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Wirtschaft und Umwelt
WestLB-Verluste: Folgt NRW-Finanzminister dem Vorbild des Kollegen in Sachsen?
Zeitbomben
Von Hans Georg

Nachdem die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) die marode SachsenLB übernommen hat, zeigt nun das Münchener Kreditinstitut BayernLB Interesse, die zu 17 Prozent dem Land NRW gehörende WestLB AG zu übernehmen. Diese ist durch Verluste in dreistelliger Millionenhöhe ebenfalls stark geschwächt. Dem Düsseldorfer Finanzhaus werfen Kritiker seit Jahren vor, ein desolates Risikomanagement zu betreiben und mit Krediten für heftig umstrittene Vorhaben im Ausland "viele soziale, ökologische und finanzielle Zeitbomben" gelegt zu haben..
Die jüngsten Geschäftsverluste treffen die WestLB nach schweren Sepkulationsverlusten in der anhaltenden US-Hypothekenkrise. Wie bekannt wurde, hat die Düsseldorfer Bank im ersten Halbjahr 2007 rund 604 Millionen Euro in Börsengeschäften verloren. Erst wenige Wochen zuvor war zu hören, dass sie mit 1,25 Milliarden Euro in windige Kreditdeals involviert sein soll; weitere Schäden können daher nicht ausgeschlossen werden. Bereits 2002 hatte die WestLB Rekordeinbußen von 1,7 Milliarden Euro verzeichnen müssen. Ursache waren bereits damals hochriskante Auslandsinvestitionen - in ein britisches TV Leasing Unternehmen ("Box Clever") -, mit denen die Bank versucht hatte, ihre als unzureichend empfundenen Inlandsgewinne um jeden Preis aufzustocken. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) urteilte 2003 über die eklatante Vernachlässigung üblicher Methoden des Risikomanagements durch das Kreditinstitut, es seien "bestehende Kontroll- und Überwachungspflichten in erheblichem Maße verletzt" worden.[1]


Wachstumsstark

Kritiker werfen der WestLB seit langem rücksichtslose Methoden bei der Abschöpfung von Auslandsgewinnen vor. Dies betrifft nicht nur die Beteiligung an windigen Immobilienkrediten, mit denen finanzschwache Wohnungseigentümer in den USA in den Ruin getrieben werden - eine der Hauptursachen für die gegenwärtige Hypothekenkrise.[2] Vorwürfe wurden bislang vor allem gegen das sogenannte Projektfinanzierungsgeschäft der Landesbank laut. Dabei handelt es sich meist um die Finanzierung großer, kapitalintensiver Vorhaben aus den Sektoren Infrastruktur oder Rohstoffförderung. "Wachstumsstarke Bereiche, in denen die WestLB beeindruckende Marktpositionen - auch auf internationaler Ebene - erreicht hat, sind beispielsweise Spezialfinanzierungen, wie etwa Projektfinanzierung", umschrieb die WestLB ihre Spekulationen zu Lasten ausländischer Kreditnehmer.[3] 2002 war die WestLB laut Geschäftsbericht an vierter Stelle in der internationalen Projektfinanzierung umtriebig.


Minister Helmut Linssen auf seiner homepage - Auf ihn ist Verlass!
Quelle: www.helmut-linssen.de

Global player

"Im Projektkoffer der WestLB ticken viele soziale, ökologische und finanzielle Zeitbomben", urteilen Kritiker über die gewinnbringenden Finanzierungsmaßnahmen der Düsseldorfer Bank.[4] Demnach entfielen in den Jahren 1994 bis 2003 über 40 Prozent des Kreditvolumens auf Sektoren, "die aus ökologischer und menschenrechtlicher Sicht als äußerst sensibel zu bezeichnen sind: nämlich Öl, Gas, Petrochemie, Bergbau und Energie". Wie es in einer Studie über einige von der WestLB finanzierte Pipelines, Goldminen und Staudämme heißt, werde mehrere dieser Projekte "erhebliche und irreversible Umweltauswirkungen bis hin zur möglichen Ausrottung bedrohter Arten und großflächiger Zerstörung von Ökosystemen" haben. Dabei soll es zu Verstößen gegen Gesetze der Empfängerländer sowie zum Bruch internationaler Menschenrechtskonventionen gekommen sein; auch das mittelbare Anheizen zwischenstaatlicher Konflikte in Krisengebieten wird dem Düsseldorfer Kreditinstitut vorgeworfen. Demnach sind teure Folgeschäden für die Zukunft nicht auszuschließen.[5] Die Autoren der Analyse urteilen: "Um ihre Stellung als global player in der Projektfinanzierung auszubauen, war die WestLB (...) bereit, sich auch solcher Vorhaben anzunehmen, die zuvor von anderer Seite als ökologisch unverantwortlich, wirtschaftlich fragwürdig oder einfach zu kontrovers abgelehnt worden waren."


