau. Das soll sich jetzt durch die Expansion in Osteuropa und in aufsteigenden Wirtschaftsnationen wie China, Indien und der Türkei ändern. Dort locken stärkeres Wachstum und höhere Gewinne.[4]
 
Hoffnungsträger
 

Deutsche Bank-Zentrale in Frankfurt – größte Bank
der EU
Foto: Raimond Spekkin | Quelle: www.wikipedia.de


Als Vorreiter fungiert dabei das größte deutsche Institut, die Deutsche Bank, die als einzige der deutschen Großbanken mit der weltweiten Bankenelite mithalten kann, auch wenn sie mit ihrem Börsenwert von etwa 50 Milliarden Euro den Anschluss an die Branchenriesen verloren hat. Die Deutsche Bank, die bereits im vergangenen Jahr einen Jahresüberschuss von fast sechs Milliarden Euro erzielte, hat trotz der Krise am US-Immobilienmarkt ihren Gewinn zwischen April und Juni um 31 Prozent auf 1,8 Milliarden Euro gesteigert. Im gesamten ersten Halbjahr summierte sich der Gewinn damit auf 3,9 Milliarden Euro.[5]
 
Der weitaus größte Teil wird im Ausland realisiert: Dort erzielt die Deutsche Bank, die in 75 Ländern auf allen Kontinenten vertreten ist, 80 Prozent ihrer Erträge; 63 Prozent der Mitarbeiter sind im Ausland tätig. Deutschlands größtes Kreditinstitut hält auch weiterhin weltweit Ausschau nach Kaufobjekten.[6] In den vergangenen Monaten wurden bereits Zukäufe im türkischen Banken- und Medienmarkt getätigt [7], in Großbritannien erwarb der deutsche Branchenprimus für 1,44 Milliarden Euro in bar den im Versicherungsgeschäft tätigen Finanzkonzern Abbey Life [8].
 
Prioritäten
 
In den kommenden Jahren will die Deutsche Bank vor allem in Japan und den asiatischen Schwellenländern expandieren. Dort arbeiten bereits 14.000 Menschen für die Deutsche Bank - etwa ein Fünftel der Gesamtbelegschaft. Die Zahl der Mitarbeiter werde kräftig wachsen, heißt es: Der Anteil Asiens am Gesamtumsatz der Deutschen Bank soll binnen fünf bis acht Jahren von derzeit zwölf auf 20 Prozent gesteigert werden.[9] Bereits in den vergangenen Jahren hat das deutsche Institut in Asien stark zugelegt. Von 1989 bis 2006 verdreißigfachte sich der dortige Umsatz, während der Gesamtumsatz auf das Vierfache stieg. 
 

Habubank Hanoi – 20 Prozent bei
der Deutschen Bank

Quelle: vietnamnet.vn
Gestärkt hat die Deutsche Bank ihr Asien-Geschäft gerade erst durch den Einstieg bei der vietnamesischen Habubank.[10] Auf dem Programm stehen Länder wie Indonesien und Südkorea; auch in Bangladesh will das deutsche Kreditinstitut in den kommenden zehn Jahren Fuß fassen. Oberste Priorität genießen jedoch China und Indien. In Begleitung ständig zunehmender Armut wachsen Mittelschichten heran, die als gewinnbringende Geschäftsobjekte der Deutschen Bank in Frage kommen. (PK)
 

Mehr unter www.german-foreign-policy.com

[1] Im Strudel; Frankfurter Allgemeine Zeitung 24.09.2007
[2] s. dazu "Wir brauchen das"
[3] s. dazu Hauptanlageland, Willkommene Normalisierung und Zeitbomben
[4] Die großen Gewinne warten im Osten; Financial Times Deutschland 13.10.2007. S. auch Brücke nach China, Innovative Gestaltungsmöglichkeiten, Ein Stück weiter und Umschwung
[5] US-Kreditkrise lässt Deutsche Bank kalt; Financial Times Deutschland 01.08.2007. Deutsche Bank schafft neuen Rekord; Berliner Zeitung 02.08.2007
[6] Deutsche Bank kündigt Übernahme an; Financial Times Deutschland 20.06.2007
[7] Deutsche Bank wächst in der Türkei; Financial Times Deutschland 05.07.2007. Deutsche Bank kauft sich in türkischen Medienmarkt ein; Financial Times Deutschland 27.07.2007
[8] Deutsche Bank kauft Abbey Life; Handelsblatte 31.07.2007. Milliarden-Deal der Deutschen Bank in England; Berliner Zeitung 01.08.2007
[9] Deutsche Bank will kräftig in Asien wachsen; Süddeutsche Zeitung 08.10.2007
[10] Deutsche Bank stärkt Asien-Geschäft; Financial Times Deutschland 01.10.2007

Online-Flyer Nr. 118  vom 24.10.2007

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