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Lokales
„pro Köln“-Hetzer erfreut über Ralph Giordanos Unterstützung
Im KStA-TV gegen die Moschee
Von Peter Kleinert

„Fassungslosigkeit, Entsetzen und die Frage, ob das Ganze ein Scherz ist, oder ob hier nicht in Wirklichkeit eine Propaganda von „pro Köln“ läuft.“ So die Antwort des Kölner Publizisten Günther B. Ginzel im Deutschlandfunk auf die Frage, was er dachte, als ihm die Ablehnung des Moscheebaus in Köln-Ehrenfeld durch den Kölner Schriftsteller Ralph Giordano zu Ohren kam. Giordano hat sein Auftritt im ansonsten kaum bekannten Internet-TV des Hauses M.DuMont Schauberg jedenfalls tagelang europaweit Schlagzeilen gebracht. Und Werbung für die Neonazis von „pro Köln“, die unter dem Motto „Köln macht mobil gegen Großmoschee und Islamismus“ für den 16. Juni einen „Marsch“ durch Ehrenfeld propagieren.

„Ein menschlicher Pinguin“

„Giordano auf pro-Köln-Kurs“ triumphierten die denn auch am Tag nach dessen Auftritt  unter der Regie von Stadt-Anzeiger-Chefredakteur Franz Sommerfeld. Im Gespräch mit dem Dialogbeauftragten der türkisch-islamischen Union DITIB, Bekir Alboga, hatte Giordano gefordert: „Stoppt den Bau, weil es ein falsches Signal ist. Die Wahrheit ist: die Integration ist gescheitert. Natürlich: hier leben seit Jahrzehnten Menschen, Muslime, die kein Deutsch können, Frauen besonders, weil sie zurückgehalten werden. Auf dem Wege hierher hatte ich einen Anblick, der meine Ästhetik beschädigt hat und gestört hat: eine von oben bis unten verhüllte Frau, ein menschlicher Pinguin. Die Quelle des islamistischen Terrors liegt in den Schwierigkeiten der islamischen Gesellschaft bei der Anpassung an die Moderne!“ Dies würden auch die „Ehrenmorde“ beweisen.

Giordano - nuimmt nichts zurueckRalph Giordano –
nimmt nichts zurück

Foto: www.beucker.de


DITIB-Sprecher Alboga versuchte die Fassung zu bewahren, erklärte, dass „Ehrenmorde“ mehr mit Stammeskultur als mit dem islamischen Glauben zu tun haben und distanzierte sich vom Fundamentalismus und der Burka. Giordano wischte alle Argumente beiseite, höhnte jedes Mal: „Das habe ich erwartet, dass Sie das sagen“ und unterstellte Alboga, ihn nicht ernst zu nehmen.


Von den Nazis verfolgt, nach dem Krieg in der KPD


Ralph Giordano ist Jude wie sein Kritiker Günther B. Ginzel. 1923 geboren, wurde er von den Nazis verfolgt, 1940 musste er die Schule verlassen, wurde von der Gestapo verhaftet und gefoltert. Als die Nazis versuchten, seine Mutter zu deportieren, tauchte die Familie in Hamburg unter und überlebte so den Holocaust. 1955 ging er als KPD-Mitglied in die DDR, wo er bereits 1953 beim Verlag „Neues Leben“ sein „Westdeutsches Tagebuch“ über die KPD in Hamburg unter dem Pseudonym Jan Rolfs veröffentlicht hatte. Zwei Jahre später kehrte er nach Deutschland zurück und veröffentlichte 1961 in „Die Partei hat immer Recht“ seine „Abrechnung mit dem Stalinismus“. In der durch FDP-Chef  Jürgen Möllemann ausgelösten Antisemitismus-Debatte erklärte er im Juni 2002, sein Fluchtgefühl sei seit der Befreiung vom Nationalsozialismus nicht mehr so stark gewesen.

