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Lokales
Bundeswehr lehnt Gedenkveranstaltung für ermordete Kriegsgegner ab
Protest vor Kaserne Köln-Wahn
Von Peter Kleinert

Verboten hat der Kommandant der Luftwaffenkaserne in Köln Porz-Wahn der Kulturvereinigung Leverkusen e.V. eine für Samstag, 8. September, geplante Veranstaltung zur Erinnerung an die beiden revolutionären Matrosen Albin Köbis und Max Reichpietsch, die vor 90 Jahren – am 5. September 1917 – auf dem Kasernengelände hingerichtet wurden. Nun rufen die Veranstalter zu einer Protestkundgebung am gleichen Tag morgens um 9.30 Uhr vor dem Kasernentor auf.
Albin Köbis – darf in der Kaserne Wahn nicht geehrt werden
Quelle: www.albin-koebis.de


Die Kulturvereinigung, ein Verein, der aus der Arbeiterkulturbewegung der Weimarer Republik stammt, hatte nach Mitteilung ihres stellvertretenden Vorsitzenden Manfred Demmer einen bundesweiten Aufruf veröffentlicht. Dieser habe die Unterstützung von zahlreichen Menschen unterschiedlicher politischer Richtungen gefunden, die die beiden hingerichteten Kriegsgegner in einer Veranstaltung an dem Ort ehren wollten, an dem sie begraben worden waren.


Gedenkplakat für die ermordeten Friedenskämpfer
Quelle: www.marxistische-bibliothek.de


Weil sich die Gräber der beiden Hingerichteten auf dem Gelände der Luftwaffenkaserne in Köln Porz-Wahn befinden, nahm der Vorbereitungsausschuss mit der Bundeswehr Kontakt auf, um über die Möglichkeit des Zugangs zu den Gräbern Absprachen zu treffen. In einem Gespräch am 2. August wurde dabei laut Demmer „deutlich gemacht, dass eine Ehrung der Toten auch Schlussfolgerungen aus ihrem humanistischen Handeln für heute bedeuten würde". Die Bundeswehr habe daraufhin erklärt, den Zugang zu den Gräbern prüfen zu lassen.
 
„Politische Betätigung"

Auf Nachfrage erhielt die Kulturvereinigung Leverkusen unter dem Datum 23. August eine Mitteilung des Kommandanten der Luftwaffenkaserne Wahn, Oberstleutnant Trares, in der es unter anderem heißt: „…Wie am 2. August 2007 zugesagt, habe ich die Voraussetzungen für die Durchführung der von Ihnen geplanten Gedenkveranstaltung sowie für den dafür erforderlichen Zutritt zur Luftwaffenkaserne WAHN geprüft. Insbesondere hatte ich darauf hingewiesen, dass politische Betätigung innerhalb einer  Bundeswehr-


Gedenkveranstaltung 50 Jahre Luftwaffe in der Kaserne Wahn mit der Gruppe Brings | Quelle:Luftwaffe

liegenschaft untersagt ist. Da Ihre Vertreter am 2. August 2007 auf meine Frage hin nicht ausschließen konnten, dass bei der auf dem Friedhof geplanten Rede politische Themen angesprochen werden, stufe ich die von Ihnen geplante Gedenkveranstaltung als politische Veranstaltung bzw. als politische Betätigung in der Kaserne ein. Meine Einschätzung stützt sich darüber hinaus auf das…Flugblatt der DKP Köln/Porz/Poll. In dem zur Teilnahme an Ihrer Veranstaltung am 8. September 2007 aufgerufen wird. Ihren Antrag auf Durchführung der Veranstaltung am 8. September 2007 lehne ich daher ab. Den Zutritt zur Luftwaffenkaserne WAHN gewähre ich nicht…."

Die Kulturvereinigung will nun „mit juristischen aber besonders politischen Mitteln dieses Verbot einer Ehrung von Militärjustizopfern beantworten" und ruft zum Protest gegen die Bundeswehrentscheidung auf. Nach einem Treffen vor dem Kasernentor, das unter dem Mottto „Ehre allen Kriegsgegnern – Protest gegen das Bundeswehrverbot der Gedenkveranstaltung für Albin Köbis und Max Reichpietsch!" stattfinden soll, wird anschließend um 11 Uhr in der Gaststätte Bonerath, Magazinstr. 22-24 in Porz eine Veranstaltung mit einem Film über Köbis und Reichpietsch und mit Vorträgen stattfinden. 


Damit Demonstraten Bescheid wissen – Luftwaffenfeldjäger in Aktion 
Quelle: Luftwaffe


Auf dem Schießplatz in Wahn hingerichtet


Max Reichpietsch war 1917 einer der Organisatoren der Antikriegsbewegung in der kaiserlichen Marine. Vom Freiwilligen wandelte er sich unter dem Eindruck des Krieges, von Schikanen der Offiziere und der mangelhaften Verpflegung zum Kriegsgegner. Als Matrose auf dem Linienschiff „Friedrich der Große" wurde er, zusammen mit anderen, darunter Albin Köbis bald der Organisator der Antikriegsbewegung unter den Matrosen der kaiserlichen Hochseeflotte. Er wurde verhaftet und am 26. August 1917 als „Haupträdelsführer" wegen „vollendeten Aufstandes" zusammen mit Köbis und den Heizern Willy Sachse, Wilhelm Weber und Hans Beckers zum Tode verurteilt und zusammen mit Köbis auf dem Schießplatz Wahn hingerichtet. Die drei anderen Verhafteten wurden zu 15 Jahren Zuchthaus verurteilt.
Wilhelm Dittmann, sozialdemokratischer Politiker und Mitglied des Reichstags, beurteilte das Gerichtsverfahren in seiner im Verlag J.H.W. Dietz Nachf. Berlin 1926 herausgegebenen Schrift „Die Marine-Justizmorde von 1917 und die Admirals-Rebellion von 1918" als einen „militärischen Willkürakt aus politischen Motiven". Nach den beiden ermordeten Kriegsgegnern sind in zahlreichen Städten Straßen benannt worden, unter anderem auch in Porz. Am bekanntesten wurde das Reichpietsch-Ufer in Berlin.

Die Kulturvereinigung hat gegen die ablehnende Entscheidung des Kasernenkommandanten Einspruch beim Bundesverteidigungsministerium erhoben. Zugleich wurden die Bundestagsabgeordneten der Region, sowie Landtags- und Kommunalpolitiker mit dem Fall vertraut gemacht. Sie wurden aufgefordert, sich für die Durchführung der Gedenkveranstaltung einzusetzen. Eine Anfrage der NRhZ beim Verteidigungsministerium blieb bis Redaktionsschluss unbeantwortet. (PK)



Online-Flyer Nr. 110  vom 29.08.2007

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