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Kultur und Wissen
Über die Kölner Künstlerin Eva tom Moehlen
Leben im Strudel der Zeiten
Hans-Dieter Hey

Die Kölner Künstlerin Eva tom Moehlen ist vor Kurzem 86 Jahre alt geworden. Schlüsselerlebnisse seit ihrer Geburt über die Nazizeit bis heute haben sie in ihrer Persönlichkeitsentwicklung genauso geprägt wie ihre Kunst, die immer wieder unmittelbar aus ihren Entwicklungsschüben nach Veränderung drang und wie eine neue Geburt wirkte. Nun schreibt Eva tom Moehlen an ihrer Autobiografie. Doch manch einer fragt, wozu das dient.
„Warum schreibst Du Deine Geschichte? Ich würde mich nicht so wichtig nehmen!", wollte ihre Adoptivtochter Karin wissen. Die Frage kam nicht von ungefähr. Denn Eva tom Moehlen lebt vielleicht noch mehr von der Anerkennung als andere KünstlerInnen. Bis heute ist sie Karin die Antwort darauf schuldig geblieben. Und wenn es so wäre, dass sie sich am wohlsten im Mittelpunkt des Geschehens fühlt, sollte es nicht die zentrale Frage unserer Betrachtung sein. Die Dämonen, die sie zu diesen Drängen nach Außen antreiben, und die sicher sehr persönlicher Art sind, muss sie selbst enträtseln und sich schließlich mit ihnen versöhnen. Andere wiederum, Freunde und Verwandte, haben sie zum Schreiben aufgefordert, insbesondere ihr Freund Pfarrer Niemöller, fanden wichtig, was Eva tom Moehlen über ihre eigene Entwicklung zu berichten hat.



Eva tom Moehlen
Foto: privat


Denn da ist die andere, die politisch gewordene Eva tom Moehlen und ihre Auseinandersetzung mit der Geschichte. Ein Satz von Friedrich Nitzsche – zu dem sie erst spät Zugang bekommen hatte – schien ihr dabei besonders wichtig zu sein: „Das habe ich getan, sagt mein Gedächtnis. Das kann ich nicht getan haben, sagt mein Stolz und bleibt unerbittlich. Endlich gibt das Gedächtnis nach." Dieser Satz hatte sie auch des Nachts oft nicht in Ruhe gelassen, weil er wie kaum ein anderer Satz die Verdrängung der Geschichte im Nachkriegsdeutschland klarmacht. Schließlich machte sie daran auch ihr eigenes Nicht-Sehen-Wollen fest – damals im Alter zwischen zwölf und 24 Jahren und in den Jahren danach. Denn es waren nicht nur die brutalen Akteure des Nazi-Faschismus – dass weiß Eva tom Moehlen heute – die Verantwortung trugen, sondern auch die feigen Dulder, die Wegseher, die Verdränger der Greuel, die politisch Einfältigen oder die heimlichen Unterstützer. Dass Pfarrer Niemöller damals die „Unschuld des Schlafes" verneinte, machte sie unsicher. Zweifel und Skepsis wuchsen in ihr und Angst machte sich breit. Als ihr Klassenlehrer 1933 bedrückte sagte: „Ich gehe jetzt in Pension", merkte sie, dass etwas daran nicht stimmen konnte. Die Nachfrage nach dem „Warum" durfte nicht gestellt werden und führte bei ihr zu einer beklemmenden Enge in der Brust.

Ein Schlüsselerlebnis war für sie der Dokumentarfilm „Nuit et brouillard“ über die Greueltaten der Nazidiktatur von Alain Resnais, der 1955 in die Kinos kam. Seitdem wollte sie nie mehr wegsehen. Eva tom Moehlen sagt heute mit Recht, dass die Verantwortung nicht mit der „Gnade der späten Geburt" abgetan sein kann. Denn Geschichte lebt in den Folgegenerationen als grausames Schweigen der Überlebenden fort, als Verdrängung, als Unthema der Schulen oder durch die Wiedereinsetzung eines großen Teils der brutalen Akteure im Nachkriegsdeutschland mit Billigung der Siegermächte, die dadurch die Geschicke des Landes bis heute bestimmt haben. Erst spät hatte sie sich diese Zusammenhänge bewusst gemacht, weil Erinnerung und Erkenntnis sich oft zäh entwickeln und die innere Verweigerung stärker ist.

