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Aktueller Online-Flyer vom 18. April 2024  

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Fotogalerien
„InnenweltenAussenwelten“ – im Bezirksrathaus Köln Mülheim
Bilderkunst und wilde Wünsche
Von Peter V. Brinkemper

Zwanzig Mädchen und junge Frauen im Alter von 12 bis 18 Jahren, zum Teil mit Migrationshintergrund, nahmen an Jane Dunkers Fotoprojekt „InnenweltenAussenwelten“ teil, einem Angebot des Interkulturellen Mädchentreffs in Köln-Mülheim. Es entstanden aufschlussreiche Texte, Bild-Collagen und fotografische Inszenierungen, in denen sich die jungen Frauen in ihrer ganz persönlichen und weiteren Umgebung recht selbstbewusst oder auch nachdenklich positionieren. Die Bilder und Reflektionen sind in der gleichnamigen Ausstellung „Innenwelten- Aussenwelten“ noch bis zum 29. August im Bezirksrathaus Köln-Mülheim, Wiener Platz zu sehen.


Jane Dunker und die jungen Damen
Foto:
Suryan Dunker

InnenweltenAussenwelten“ ist nicht nur der Titel der aktuellen Ausstellung. Wer Jane Dunker, die in Köln lebende, in Surabaya in Ost-Java geborene Fotografin kennt, weiß, dass sie langfristig an Projekten arbeitet, die eine künstlerisch-fotografische, aber auch organisatorisch-soziale Form haben. Im Falle von „InnenweltenAussenwelten“ hat sich diese doppelte Münze mittlerweile bestens bewährt. Diesmal arbeitete Jane Dunker im Interkulturellen Mädchentreff in Köln-Mülheim. Junge Mädchen und junge Frauen mit verschiedenem kulturellen Hintergrund erarbeiteten sich unter ihrer Leitung einen vielseitigen Zugang zum visuellen Raum der Fotografie, der über den üblichen Bild- und Handyfotokonsum hinausging.


Jessy und Ricarda auf der Ausstellung
Foto: Peter V. Brinkemper


Wahrheit anstatt plakativer Schönheit


Die Jugendlichen sollen dabei als aktives Subjekt auftreten, kraftvoll, nuanciert, sensibel oder ausdrucksstark, um ihre Existenz in eigenen und fremden Bildern zu repräsentieren, in Aufnahmen, in denen es, so Dunker, „nicht um plakative Schönheit, sondern um Wahrheit geht“.

Vielleicht ist bei dieser Wahrheit, zumal wie im Mühlheimer Projekt, weniger die Diskussion darüber wichtig, was an der Fotografie pädagogische Intention, realistische Dokumentation, was mitmenschliche Inszenierung oder was künstlerische Bildgestaltung ist. Jedes Bild kann vieles zugleich sein: ein Fenster zur Welt, ein Ordnungsfaktor, eine soziale Bühne und Oberfläche der Dinge, aus dem oft aufgedrehten Blickwinkel einer leisen oder einer lauten Pubertät. Für Jane Dunker ist das entscheidende nicht die Kunst, zu fotografieren, sondern: „die Kunst, einen Wunsch in ein Bild zu verwandeln“. Aber was ist, wenn die Wünsche in Unordnung geraten?

Angeregt von Museumsbesuchen, mit intensiver Betrachtung von künstlerisch produzierten und öffentlich ausgestellten Bildern, Gemälden und Fotografien; motiviert durch Gruppengespräche, wurden die Schülerinnen zu einer wichtigen Entscheidung aufgefordert: Mit analogen Einwegkameras sollen sie ihr persönliches Umfeld nach wichtigen Motiven durchstöbern, diese durch Serien gültig festhalten und in Bildcollagen als „Aussenwelt“ aus ihrer jeweiligen Sicht verdichten.

Hierzu kommt als Gegengewicht ein individuell ausformulierter Inszenierungs-Wunsch, wie jede von ihnen durch die professionelle Fotografin Jane Dunker individuell aufgenommen werden will, also eine anspruchsvoll ausgeklügelte Porträtstudie einer möglichen „Innenwelt“ – ein ausfotografiertes Selbstverständnis mit allen realen, emotionalen oder symbolischen Assoziationen.


Individuell ausformulierter Inszenierungs-Wunsch – „Ricarda"
Foto: Jane Dunker

In Köln-Mülheim entstand eine Serie von 17 unterschiedlichen Porträts und Ansichten, Bildern und Collagen, Panoramen, Montagen und Sequenzen, in denen sich Außenwelten und Innenwelten, Phantasie und Alltag, individuelle Freiheit und soziales Miteinander entweder überlagern oder in Kontrasten gegeneinander gesetzt sind.


