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Wirtschaft und Umwelt
BAYER-Konzern als Gastgeber der Jugendumweltkonferenz
Im Namen der UNO
Von Hans Georg

Begleitet von Protesten veranstalten der BAYER-Konzern und das United Nations Environment Programme (UNEP) seit Sonntag die dritte Internationale Jugend-Umweltkonferenz der Vereinten Nationen in Leverkusen. Tagungsort der viertägigen Veranstaltung ist das private Bayer-Kommunika- tionszentrum am Firmenstammsitz in Leverkusen. Wie die UNEP mitteilte, soll die Konferenz – finanziert von dem nicht eben als umweltfreundlich bekannten Chemieriesen – das Umweltbewusstsein der heranwachsenden Generation stärken.
BAYER selbst nannte als Ziel, „internationale Netzwerke aufzubauen", denn der Konzern will künftige Entscheidungsträger insbesondere aus Asien, einem Schwerpunktgebiet der Firmenexpansion, mit Hilfe der UNO an deutschen Ökoprogrammen schulen. Die Kooperation zwischen dem deutschen Unternehmen und der UN-Behörde UNEP war während der Amtszeit des deutschen UNEP-Exekutivdirektors und früheren Bundesministers Klaus Töpfer vertraglich vereinbart worden. Die von ihm gefestigte Zusammenarbeit mit BAYER begünstigt den weltweiten Absatz von Produkten der deutschen Umweltindustrie und wird auch unter der Amtsführung seines deutschen UNEP-Nachfolgers Achim Steiner fortgesetzt. Konzernkritiker protestierten am Montag mit einer Demonstration gegen das offenkundige Zusammenspiel mit den Vereinten Nationen anlässlich der offiziellen Eröffnung, die vom BAYER-Vorstandsvorsitzenden Werner Wenning und von UNEP-Exekutivdirektor Achim Steiner vorgenommen wurde.


Achim Steiner – eröffnete die Konferenz bei BAYER
Quelle: UN


Bundesumweltminister Sigmar Gabriel hielt den Einführungsvortrag. Mehr als 150 Jugendliche und junge Erwachsene aus Europa, Nord- und Südamerika, Afrika und Asien konferierten insgesamt fünf Tage unter dem Motto „Technik im Dienst des Umweltschutzes".


Unzureichend
 
Die aktuelle Veranstaltung ist der jüngste Höhepunkt einer intensiven Kooperation mit UNEP, die BAYER bereits in den 1990er Jahren eingeleitet hat. Der Konzern wird bis heute heftig kritisiert, weil seine Werke die Umwelt in hohem Maße belasten. So werden nach wie vor in erheblichem Umfang Schadstoffe in den Rhein geleitet, die Kohlendioxid-Emissionen sind hoch (7,5 Millionen Tonnen jährlich) und werden durch den Bau eines Kohlekraftwerks durch den Konzern um zusätzliche 4,4 Millionen Tonnen im Jahr gesteigert. „In ökologischer Hinsicht sind die Umwelt-Maßnahmen von Bayer weiterhin unzureichend", resümiert Philipp Mimkes vom Vorstand der konzernkritischen ,Coordination gegen Bayer-Gefahren'. In mehreren Staaten Asiens, einem seiner Expansionsschwerpunkte, bietet der Konzern sogar Schädlingsbekämpfungsmittel an, die von der WHO als „extrem gefährlich" eingestuft werden: Im vergangenen Jahr mussten 79 Kinder auf den Philippinen stationär behandelt werden, weil sie in ihrer Schule in eine Giftwolke eines Bayer-Pestizidwirkstoffs geraten waren.
 
Weltweit standardisieren
 
Werbewirksame Umweltaktivitäten des Bayer-Konzerns reichen über bloße Imagepflege hinaus. „Umweltschutz wird vor allem dann beherzigt, wenn damit steigende Erlöse oder Konkurrenzvorteile zu erzielen sind", weiß Mimkes: So geben die Filialen des Unternehmens in China, das unter schweren Umweltproblemen leidet, weniger Schadstoffe ab als die einheimischen Wettbewerber, und Bayer stellt auch Kunststoffe her, die zur Produktion energiesparender Dämm-Materialien benötigt werden. Klaus Töpfer, Umweltminister der Bundesrepublik von 1987 bis 1994 und aus dieser Zeit mit den Wünschen der deutschen Industrie bestens vertraut, beschrieb die Ausfuhrchancen für Öko-Erzeugnisse vor einigen Jahren in einer Bayer-Publikation: Man könne im Westen zur „Etablierung von umwelt- und ressourcenschonenden Produktionsverfahren in der Dritten Welt (...) entscheidend beitragen" – und zwar mit dem gewinnbringenden „Export von entsprechenden Technologien aus den Industrieländern". „Indem wir die Technologiestandards globalisieren, erreichen wir weltweit einheitliche Bedingungen zum Schutz der Umwelt", schrieb Töpfer über die industrielle Rationalisierung nach Maßstäben westlicher Produktions- und Profitnormen. Seit 1998 machte sich Töpfer für die weltweite Durchsetzung solcher Standards stark – als UNEP-Exekutivdirektor.