Natürlich sei man in den jüdischen Gemeinschaften „sehr irritiert über die Entwicklung im Islam“, so Ginzel, ehemaliger Vorsitzender der Kölnischen Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit, im DLF-Interview. „Da wäre vieles zu diskutieren und zu kritisieren, innerjüdisch in Bezug auf die jüdische Identität und das Verhältnis zu Israel und in Bezug zum Islam und vor allen Dingen auch die antisemitischen Tendenzen unter jungen Muslimen, die wir von vielen Schulen hören. Aber auf der Basis, wie Ralph Giordano das getan hat, kann man sich auch als Jude nur schützend vor die muslimischen Nachbarn stellen“. Denn: „Die islamische Gesellschaft ist höchst pluralistisch, und er hat natürlich auch nicht unterschieden zwischen den türkischen Muslimen, die traditionell ein weitgehend entspanntes Verhältnis zu Judentum und Synagoge haben, und einem Teil der arabischen Muslime hier, die zum Teil islamistisch infiziert sind - nicht zuletzt auch wegen des Nahostkonfliktes. Wir können mit diesem Thema nicht mit einer Sprache umgehen, wie es Giordano getan hat.“

Heute: „Galionsfigur von pro Köln“

Um das Verhältnis zwischen Muslimen und Juden, Muslimen, Juden, Christen und säkularer Gesellschaft zu entkrampfen, wäre nach Ginzels Meinung seitens Giordano „ein einfaches klares Wort“ nötig: „Ich habe mich verrannt, es tut mir leid, ich werde hier zur Galionsfigur von „pro Köln“. Heute gilt er als der inoffizielle Sprecher der Rechtsextremisten in Köln. Wenn das einem Opfer des Nazismus passiert, muss er ins Grübeln kommen.“

Auch Claus Ludwig von der Kölner LINKS-Fraktion im Stadtrat ist entsetzt über „die rassistischen Ausfälle des ehemaligen Antifaschisten Giordano“. Auf der homepage von „Gemeinsam gegen Sozialraub“ schreibt er: „Das ist der gleiche Ralph Giordano, der angesichts der Nazi-Gewalt in den 90er Jahren Sympathien für antifaschistische Militanz hatte und Flüchtlinge gegen die Propaganda in Schutz nahm. In einem offenen Brief an Kanzler Kohl deutete er damals an, dass er bereit sei, „bis in den bewaffneten Selbstschutz hinein“ gegen den gewalttätigen Rechtsextremismus vorzugehen, da die Regierung offensichtlich nicht bereit sei, Minderheiten den notwendigen Schutz zu gewähren.“

Giordanos Eitelkeit vom KStA benutzt
 
Giordanos aktuelle Äußerungen, so Claus Ludwig, seien „wohl das Produkt des Verlustes sämtlicher Hoffnungen, dass eine andere, menschenwürdige Gesellschaft machbar ist - gepaart mit extremer Geltungssucht“. Doch es gehe in dieser Diskussion nicht um einen „Fall Ralph Giordano“. Giordano sei „lediglich vorgeschoben, seine Eitelkeit benutzt worden, um den Kampf gegen die Moschee aufzunehmen“. Der Kölner Stadt-Anzeiger habe „das Streitgespräch auf ksta.tv stark beworben und mit der Anwesenheit des Chefredakteurs Sommerfeld (früher einmal Kommunist wie Giordano, P.K.) deutlich gemacht, wie wichtig er das nimmt. BILD Köln hat die Geschichte am nächsten Tag reißerisch aufgegriffen. Vor allem aber die Dumont-Medien Express, Rundschau und Stadtanzeiger sind voll von Berichten, wie sehr die Geschichte debattiert wird.“

Giordano im KStA - TV
Ralph Giordano, Franz Sommerfeld und DITIB-Sprecher Bekir Alboga im ksta-tv | Quelle: KStA - TV

Dabei gehe es nicht nur darum, eine spektakuläre „Story“ zu bringen, um Leser anzuziehen. Ludwig: „Schon vor einigen Wochen kritisierte Lokalchef Berger im KStA, die Ehrenfelder Bevölkerung hätte ernste Sorgen und wäre gar nicht in die Moschee-Debatte einbezogen. Teile der herrschenden Klasse in Köln, darunter Verleger Neven Dumont, scheinen entschlossen, die Gegnerschaft gegen die Moschee und den Islam nicht den aus ihrer Sicht unberechenbaren und unakzeptablen Faschisten von „pro Köln“ überlassen zu wollen. Giordano ist dabei eine ideale Figur, jede/r wird ihm abnehmen, dass er die Faschisten aufrichtig hasst. Seine scharfen Worte gegen „pro Köln“ (diese würden ihn „am liebsten in eine Gaskammer stecken“) sollen das unterstreichen - und sind sehr dumm, denn „pro Köln“ kann sich Chancen ausrechnen, gegen diese Bemerkung juristisch vorzugehen.“
 