Linssen – bürgernah im Wahlkreis. Und im WestLB-Aufsichtsrat???
Quelle: www.helmut-linssen.de

Düsseldorf-Moskau

Mehrere der genannten Projekte warfen wirtschaftlichen oder politischen Nutzen für die deutsche Außenpolitik ab. Unternehmen wie Siemens, Lahmeyer und Hochtief erhielten Aufträge beim Bau von Staudämmen, die von der WestLB finanziert worden waren; Mannesmann (heute Salzgitter Mannesmann) stellte Rohre für umstrittene Pipelines in Ecuador und der Türkei her, als deren Finanzier die WestLB auftrat. Die "Blue Stream"-Pipeline, die Mannesmann über sein türkisches Joint Venture Borusan Mannesmann belieferte, hat politische Bedeutung: Sie ermöglicht - analog zur Nord Stream-Pipeline - die Versorgung Südeuropas mit russischem Erdgas und eröffnet zudem die Option, Erdgas aus dem Kaspischen Becken nach Westen zu transportieren - unter der Kontrolle Moskaus. Damit finanziert die Düsseldorfer WestLB, die seit den 1970er Jahren mit Moskau zusammenarbeitet und dort seit 1995 eine Tochtergesellschaft unterhält, ein Projekt, das die deutsch-russische Kontrolle über die Versorgung der EU mit Erdgas stärkt und den Einfluss der Vereinigten Staaten schwächt. Ergänzend hat sie Kredite in Milliardenhöhe an russische Ressourcenkonzerne vergeben (Gazprom, Rosneft).[6]


Minister Horst Metz – tritt Ende September zurück
Quelle: www.metz-horst.de

Brückenkopf

Die WestLB, die überdies in den USA als ein Hauptfinanzier der umstrittenen Biospritbranche auftritt [7], ist durch ihre jüngsten Verluste schwer angeschlagen. Wie am Wochenende bekannt wurde, bemüht sich die BayernLB darum, das Institut aus Düsseldorf zu übernehmen. Hintergrund sind angeblich bevorstehende schwere Verluste, denen die Münchner Bank mit einer Stärkung ihrer Position zuvorkommen will: Die BayernLB hat insgesamt 16 Milliarden Euro in riskante Kreditgeschäfte investiert und sorgt sich besonders um fast zwei Milliarden Euro, die sie bei bonitätsschwachen US-Schuldnern angelegt hat. Mit der WestLB-Übernahme könnte die Münchner Landesbank zudem ihre Stellung in Russland stärken und damit ihre Aktivitäten in Südosteuropa ergänzen: Erst kürzlich hat sie die Mehrheit an der Hypo Group aus dem österreichischen Bundesland Kärnten übernommen, einer der größten Bankengruppen des Landes, die in den Nachfolgestaaten des zerschlagenen Jugoslawien zweistellige Gewinnmargen erzielt.[8] Erweitert um die WestLB und deren Russland-Geschäft fiele es der BayernLB leichter, sich gegen die konkurrierende Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) zu behaupten. Diese bemüht sich ebenfalls um das Düsseldorfer Finanzinstitut und hat angekündigt, ihre jüngste Übernahme - die unter dem Druck der US-Hypothekenkrise zusammengebrochene SachsenLB - auch für die Marktexpansion ins Ausland zu nutzen: Als "Brückenkopf nach Mittel- und Osteuropa".[9]

Und Minister Linssen?

Im Aufsichtsrat der WestLB, die sich mit dem Slogan „Bank der neuen Antworten“ schmückt, der aber die Finanzaufsicht gravierende Fehler bei der Risikokontrolle ihres Managements vorwirft, sitzt u.a. NRW-Finanzminister Dr. Helmut Linssen. Das Land NRW hält nämlich 17 Prozent des Firmenkapitals. Linssens Kollege in Sachsen, Finanzminister Horst Metz, hatte wegen ähnlicher Vorwürfe im Zusammenhang mit dem Niedergang der SachsenLB bereits Ende August seinen Rücktritt angekündigt. Seine Begründung: Er wolle sich „nicht aus der Verantwortung stehlen“. (PK)

[1] International und katastrophal: Das Projektfinanzierungsgeschäft der WestLB; urgewald, März 2004
[2] s. dazu Willkommene Normalisierung
[3], [4] International und katastrophal: Das Projektfinanzierungsgeschäft der WestLB; urgewald, März 2004
[5] Die Vorwürfe sind ausführlich belegt in der Studie "International und katastrophal: Das Projektfinanzierungsgeschäft der WestLB" (urgewald, März 2004). Die Autoren untersuchen Pipelines in der Türkei und in Ecuador, Erdölförderprojekte in Russland und Venezuela, Staudämme in der Türkei, Uganda und Indien, Goldminen in Papua-Neuguinea und Argentinien sowie ein Kraftwerk in Indonesien.
[6] Öl für Deutschland, koste es was es wolle. Deutsche Banken in der russischen Ölförderung; urgewald, Juli 2006
[7] s. dazu Treibstoffe des Todes
[8] s. dazu Ein Stück weiter
[9] Angeschlagene SachsenLB rettet sich in Arme der LBBW; Reuters 27.08.2007

Mehr: www.german-foreign-policy.com

Online-Flyer Nr. 112  vom 12.09.2007



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