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Lokales
"Kölner Appell gegen Rassismus" ruft zu Spenden auf
Alte Fernseher für junge Gefangene
Von Klaus Jünschke

"Mehrere Jugendliche aus dem Knast haben uns um einen kleinen Farbfernseher gebeten. Da wir keine haben, bitten wir, unseren Spendenaufruf noch einmal zu bringen. Wir hoffen, dass die Bereitschaft alte TVs zu spenden groß ist, denn in der JVA Köln warten Jugendliche darauf." - Diese Mail vom "Kölner Appell" erreichte uns kurz vor Redaktionsschluß. Deshalb bringen wir den folgenden Beitrag aus der NRhZ 49 noch einmal.
Die Redaktion.


Der "Kölner Appell gegen Rassismus" e.V. entstand 1983 aus einer bundesweiten Unterschriftensammlung gegen menschenfeindliche Ausländerpolitik und versteht sich als regionale Bürgerrechtsorganisation. Wir arbeiten gegen Antisemitismus, Rassismus und Rechtsextremismus. Über unsere Arbeit informiert unsere homepage www.koelnerappell.de.

1993 haben wir in der Jugendabteilung der Justizvollzugsanstalt (JVA) in Ossendorf eine Antirassismusgruppe für männliche Jugendliche im Alter von 14 bis 20 Jahren organisiert, im Sommer 2005 die Erzählwerkstatt. Als damals die Pogrome in Hoyerswerda und Lichtenhagen und die Morde von Mölln und Solingen die Öffentlichkeit weit über die Bundesrepublik hinaus erregten, haben wir beschlossen, in das Gefängnis zu gehen und dort eine antirassistische Gruppenarbeit aufzunehmen. Von der ersten Kontaktaufnahme zum damaligen Gefängnisdirektor Thönissen und der Genehmigung dauerte es zwar ein Jahr, aber dann durften wir rein.

Weil damals zwei Drittel aller inhaftierten Jugendlichen einen Migrationshintergrund hatten, war es so gut wie unmöglich, mit deutschen rechten Jugendlichen durch das Gruppenangebot in Kontakt zu kommen. Wer in dieser Situation auch nur "Kanacke" oder ähnliches sagte, bekam sofort eine auf´s Maul. Das Gefängnis in den westdeutschen Großstädten war und ist der einzige Ort in der Bundesrepublik, wo die Menschen ohne deutschen Pass in der Bundesrepublik die Mehrheit stellen. Es wäre verfehlt, darin ein Privileg zu sehen: Wer wegen Drogendelikten zu mehr als zwei Jahren oder wegen anderer Delikte zu mehr als drei Jahren ohne Bewährung verurteilt worden ist, wird in der Regel abgeschoben. Wir haben dazu 1997 das "Kölner Stadtbuch Jugendkriminalität - Gegen die Kriminalisierung von Jugendlichen" geschrieben.

In der Erzählwerkstatt treffen sich seit diesem Sommer Jugendliche, die daran mitarbeiten, ein Buch über den Alltag im Gefängnis aus Sicht der Jugendlichen zu schreiben. In den Medien wird zwar seit Jahren die Gefährdung der Gesellschaft durch Jugendkriminalität beschworen, aber die Jugendlichen selbst kommen in dieser Auseinandersetzung nicht zu Wort. Das wollen wir ändern. Und wenn nichts dazwischen kommt, werden wir im Sommer 2006 ein Buch mit dem Arbeitstitel "Jugendliche im Klingelpütz" veröffentlichen, das eindrücklich vermitteln wird, dass der Klingelpütz kein Ort für Jugendliche ist.

Neben der Auseinandersetzung um verschiedene Themen rund um Rassismus, Antisemitismus, Sexismus und Rechtsextremismus, gehen wir natürlich von Anfang an auch auf die besonderen Probleme der Jugendlichen ein, die sich durch ihre Inhaftierung ergeben. So helfen wir denjenigen, die noch nie einen Prozess hatten, durch Rollenspiele, sich auf die Verhandlung vorzubereiten und etwas von ihren Ängsten abzubauen. Jugendliche, die es wünschen, begleiten wir zu den Prozessen. Diejenigen, die keine Angehörigen hier haben oder von ihrer Familie nicht mehr besucht werden,
besuchen wir und schicken ihnen auch Pakete, die dreimal im Jahr zu Weihnachten, zu Ostern und zum Geburtstag erlaubt sind.

Als wir kürzlich die Jugendlichen fragten, wie viele von ihnen kein Radio und keinen Fernseher haben, stellten wir fest, dass dies für die allermeisten zutrifft. Mit der wachsenden Armut draußen hat sich nicht nur finanziell einiges dramatisch im Leben dieser Jugendlichen verändert. Auch die Zahl der Eltern, die ihre Kinder nicht mal mehr besuchen, ist gewachsen. Hinzu kommt, dass trotz der Arbeitspflicht im Gefängnis, die für Jugendliche auch in der Untersuchungshaft gilt, nicht genügend Arbeits- und Ausbildungsplätze vorhanden sind. Aufgrund der umständlichen Prozedur Taschengeld zu beantragen, haben viele nicht einmal die 30 Euro monatliches Taschengeld für den Einkauf. Man muss nicht viel Phantasie haben, um sich auszumalen, was es für diese Jugendlichen bedeutet, in einer von Freiheitsentzug, Armut und Langeweile geprägten Situation leben zu müssen. Es ist destruktiv.

Die JVA selbst würde gern Radios und Fernseher an alle Jugendlichen ausleihen, wenn das nötige Geld dafür vorhanden wäre. Wir als "Kölner Appell gegen Rassismus" haben das leider auch nicht, aber wir haben uns entschlossen, für die inhaftierten weiblichen und männlichen Jugendlichen eine Spendenkampagne zu starten. Wir wollen dafür sorgen, dass sich alle Jugendlichen in Ossendorf einen Fernseher und ein Radio für die Dauer ihrer Haft auf ihrer Station ausleihen können.

Zugegeben - wir sind von vielen Fernseh- und Radioprogrammen überhaupt nicht begeistert. Noch skandalöser finden wir aber, dass die Jugendlichen im Kölner Klingelpütz nicht einmal die Möglichkeit haben, diese Programme ausschalten zu können. Und weil sie die haben sollen, bitten wir Sie/Euch, gut erhaltene und voll funktionsfähige Fernseher und Radiogeräte zum Kölner Appell gegen Rassismus in die Körner Straße 77 - 79 zu bringen oder um eine Spende auf unser Konto bei der Bank für Sozialwirtschaft mit dem Verwendungszweck "TV+Radio".
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Der Autor ist Mitarbeiter beim Projekt Haftvermeidung des "Kölner Appell gegen Rassismus" e.V. an den die Spenden über die Bank für Sozialwirtschaft, BLZ 37020500, Kontonummer 7042000 eingezahlt werden können. Die Spenden sind steuerlich absetzbar.

Kontakt: www.koelnerappell.de, klaus.juenschke@t-online.de

Online-Flyer Nr. 98  vom 06.06.2007



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