Druck innerhalb der bürgerlichen Parteien erzeugen

Neven Dumont und andere wollten offensichtlich der Linie von OB Schramma nicht folgen, hinter der sich die Führungen der bürgerlichen Parteien versammelt haben. Es solle Druck innerhalb der Parteien erzeugt werden, diese Frage ernst zu nehmen und ideologisch zu betrachten. Ludwig fürchtet, dies könne durchaus Erfolg haben: „Niemand sollte davon ausgehen, dass CDU oder FDP verlässliche Bündnispartner dabei sind, mehr Rechte für Immigranten zu erreichen oder auch nur die Ehrenfelder Moschee zu verteidigen. Die Haltung der Ehrenfelder CDU, die nur mit Druck vom OB und der Ratsfraktion davon abgehalten werden konnte, aktiv gegen den Moschee-Bau zu werden, zeigt das Potenzial für eine Kursänderung. Auch SPD und Grünen ist Einiges zuzutrauen.“
 
Seine Vermutung: „Die Absicht der bürgerlichen Islam-Gegner mag sein, eine eigene Anti-Moschee-Front aufzubauen und „pro Köln“ die Meinungsführerschaft in Sachen Islamophobie streitig zu machen. Das wird nicht funktionieren. Diejenigen, die sich gegen Muslime aufhetzen lassen, machen die feinen Unterschiede nicht, die Neven DuMont und Giordano machen. Sie werden dadurch nicht zu Befürwortern des Staates Israels oder des jüdischen Lebens in Deutschland. Sie sind „gegen Ausländer“, gegen Minderheiten. Sie werden sich bestätigt fühlen, wenn sie Hetze gegen die Moschee in den Zeitungen lesen, werden aber noch lange nicht die arroganten Establishment-Figuren als ihre Interessenvertreter ansehen. Sie werden sich hingegen darin bestärkt fühlen, „proKöln“ offen zu unterstützen. Die rechte Truppe um Manfred Rouhs kann sich nur bedanken bei Giordano und den Dumont-Medien.“

ProKoeln - im Stadtrat
Freut sich über und klagt trotzdem gegen Giordano – pro Köln-Fraktion im Stadtrat | Foto: NRhZ-Archiv

Aufgabe der politischen Linken

Aufgabe der politischen Linken und der Gewerkschaften sei es deshalb, „die Verteidigung des Rechtes auf den Bau einer repräsentativen Moschee in die Hand zu nehmen. Nicht mit oberflächlicher „Multikulti-Standort“-Argumentation oder mit einer unkritischen Haltung zu DITIB, die letztendlich auch nur eine konservativ-religiöse Organisation ist. Sondern mit einer klaren Haltung, dass nur die Verteidigung demokratischer Rechte, die weitgehende Gleichberechtigung, das Respektieren von anderen Kulturen und Religionen die Grundlage ist, auf der die Mehrheit der Bevölkerung, die arbeitenden und erwerbslosen Menschen, gemeinsam für ein besseres Leben agieren können“. Deshalb sei es notwendig, „die Aktionen gegen den „pro Köln“-Aufmarsch am 16. Juni vorzubereiten aber auch, die bürgerliche Anti-Islam-Propaganda zu kontern“.

Wer hoffte, Ralph Giordano würde das vom Vorsitzenden der Kölnischen Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit erhoffte „klare Wort“ einer Entschuldigung gegenüber den Muslimen finden, hat sich geirrt. Erfreut konnte der Kölner Stadt-Anzeiger dagegen ein paar Tage später melden: „Giordano nimmt nichts zurück“. Im Gegenteil: Es gebe seiner Meinung nach "eine unheilige Allianz" radikaler muslimischer Kreise in Deutschland, die gemeinsam mit deutschen Rechtsextremisten antisemitische Propaganda verbreiteten und jüdische Menschen bedrohten oder sogar angriffen. Er selbst habe bereits vermutlich von Muslimen "telefonisch Morddrohungen erhalten". Und „pro Köln“ habe wegen seiner „Gaskammer“-Äußerung Strafanzeige gegen ihn erstattet.


Guenther Ginzel
Günther B.Ginzel
Quelle: WDR


Das vollständige Interview mit Günther B. Ginzel finden Sie unter  http://www.dradio.de/, den vollständigen Kommentar von Claus Ludwig unter  http://gemeinsam-gegen-sozialraub.de/

Online-Flyer Nr. 97  vom 30.05.2007



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