NRhZ-Online - Neue Rheinische Zeitung - Logo
SUCHE
Suchergebnis anzeigen!
RESSORTS
SERVICE
Unabhängige Nachrichten, Berichte & Meinungen
Aktueller Online-Flyer vom 28. März 2024  

zurück  
Druckversion

Lokales
„Ich wusste gar nichts von BAYER – ich hatte eine Einladung von den UN"
Öko-Nepp mit UNEP
Von Philipp Mimkes

Fünf dpa-Zeilen für die Kritiker, 25 für die Freunde des BAYER-Konzerns – von Ministerpräsident Rüttgers über UNEP-Sprecher Steiner bis zu Umweltminister Gabriel. Dazu natürlich auch einen umweltfreundlichen Satz vom Konzernchef persönlich. – So berichtete der Kölner Stadt-Anzeiger am 28. August über die „Jugendumweltkonferenz“ in Leverkusen. Hier der Bericht der Coordination gegen BAYER-Gefahren. Die Redaktion.
Fünf Tage wurde in Leverkusen die „Internationale Jugendumweltkonferenz“ der Vereinten Nationen durchgeführt – finanziert und mit ausgerichtet vom BAYER-Konzern. Die Coordination gegen BAYER-Gefahren protestierte erfolgreich gegen die Vereinnahmung einer öffentlichen Institution durch privatwirtschaftliche Interessen und löste dadurch eine Diskussion unter den 180 TeilnehmerInnen aus.


Protest und Informationen für die Teilnehmerinnen der Weltjugendkonferenz 
Foto: cbg

Schon das Hinweisschild, das die BesucherInnen auf den richtigen Weg zur „International Youth Conference“ ins Leverkusener Erholungshaus von BAYER leiten sollte, war verräterisch. Einträchtig rahmten darauf das BAYER-Kreuz und das Logo der UN-Umweltbehörde UNEP den Slogan „Partner für Jugend und Umwelt“ ein. Und als Partner präsentierten sich der Global Player und die UNEP dann auch im weiteren Verlauf: Gemeinsam eröffneten BAYER-Chef Werner Wenning und UNEP-Direktor Achim Steiner die Tagung mit den 180 „UmweltbotschafterInnen“ aus aller Herren Länder, und unisono lobten SprecherInnen des Konzerns und der Umweltbehörde die Zusammenarbeit über den grünen Klee. Auch am Rednerpult gaben sich MitarbeiterInnen von BAYER und UNEP das Mikrofon in die Hand, wenn nicht gerade die für zusätzliches Dekorum sorgenden Politiker Sigmar Gabriel und Jürgen Rüttgers ihren Segen zu dem ungewöhnlichen Joint venture gaben.

 
Der 24-jährige Iraner Morteza Farajian hingegen war erstaunt: „Ich wusste gar nichts von BAYER – ich hatte eine Einladung von den UN.“ Deutlicher wurde Axel Köhler Schnura, Vorstandsmitglied der Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG): „Die Profitinteressen von BAYER treten zwangsläufig mit dem Allgemeinwohl in Konflikt, besonders im Umweltbereich. Das, was da als Kooperation zwischen BAYER und der UNEP läuft, ist Greenwashing für BAYER und eine Unterwanderung der UNO durch die Konzerne“ (s. hierzu www.cbgnetwork.org).
 
Protest in Leverkusen

Mitglieder der CBG forderten anlässlich der Eröffnungs-Zeremonie in Leverkusen lautstark ein Ende der Kooperation. Die aus aller Welt auf Kosten von BAYER eingeflogene Presse sowie die TeilnehmerInnen der Jugendkonferenz wurden von den Aktivisten mit englischsprachigen Informationen versorgt. Auf Transparenten hieß es „UNEP: Stop Greenwashing BAYER“ und „Widerstand gegen BAYER-Global“.


Keine Illusionen über die Umweltschutzambitionen von BAYER

Foto: cbg

Schon im Vorfeld hatte das Netzwerk NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers und Bundesumweltminister Sigmar Gabriel aufgefordert, die Teilnahme an der Eröffnungsfeier abzusagen und sich stattdessen für eine angemessene Finanzierung der UNEP aus öffentlicher Hand einzusetzen. Die Notwendigkeit, Unterstützung von privatwirtschaftlicher Seite anzunehmen, war nämlich erst durch die rückläufige finanzielle Ausstattung der UNEP durch die Mitgliedsstaaten entstanden.

