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Endlich mal wieder mit dem PKW in der BRD unterwegs!
Auf de deutsche Audobahne...
Von Ekkes Frank

Ach, war das schön! Endlich mal wieder mit dem PKW in der BRD unterwegs! Zu lange hatte ich in einem Land der unfreien Fahrt für unfreie Bürger gelebt und dabei ganz vergessen, dass wir Deutschen ja nicht nur das Auto erfunden haben, sondern auch den einzig wahren Umgang mit dieser wunderschönen Schöpfung menschlichen Geistes. Die man beispielsweise schon mal erst gar nicht in ihrem Bewegungsdrang einengen darf, indem man sie durch eine Geschwindigkeitsbegrenzung an der freien Entfaltung ihrer Potenz hindert; sondern die man ehrt und würdigt und samstags putzt und voller Stolz auf 180 bringt, wann immer es geht.

Gleich nach dem Überqueren der Staatsgrenze, schon auf den ersten Kilometern Autobahn, fiel mir das alles aber wieder ein. Hei, wie sie da an mir vorüberflogen, die Mercedes aller Klassen und die BMWs aller Baureihen, die Daimlers und die bayerischen Kraftkutschen und all die andern Großen und Kleinen auch! Fröhlich signalisierten sie mir, der ich mit peinlich läppischen 132 km/h an der unendlichen Perlenkette edler LKWs vorbeitrödelte, schon aus weiter Ferne mit lustig blinzelnden Lichthupen, dass sie bitteschön gern passieren würden. Was sie dann auch so flott taten, dass ich nicht einmal das Nummernschild hätte lesen können, wenn ich es gewollt hätte, etwa um einem besonders munteren Führer eines Kraft-Fahrzeuges eine Anerkennung für sein beeindruckendes Gebaren zukommen zu lassen.

Noch schöner wurde es aber dann des Freitags, als ich mich zur Rückreise aufmachte. Die Zahl der vierrädrigen Lieblinge nimmt ja - wenn auch leider etwas langsamer, inzwischen - weiter zu, und alle waren sie offenbar heute unterwegs, um irgendwo am anderen Ende der Republik den Vereinigungsgeburtstag zu feiern. Damit die Bürgerinnen und Bürger jedoch nicht in Depressionen verursachende Vereinzelung geraten, hatten weitsichtige Straßenbaubehörden überall für kommunikationsfördernde Einrichtungen - vulgo: Baustellen - gesorgt, und die dankbaren Untertanen trugen ihren Teil bei, indem sie mit kleineren oder größeren Unfällen auch dort für Staus sorgten, wo es noch keine gab.

Wie schön, diese fröhlichen Mienen in den strahlendglänzenden Raumwundern zu sehen, zumal in den sich ständig vermehrenden - und angesichts der Straßensituation ja auch unbedingt notwendigen! - Geländewagen, die offenbar inzwischen alle von den gleichen Designern gestaltet werden wie die modernen Joggingschuhe. Und wie die Insassen mit freundlichen Gesten, vor allem mit dem Einsatz von Zeige- und Mittelfinger einander ihre Achtung und Sympathie bezeugten! Ehe sie, nach vielleicht anderthalb Stunden Stop-and-Go wieder drauflospreschen konnten, für gut acht Kilometern, auf denen sie dann mit etwa 200 km/h die Verspätungen wieder aufholten, rechts und links an Schleichern vorbei flitzend und der von bürokratischen Analphabeten vorgeschriebenen Begrenzung auf 80 nicht achtend.

Irgendwann in einer dieser Massenansammlungen kam mir - neben vielen anderen - auch dieser Gedanke: dass ja nicht nur das Volk so fühlt und handelt, sondern auch seine Regierung. Der sich gern selbst so sehende (wenn auch demnächst vermutlich verschrottete) "Kanzler aller Autos" ebenso wie die Schar der anderen Spitzen-Autisten sämtlicher Parteien, alle sind sie stolz darauf, weiterhin das einzige Land der zivilisierten (also vollmotorisierten) westlichen Welt zu regieren, in dem es keine menschenrechtswidrige Schurigelei in Form eines Tempolimits gibt. Und alle verhalten sie sich wie die von ihnen Regierten, nach der Devise "Ich-bin-die-Vorfahrt" und "Rücksicht-ist-was-für-Angsthasen".

Schon nach achteinhalb Stunden hatte ich, entspannt und locker, die knapp 500 Kilometer zwischen Köln und München hinter mich gebracht. Und am Tag darauf, hinterm Brenner, dachte ich noch einmal wehmütig an die schöne Fahrt gestern zurück. Jetzt nämlich rollte ich gelangweilt gleichmäßig und ohne spaßfördernde Unterbrechung mit 130 gen Süden. Sicher, auch hier gibt es automatti , also PS-Narren, die probieren, ob sie mit ihrem Kühlergrill meinen Auspuff kitzeln können. Aber erstens sind es weit, weit weniger als im gelobten Land, wo Knilch und Opa rasen; und außerdem brettern sie, wenn ich dann Platz mache, einfach vorbei, ohne eine der zahlreichen und so lustig-lebhaften Gesten, über die gerade die Italiener zur Kommunikation bekanntlich verfügen.

Jedenfalls - ich freue mich schon jetzt auf den nächsten Besuch in der Deutschen Autokratischen Republik, dem Land der Freiesten aller Freien. Eine kleine kritische Anmerkung hätte ich zum Schluss aber doch noch, den Rat nämlich, ganz ab und zu (und nicht bloß im Januar, und nicht bloß in Berlin) vielleicht auch mal an Rosa Luxemburg zu denken und ihren Satz, wonach die Freiheit immer auch die Freiheit der Anderslenkenden ist.

Ekkes Frank lebt in Italien und schreibt dort gelegentlich Adagio-Notizen.



Online-Flyer Nr. 13  vom 12.10.2005



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