In späteren Jahren wurden ihr alle Zusammenhänge bewusster, und sie engagierte sich seit Mitte der 70er Jahre politisch – zunächst erst ängstlich und zögerlich. Sie verließ die Geborgenheit ihrer „Insel der Kunst" als Fachbereichsleiterin der Volkshochschule Köln, engagierte sich Jahre in der Sozialistischen Selbsthilfe Köln, kämpfte Seite an Seite mit Walter Hermann und Obdachlosen für die Erhaltung der zu Weltruhm gelangten „Kölner Klagemauer" als Symbol für einen solidarischen Friedenswillen. Denn diese Kölner Klagemauer gehört, so Eva tom Moehlen, „...mehr als jedes andere Mahnmal aus Bronze oder Granit als lebende Aktion für den menschlichen Friedenswillen in diese Stadt". Damals brauchte sie großen Mut, ihren eigenen „Sicherheitsabstand" gegenüber Obdachlosen, Ausgegrenzten oder Asylsuchenden zu verringern. Doch es gelang, und heute ist sie für diese Erfahrungen sehr dankbar. Ihr war auch klar, dass sie gegen die Mainstream-Medien etwas tun wollte und engagierte sich als Unterstützerin oder mit eigenen Beiträgen beim Kölner Volksblatt, dem Vorgängerblatt der Neuen Rheinischen Zeitung. In den 80er Jahren war sie bei der „Stollwerk-Besetzung" aktiv. Ihre Bilder sind Zeugnis der inneren Wandlung, ausgelöst durch die äußeren Verhältnisse.

Dies will sie als Autobiografie nach außen tragen, wobei auch das Schreiben über sich selbst wiederum Form einer Erkenntnis ist. Sie selbst sieht ihre Autobiografie als „Collage aus eigenen und fremden Texten und ihren Bildern". Ihr Bild „Das Teufelsmoor" von 1945 macht den wirklichkeitsabgewandten Zustand der Malerin in dieser Zeit deutlich. Man kann nicht glauben, dass es sich um ein Bild handelt, welches in einer Zeit des Grauens entstanden ist. Vielleicht ist es Ausdruck des eigenen Wegsehens oder bereits der Wunsch nach friedlicher Idylle, die noch nicht deutlich erkennbar und auch noch nicht greifbar war. Auch der Betrachter steht außerhalb der dargestellten Wirklichkeit, ist nicht beteiligt und fühlt sich nicht in das Bild hineinversetzt.


Teufelsmoor am Abend

Ab 1946 wandte sich Moehlen von der Darstellung der äußeren Erscheinung der Landschaftsmalerei ab und widmet sich verschiedentlich ihrer Art des Expressionismus zu. Im Bild „Riesenrad auf dem Bremer Freimarkt" von 1946 wird der Wandel deutlich, was den Aufbruch in eine neue Phase darstellt:   Es ist die Abkehr von der alten Oberflächlichkeit, hin zum eigenen Erleben. Auch der Betrachter befindet sich nicht außerhalb, sondern quasi auf dem Boden, als Beteiligter mitten im Bildes.


Riesenrad auf dem Bremer Freimarkt

Anfang der 50er Jahre entstand das Bild „Galerie in Paris". Deutlich wird ein Sprung in eine neue Phase inneren Erlebens, der stärkeren Beteiligung am Geschehen. Die Farben erklären eine gewisse Fröhlichkeit, Losgelöstheit und Emotion.


Galerie in Paris

Ab 1960 erklärt Eva tom Moehlen ihre „innere und äußere künstlerische Zeitreise für beendet" und wähnt sich in der Jetztzeit und damit im politischen Leben angekommen. Ihre künstlerische Entwicklung entspricht dem. Das Bild „Das Weiss entlässt zwei Grosse und ihr Kleines" ist Ausdruck der Reflexion über den Bildraum, der nun nicht mehr perspektivisch dargestellt wird. Sie setzt sich mit dem „Wandel des Raums, in dem wir leben, auseinander".


Das Weiss entlässt zwei Grosse und ihr Kleines

1963 ist wohl das letzte ihrer Bilder entstanden. Hierzu sagt sie selbst: „Ich nehme das Gegebene an. Die Familie, in die ich geboren wurde, die Tupfen der Freude, im Grund und im Vordergrund meine Eigenschaften, Worte, die mir gegeben werden. All dies, das nicht mehr zu ändern ist...Jetzt bin ich aus diesem Idealbau ausgezogen und in die Welt gefallen". (CH)


Das letzte Bild: Ausgezogen und in die Welt gefallen
Fotos: H.-D. Hey, gesichter zei(ch/g)en



Online-Flyer Nr. 108  vom 15.08.2007

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