Sigmar Gabriel verweigerte jedoch das Gespräch mit den Aktivisten und bezeichnete die Kritik als „abenteuerlich“. BAYER sei „ein Vorzeigeunternehmen, das wirtschaftlichen Erfolg und Engagement für den Umweltschutz vorbildlich vereinbare“. Auch Jürgen Rüttgers hastete weiter, als er von Mitgliedern der CBG angesprochen wurde. Vergleichsweise differenziert äußerte sich ausgerechnet BAYER-Chef Werner Wenning, der einräumte: „Wir wissen, dass wir Teil des Umweltproblems sind“, um dann jedoch zu verkünden, BAYER habe seine Emissionen bereits „drastisch reduziert“ und sei in Sachen Umweltschutz „Teil der Lösung“.
 
Eindimensionale Ausrichtung

Wie eindimensional die meisten PolitikerInnen und öffentlichen Institutionen auf die „Vertreter des Marktes“ ausgerichtet sind, dokumentierte UNEP-Direktor Achim Steiner in seiner Begrüßungsrede: „Mit wem denn sonst als den Unternehmen sollten wir uns zusammensetzen?“ Man möchte entgegnen, wie wäre es mit den Umweltverbänden? Oder mit Umweltbehörden, der Gewerbeaufsicht oder StaatsanwältInnen? Oder WissenschaftlerInnen? Als Referenten waren all diese marktfernen Elemente offenbar nicht interessant genug, stattdessen sprachen Mitarbeiter von BAYER zu „Erneuerbaren Energien in Deutschland“ oder zu „Industriellem Umweltschutz“.


Achim Steiner – eröffnete die Konferenz bei BAYER
Quelle: UN

 
Diskussion initiiert

Anders als bei der Führungsebene sah es bei den TeilnehmerInnen aus. Die CBG hatte die Mitglieder des „Youth Advisory Council“ der UNEP, das die Konferenz mit vorbereiten sollte, vorab angeschrieben und auf die Verantwortung von BAYER für Umweltprobleme in aller Welt hingewiesen.

In einer vorsichtig formulierten Stellungnahme kündigten die „Youth Advisors“ an, die von der CBG gesammelten Informationen in der Konferenz zu diskutieren und gegenüber Vertretern von BAYER zur Sprache zu bringen.

Deutlicher wurde Juan Hoffmaister, Jugend-Koordinator für Nordamerika. „Es macht uns traurig, dass die Regierungen ihre finanzielle Unterstützung der UNEP so weit zurückgefahren haben, dass die UNEP zu anderen Mitteln greifen musste, um ihre Kosten zu decken“, schrieb Hoffmaister der CBG. Auch über die Umweltschutz-Ambitionen des Leverkusener Multis machte er sich keine Illusionen. „Die finanzielle Unterstützung der UNEP durch BAYER bedeutet nicht, dass Umweltschutz für BAYER irgendeine Rolle spielt. Dem Unternehmen geht es ausschließlich um den Werbeeffekt. Ich wäre sehr enttäuscht, wenn wir uns in Leverkusen nicht gegen die weitere Zusammenarbeit mit BAYER aussprechen würden – Konzerne dürfen keine Kontrolle über unser Leben ausüben“, so Hoffmaister. Aber die Großkopferten wollten ihm diese Frustration nicht ersparen: Am Rande der Eröffnungsfeier unterzeichneten UNEP und BAYER einen neuen, dreijährigen Kooperationsvertrag.
 
Strafanzeige
Neben der Polizei „schützten“ auch Sicherheitskräfte der Konzerntochter BAYSECUR das Veranstaltungsgebäude. Dabei kam es zu einem Übergriff gegen einen der friedlichen Demonstranten. Als die TeilnehmerInnen aus den Bussen austiegen, und er Flugblätter verteilen wollte, stürmten plötzlich mehrere Security-Männer auf ihn los. Sie packten ihn von allen Seiten, versuchten ihn in den Würgegriff zu nehmen und ihm die Flugblätter wegzunehmen. Aber er konnte sich losreißen. Obwohl private Sicherheitsdienste im öffentlichen Raum nicht zu solchen Handlungen befugt sind, sahen die unmittelbar neben dem Demonstranten stehenden PolizistInnen dem Angriff seelenruhig zu. Der Anwalt der Coordination gegen BAYER-Gefahren erstattete Strafanzeige. (PK)

Über den „Umweltschutz“ der BAYER AG siehe u.a. in den NRhZ-Ausgaben 89, 90, 93, 102, 104, 105, 106 u.v.m.

Mehr Informationen unter www.cbgnetwork.org

Online-Flyer Nr. 111  vom 05.09.2007

Druckversion     



Startseite           nach oben

KÖLNER KLAGEMAUER


Für Frieden und Völkerverständigung
FOTOGALERIE