Die Unordnung der Wünsche

Mit der Pubertät ist freilich ein kritisches Alter erreicht, in dem kindliche Fantasiewelten allmählich eine letzte Dämmerung erfahren. Auch vor den Ausstellungstafeln hört das Nachdenken über das eigene Leben und die richtige Bebilderung nicht auf. Da hängen sie nun, die „Innenwelten“ und die „Aussenwelten“. Und nun, zur Eröffnung, kommen Besucher, Organisatorinnen und die Presse. Und alle geben ein weiteres Feedback zu dem Projekt. Die Mädchen sehen sich mit öffentlichen Reaktionen und Kommentaren konfrontiert. Wenn sie nicht gerade losrennen, um unter sich zu sein, geben sie Statements ab, antworten sie oder hören neue Fragen auf sich zukommen.


Innenwelt und Außenwelt – „Aziza"
Foto: Jane Dunker



Elizabeth ist nicht ganz so glücklich mit ihrem „karibischen“ Braut-Inszenierungsfoto, das vor einer Fototapete produziert wurde. „Meine Nase hätte besser getroffen werden können“, wendet sie ein. „Ich wollte ein richtig schönes Foto. Wo die anderen staunen und sagen: ‚Oooh, bist DU das?’ Weil sie mich nicht wieder erkennen. Weil sie nicht glauben, dass ich das bin, weil ich da wie ein Star oder Model aussehe. Aber wenn ich nachdenke, weiß ich natürlich, dass bei ihnen viel vertuscht wird und deren Fotos bearbeitet sind.“ Ist das jetzt eine Frage der Innen- oder der Außenwelt? Vielleicht sehen das ihre vielen Freunde anders, die nebenan, in der „Aussenwelt“-Collage abgebildet sind.


Elizabeth vor ihrem Bild
Foto: Peter V. Brinkemper

Hinter Olga ist ein dynamisches Bild-im-Bild in sportlich-akrobatischer Bewegung zu sehen, während ihre Schwester Agi sich gemeinsam mit ihrer Mutter aufnehmen ließ. Clairty hat sich in zwei starken schwarzweißen Großaufnahmen in voller Frauen-Power ablichten lassen. Sie erklärt: „ Ich lache gerne, weil ich ein fröhliches Mädchen bin. Wenn ich nicht lache, fühle ich mich einsam. Wenn ich lache, fühle ich mich irgendwie stark; Und ich fühle mich wohl, wenn ich lache.“ Jessy, Fotohandy-Expertin wie ihre Altergenossinnen, ist froh, dass Ricarda sich gleich mit am Ausstellungsort aufnehmen lässt: „Mein Handy nehme ich immer mit. Egal wohin. Damit ich mit meinen Freunden telefonieren kann.“


Clairty vor ihrem Bild
Foto: Peter V. Brinkemper

Aziza hat sich für eine symbolische Darstellung der „Innenwelt“ als Weggabelung entschieden: „Ich möchte meinen eigenen Weg gehen. Ich möchte für verschiedenen Möglichkeiten offen sein.“ Die Produktion des Fotos auf der auch am Sonntagmorgen befahrenen Straße führte zu spannenden Ausweichmanövern von Aziza und Jane Dunker, die sich beim Shooting gegenseitig „Achtung, Auto“ zuriefen. Sarah erscheint in einem wahrhaft philosophischen Porträt als Denkerin – mit dem auf die Hand gestütztem Kopf und einem klaren, entschiedenen Blick.

Wie auch immer: Die schriftlichen Kommentare ergänzen die visuellen Aussagen nicht durchgängig, sondern stehen gelegentlich, wie bei Elizabeth, zu ihnen quer. Das ist kein Wunder, denn in der Pubertät werden die Bild- und Schriftwelten, die Innen- und Außenwelten oft auf den Kopf gestellt. Der Wunsch der Pädagogen nach behüteter Ganzheit und einem gelungenen Wunschbild prallt auf Desintegration, Transformation und Bildkritik. Aber auch das kann ein Ergebnis eines ehrlichen und fruchtbaren Projektes sein.

Die sehenswerte Ausstellung im Bezirksrathaus Köln-Mülheim ist noch bis zum 29. August 2007 zu besuchen. (CH)




Elizabeth
Foto: Jane Dunker



Agi
Foto: Jane Dunker



Olga
Foto: Jane Dunker




Clairty
Foto: Jane Dunker



„InnenweltenAussenwelten“
Ausstellung vom 9. bis 29. August 2007
Bezirksrathaus Köln-Mülheim, Wiener Platz 2a
Mo.-Fr. 8-15 Uhr
Eine Veranstaltung der
LOBBY FÜR MÄDCHEN

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Telefon: 0221 / 45 35 56 50
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Fax:      0221 / 890 55 48
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Online-Flyer Nr. 108  vom 15.08.2007

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