Klaus Töpfer – sorgte für Kooperation BAYER/UNEP
Quelle: Klimabündnis

 
In verantwortlicher Position
 
Während Töpfer die lange als einflussarm geltende UN-Behörde grundlegend umstrukturierte, schloss sich Bayer rasch seinen Standardisierungs- bemühungen an. Zu den wichtigsten Einflussprojekten des Konzerns gehört das 1998 gemeinsam mit UNEP gestartete Young Environmental Envoy Programme („Programm Junge Umweltbotschafter"). Es richtet sich an künftige Führungskräfte aus ärmeren Staaten, die jedes Jahr zu einer einwöchigen „Studienreise" in die Zentrale des Konzerns nach Leverkusen geladen werden. Dort „informiert" Bayer sie „über die Prinzipien und Methoden des modernen industriellen Umweltschutzes aus erster Hand". „Die in Deutschland gesammelten neuen Erfahrungen und Erkenntnisse bringen die Jugendlichen nach ihrer Rückkehr in die Heimatländer", schreibt das Unternehmen über den Zweck des Projekts. „Mancher junge ,Umweltbot- schafter' arbeitet heute in verantwortlicher Position im Umweltbereich – sei es in den Medien, Behörden oder in einer Nichtregierungsorganisation". Er „kann so wichtige Impulse für eine nachhaltige Entwicklung in seinem Land geben" – im Namen der UNO und vor dem Hintergrund der deutschen Einflussinteressen.
 
Integrität
 
Im Jahr 2004 hat das Leverkusener Unternehmen seine Kooperation mit der UNEP in einer Rahmenvereinbarung vertraglich festgelegt – als erste Privatfirma weltweit. „Derzeit organisieren Bayer und UNEP gemeinsam ein Dutzend Umweltprojekte für Jugendliche rund um den Globus", teilt die Konzernzentrale mit. Bayer stelle „Finanzmittel in Höhe von einer Million Euro pro Jahr zur Verfügung." Höhepunkt ist die alle zwei Jahre abgehaltene Internationale Jugend-Umweltkonferenz, die jetzt zum ersten Mal am Firmenstammsitz einberufen worden ist. Konzernkritiker protestieren scharf gegen die enge Zusammenarbeit der Vereinten Nationen mit dem gewinnorientierten Konzern. Die Kooperation beschädige „die Integrität" des United Nations Environment Programme, heißt es in einem Offenen Brief der Coordination gegen Bayer-Gefahren.



BAYER-Boss Werner Wenning (links): Entscheidungsträger schulen
Quelle: arbeiterfotografie


Mit freundlicher Unterstützung
 
Adressat des Offenen Briefes ist der gegenwärtige UNEP-Exekutivdirektor Achim Steiner, der unmittelbare Nachfolger Klaus Töpfers. Dass mit ihm zum zweiten Mal ein Deutscher diese Spitzenposition erhielt, hat im vergangenen Jahr weltweit für Aufmerksamkeit gesorgt. Gewöhnlich wird in den Vereinten Nationen darauf geachtet, keinen Staat offen zu bevorzugen. Steiner, der die Jugend-Umweltkonferenz am Montag in Leverkusen offiziell eröffnen wird, war zunächst in der deutschen Entwicklungspolitik tätig und hatte danach als Generaldirektor der World Conservation Union, einer der einflussreichsten Naturschutzorganisationen weltweit, ein Themenfeld bearbeitet, das auch für deutsche Unternehmen von hohem Interesse ist: den Schutz der natürlichen Artenvielfalt. Firmen, wie etwa die Bayer-Agrarsparte, legen darauf großen Wert, weil sie sich von den Gen-Reservoiren Erkenntnisse für die agrarindustrielle Sortenzüchtung und damit neue Vorteile gegenüber der Konkurrenz erhoffen. (vgl. auch NRhZ 104)
 
In mehrfacher Hinsicht wegweisend mutet im Nachhinein eine Vortragsveranstaltung an, zu der die Universität Mainz im Juli 2004 eingeladen hatte. Klaus Töpfer und Achim Steiner sprachen dort über „Biodiversität"; laut Untertitel drehte es sich dabei um „Internationale Naturschutzpolitik im Spannungsfeld zwischen Globalisierung und Shareholder Value". Wie aus dem Einladungsschreiben hervorging, wurde auch diese Veranstaltung „mit freundlicher Unterstützung der Bayer CropScience AG" durchgeführt. (PK)

Mehr unter www.german-foreign-policy.com 


Online-Flyer Nr. 110  vom 29.08.2007

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